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Die Air-India-Maschine stürzte am 12. Juni in Indien ab.

© dpa/Rafiq Maqbool

Update

Experte vermutet Suizid: Bericht nennt unterbrochene Treibstoffzufuhr als mögliche Ursache für Absturz in Indien

Bei dem Absturz in Indien Mitte Juni starben 260 Menschen. Die Ursache ist bisher unklar, nun gibt es einen ersten Bericht. Ein deutscher Luftfahrtfachmann äußert einen schrecklichen Verdacht.

Stand:

Vor etwa einem Monat löste der Absturz des Passagierflugzeugs von Air India mit 260 Toten weltweit Entsetzen aus. Seitdem wurde viel über mögliche Ursachen spekuliert. Nun gibt es einen vorläufigen Bericht der indischen Behörde für Flugunfall-Untersuchung – und einen schrecklichen Verdacht.

Dem Bericht zufolge ist der Absturz vom 12. Juni möglicherweise auf eine unterbrochene Treibstoffzufuhr zurückzuführen. Die Regler für die Kraftstoffzufuhr der beiden Triebwerke seien unmittelbar nach dem Start fast gleichzeitig auf die Position „Abgeschaltet“ gesprungen.

Das kann nach menschlichem Ermessen nur einer der beiden Männer im Cockpit getan haben.

Heinrich Großbongard, Luftfahrtexperte

Im Cockpit herrschte demnach Verwirrung, warum die Schalter plötzlich geschlossen waren. Die Fluggesellschaft Air India wollte sich nicht zu den ersten Ergebnissen äußern. Der deutsche Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt ist überzeugt: Einer der beiden Piloten hat vorsätzlich gehandelt.

Heinrich Großbongardt – hier 2018 – gilt als einer der renommiertesten Luftfahrtexperten Deutschlands. 

© Imago/Funke Foto Services/Volker Hartmann

„Der Bericht zeigt: Alles deutet darauf hin, dass es ein Suizid war“, sagte er dem „Spiegel“. „Dass einer der beiden Piloten dieser Maschine bewusst die Treibstoffzufuhr unterbrochen hat – und das genau in dem Moment, in dem das Flugzeug am verwundbarsten war, unmittelbar nach dem Abheben.“

Ein Flugzeug brauche dann den vollen Schub, um Höhe und Geschwindigkeit zu gewinnen. Das Abschalten der Treibstoffzufuhr habe das Gegenteil bewirkt, die Maschine sei abgestürzt, so Großbongardt. Einen technischen Defekt schloss er aus.

Im vorläufigen Untersuchungsbericht stehe, dass die beiden Treibstoffregler für die beiden Triebwerke wenige Sekunden nach dem Abheben von „Run“ auf „Cutoff“ umgelegt wurden – nacheinander, im Abstand von einer Sekunde zwischen Schalter 1 und Schalter 2. „Das kann nach menschlichem Ermessen nur einer der beiden Männer im Cockpit getan haben“, sagte Großbongardt, der als einer der renommiertesten Luftfahrtexperten Deutschlands gilt.

Auch andere Experten schließen Versehen aus

„Mir ist keine Prozedur bekannt, in der ein Abschalten der Treibstoffzufuhr kurz nach dem Abheben vorgesehen ist. Diese Schalter sollten in der Luft nur in wenigen Fällen betätigt werden, etwa wenn es einen Triebwerksbrand gibt, auch davon gibt es keine Spur. Und sie werden genutzt, um nach Ankunft des Flugzeugs die Triebwerke auszuschalten“, so der 69-Jährige, der unter anderem für die Lufthansa, den Hersteller Boeing und die Pilotenvereinigung Cockpit arbeitete.

Auch der britische Luftfahrtexperte Graham Braithwaite von der Cranfield University schloss aus, dass die Schalter unbeabsichtigt betätigt wurden. Bei den Reglern handle es sich um „wirklich wichtige Schalter“, die davor geschützt seien, dass jemand sie versehentlich berühre, sagte er der BBC. Braithwaite wies darauf hin, dass in dem Bericht nicht gesagt werde, dass ein Pilot den Schalter bewegt hat, und dass man in diesem Stadium „erwarten würde, dass der Bericht eine offene Meinung vertritt“.

Auch der US-Experte John Cox wies der Agentur Reuters zufolge darauf hin, dass ein Pilot die Schalter nicht versehentlich umlegen könne. „Man kann da nicht dranstoßen und dann bewegen sie sich.“

Triebwerke wurden wohl aus geringer Höhe wieder gezündet

Dem Bericht zufolge kam es beim Start zu einem plötzlichen Schubverlust, und die Boeing 787 Dreamliner verlor an Höhe. Unklar war zunächst, warum die Schalterpositionen sich geändert haben.

Auf dem geborgenen Stimmenrekorder des Flugzeugs sei im Cockpit zu hören gewesen, wie einer der Piloten den anderen gefragt habe, warum er den Kraftstoffschalter umgelegt habe, heißt es in dem Bericht. „Der andere Pilot antwortete, er habe das nicht getan.“ Ob die Antwort vom Flugkapitän oder vom Ersten Offizier kam, blieb unklar.

Die Schalter wurden an der Absturzstelle in der „Eingeschaltet“-Position vorgefunden. Dem Bericht zufolge gab es Hinweise darauf, dass beide Triebwerke vor dem Absturz aus geringer Höhe wieder gezündet wurden.

Notfallsystem der Boeing 787 Dreamliner nach Start ausgeklappt

Das Flugzeug mit 242 Menschen an Bord war am 12. Juni kurz nach dem Start in Ahmedabad im westlichen Bundesstaat Gujarat in ein Wohngebiet gestürzt und in Flammen aufgegangen. Bei der Katastrophe starben 241 Insassen und 19 weitere Menschen am Boden. Nur ein Passagier an Bord – ein Brite – überlebte. Das Flugzeug war nach London unterwegs.

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Überwachungskameras am Flughafen hätten gezeigt, dass das Ram-Air-Turbine genannte Notfallsystem des Flugzeugs ausgeklappt worden sei, als die Maschine anfangs gestiegen sei, heißt es weiter in dem Bericht. Das System besteht aus einem kleinen Propeller und erzeugt aus dem Fahrtwind hydraulische oder elektrische Energie. Bei einem Notfall wird es aus dem Rumpf oder der Tragfläche ausgeklappt.

Dem Bericht zufolge deutete nichts auf einen möglichen Zusammenprall mit fliegenden Vögeln hin. „Es wurden keine bedeutsamen Vogelaktivitäten in der Nähe der Flugbahn beobachtet.“ Die Maschine habe bereits an Höhe verloren, noch bevor sie die Umfassungsmauer des Flughafens überflogen habe.

In diesem Stadium der Untersuchungen gibt es „keine Handlungsempfehlungen für die Betreiber und Hersteller von Boeing 787-8 und/oder GE GEnx-1B-Triebwerken“, teilte die Behörde mit.

An den Untersuchungen beteiligten sich demnach auch Experten von Boeing, der Bundesluftfahrtbehörde der USA sowie des Triebwerkherstellers GE. Air India bestätigte den Eingang des vorläufigen Berichts. Angesichts der laufenden Ermittlungen „können wir uns nicht zu spezifischen Details äußern“, hieß es auf der Plattform X.

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