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„Es hat uns verrückt gemacht“: Ex-FBI-Agent erhebt schwere Vorwürfe gegen „White Tiger“-Ermittler
Bereits vor drei Jahren will der frühere FBI-Beamte Pat McMonigle den mutmaßlichen Pädokriminellen Shahriar J. alias „White Tiger“ enttarnt haben. Festgenommen wurde dieser Mitte Juni 2025.
Stand:
Im Fall des mutmaßlichen Pädokriminellen Shahriar J. alias „White Tiger“ macht der frühere FBI-Beamte Pat McMonigle den deutschen Kollegen schwere Vorwürfe, wie der „Spiegel“ berichtet. Er habe bereits vor Jahren Beweise gegen den Beschuldigten geliefert.
„Es hat uns verrückt gemacht, dass wir ihnen all diese Beweismittel geliefert haben und er trotzdem nicht festgenommen wurde“, sagte McMonigle dem Nachrichtenmagazin. Seine Hamburger Kollegen hätten es versäumt, den Beschuldigten J. zeitnah zu verhaften.
Es hat uns verrückt gemacht, dass wir ihnen all diese Beweismittel geliefert haben und er trotzdem nicht festgenommen wurde.
Pat McMonigle, ehemaliger FBI-Beamter
McMonigle arbeitete dem Bericht zufolge fast 20 Jahre lang für das FBI. Vor drei Jahren habe er zusammen mit seinem FBI-Partner den damaligen Hamburger Oberstufenschüler Shahriar J. als mutmaßlichen Gewaltverbrecher enttarnt. J. gilt als Kopf des Online-Netzwerks „764“.
Bereits bei einem Treffen in Hamburg im Februar 2023 informierte McMonigle das Landeskriminalamt (LKA) über die Identität des „White Tiger“, berichtet der „Spiegel“. Erst sieben Monate später hätten die Behörden zum ersten Mal das Zuhause von J. durchsucht. Wiederum ein Jahr später lag die Auswertung der sichergestellten Datenträger vor. Vor einigen Wochen wurde Shahriar J. schließlich verhaftet – fast zweieinhalb Jahre nach dem Besuch der FBI-Leute.
Frühe Warnsignale wurden übersehen
Dabei war Shahriar J. in Hamburg kein Unbekannter: Bereits im Sommer 2021 bekam das LKA einen Bericht einer Kinderschutzorganisation aus den USA, dass ein Nutzer namens „White Tiger“ jugendpornografische Schriften verbreitete, wie die „Zeit“ und die „Hamburger Morgenpost“ berichteten. Das US-amerikanische National Center for Missing & Exploited Children (NCMEC) hätten dem Bundeskriminalamt auf den mittlerweile 20-jährigen Deutsch-Iraner aufmerksam gemacht.
Bei einer Vernehmung hatte der damals 16-Jährige zugegeben, als „White Tiger“ mit zwei minderjährigen Userinnen auf der Plattform Discord Chats mit jugendpornografischen Inhalten geführt zu haben. Die Chats mit einer der Minderjährigen enthielten auch Aufforderungen zu selbstverletzenden Handlungen sowie die Bestärkung eines vom Opfer selbst geäußerten suizidalen Gedankens, berichteten die „Zeit“ und die „Hamburger Morgenpost“. Schon damals sei er in dem NCMEC-Bericht als „764“-Mitglied genannt worden.
Das Verfahren gegen J. wurde jedoch noch 2021 von der Staatsanwaltschaft wegen Geringfügigkeit eingestellt. Nach „Spiegel“-Informationen soll Shahriar J. die Mädchen danach weiter schwer missbraucht haben, berichtet das Magazin. Beide Fälle sind heute Teil des Haftbefehls gegen J.
Schwere Vorwürfe gegen den Verdächtigen
Die US-Ermittler machten Shahriar J. früh für sadistische Taten verantwortlich. Unter anderem soll J. 2022 einen 13-Jährigen aus der Nähe von Seattle in den Selbstmord getrieben haben, berichtet der „Spiegel“. J. war damals erst 17 Jahre alt. Andere Opfer setzte der Hamburger offenbar so unter Druck, dass sie sich etwa an den Genitalien mit Messern verletzten. Eine 14-jährige Kanadierin versuchte, sich umzubringen.
Heute werden ihm unter anderem Mord, versuchter Mord, gefährliche Körperverletzung, teils schwerer sexueller Missbrauch von Kindern sowie Besitz von kinderpornografischen Dateien vorgeworfen. Insgesamt soll „764“ acht Kinder im Alter von elf bis 15 Jahren im Internet zu Gewalt gegen sich selbst gezwungen haben. Die Kinder stammen aus Deutschland, England, Kanada und den USA – zwei aus Hamburg und eines aus Niedersachsen.
FBI-Ermittler sorgte sich um weitere Opfer
Ständig habe er sich in der Zwischenzeit Sorgen gemacht, dass „White Tiger“ immer noch Opfer jage, sagte McMonigle dem „Spiegel“. „Wie viele Kinder hat er dazu gebracht, schreckliche Dinge zu tun?“ Auch nach dem Treffen in Hamburg habe er regelmäßig weiteres Beweismaterial nach Deutschland übermittelt – etwa Belege für offensichtliche Gewalttaten gegen Minderjährige, darunter ein Mädchen aus Hamburg.
Ex-FBI-Mann McMonigle sagte dem „Spiegel“, er habe den deutschen Kollegen spätestens im März 2023 das Suizid-Video samt relevanter Chats übersandt. Im vergangenen Jahr quittierte McMonigle seinen FBI-Dienst. Die Ermittlungen, insbesondere zum Fall „White Tiger“, belasteten ihn zu sehr.
Staatsanwaltschaft verteidigt Vorgehen
Die Hamburger Staatsanwaltschaft teilte auf „Spiegel“-Anfrage mit, einen konkreten Mordverdacht habe es nach dem FBI-Besuch 2023 noch nicht gegeben. Die Herleitung des rechtlich „höchst komplexen“ Vorwurfs habe viel Zeit in Anspruch genommen. Es hätten Opfer vernommen werden müssen, eine genaue Auswertung von Chats und Videos sei nötig gewesen. Außerdem hätten vom FBI übergebene Dokumente „mit teilweise unsortierten Informationen keine Quellenangaben beziehungsweise belastbaren Belege“ enthalten.
Der Verdächtige sitzt nun im Jugendgefängnis auf der Elbinsel Hahnöfersand bei Jork in Niedersachsen in Untersuchungshaft. Die Rechtsanwältin von Shahriar J. sagte dem „Spiegel“, dass ihr Mandant die Vorwürfe bestreite und berief sich für ihn auf die Unschuldsvermutung. (Tsp/dpa)
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