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Panorama: Expo: Wo das Paradies von der Decke hängt

Das Messegelände in Hannover misst 160 Hektar, und für niemanden ist es zu schaffen, an einem Tag alles Wichtige anzusehen. Umso dringlicher stellt sich die Frage, was überhaupt das Wesentliche an der Expo ist.

Das Messegelände in Hannover misst 160 Hektar, und für niemanden ist es zu schaffen, an einem Tag alles Wichtige anzusehen. Umso dringlicher stellt sich die Frage, was überhaupt das Wesentliche an der Expo ist. Neben den Pavillons der rund 150 Nationen wird hier immer wieder der "Themenpark" genannt, der sich auf fünf große Messehallen erstreckt. Es sind elf ganz unterschiedliche Ausstellungen, die auf einer 100 000 Quadratmeter großen Fläche im Themenpark geboten werden. Zumeist gehen die Besucher durch dunkle Gänge, vorbei an Bildschirmen, Guck-Kästen oder Videoprojektionen. Alles dreht sich um das Motto der Expo - "Mensch, Natur, Technik".

In Halle sieben, die den Titel "Mensch" trägt, sind mehrere große Würfel aufgebaut - sie sehen aus wie riesige Vogelbauer. Auf Bildschirmen sieht man Interviews mit Opfern von Menschenrechtsverletzungen; die Nazizeit und Folter in der Türkei werden thematisiert. In einem Würfel schläft ein Mensch, in einem anderen zwitschern Singvögel. Jeder Vogel steht für eine Million Menschen, und im Vergleich zu früher, heute und morgen wird die Entwicklung der Weltbevölkerung nachgezeichnet.

Nebenan, in der Gesundheitshalle, stehen hunderte Liegestühle an einem künstlichen See - zum Entspannen. Der Sessel wippt wie ein Schaukelstuhl, während dumpfe Klänge ertönen und Videobilder von schönen Landschaften vorgeführt werden. Alte und neue Fahrzeuge, hypermoderne Straßenbahnen, ein Ein-Liter-Auto und eine mobile, vollautomatisch gesteuerte Tanksäule werden in der Halle "Mobilität" vorgeführt. Gläserne Schaufensterpuppen sitzen in den Fahrzeugen, Straßenlärm wird über Lautsprecher eingespielt. In der Energiehalle kann man durch ein Kohlebergwerk gehen, vorbei an Windrädern und einer übergroßen Schiffsschraube. Man fährt in einem Aufzug bergab, der dem Bohrkopf einer Gasbohrung nachempfunden ist: Der Boden dreht sich, an den Seiten fließt Wasser und kleine Luftbläschen strömen nach oben.

Eher umstritten ist die Ausstellung zur "Zukunft der Arbeit": Man betritt einen großen Saal, und auf einer erhöhten Plattform zeigen Tänzer die Arbeitswelt von Morgen. Weil Computer viele Tätigkeiten übernommen haben, gibt es keine Dauerarbeitsplätze mehr - die Leute finden nur für kurze Zeit in befristeten Projektgruppen zusammen, um neue Dinge zu entwerfen oder in Gang zu setzen. Einen Besucheransturm erlebt man hier allerdings nicht. Eine andere Halle trägt den Titel "Basic needs - Grundbedürfnisse". Der Inder Rajeev Sethi hat die Ausstellung entwickelt - er präsentiert einen riesigen Supermarkt, in dem Süsswaren, Cornflakes, Babywindeln und Toilettenpapier angeboten werden. In einer Ecke sind Müllberge aus Papier und Plastik aufgeschichtet. Der Überfluss des Angebots mit den stets wiederkehrenden Hinweisen "You need it" wirkt witzig. Beliebt sind die wandelnden Halbeier, die sich in der Halle "Wissen" tummeln. In einem großen, in bläuliches Licht gehüllten Raum bewegen sich große runde Roboter automatisch auf dem Fußboden. Auf ihrer Außenhaut tauchen ständig wechselnde Sinnsprüche oder mathematische Formeln auf. Kommt man einem Halbei näher, so fährt es automatisch weg - doch die Eier stoßen nie zusammen.

Der Renner ist allerdings der "Planet der Visionen" in der Halle neun. Wer hier hinein möchte, muss Wartezeiten von einer Stunde in Kauf nehmen. Viele Leute schreckt das nicht ab, immerhin werden sie mit einer Traumwelt belohnt. Der Besucher geht durch einen dunklen Tunnel, hört ein Stimmengewirr aus unterschiedlichen Sprachen. Am Ausgang merkt er, dass er eben den halbfertigen Turm zu Babel betreten hat. Dann gelangt man auf eine große dunkle Flächen und sieht am Horizont beleuchtete Traumgestalten: Ein apokalyptisches Tor, das den Weg in eine bessere Zukunft weist, ein Roboter in einer volltechnisierten Welt und ein angsteinflößendes Luftschiff. Ein paar Meter weiter sieht man das - scheinbar - perfekte Leben: Ein Garten Eden mit vielen Büschen, Sträuchern und Früchten ist zu sehen. Ein Einhorn und eine Giraffe stolzieren durch das Dickicht. Doch bei näherem Hinsehen merkt man, dass sich das Paradies nur im Wasser spiegelt, denn der Garten ist kopfüber an der Decke montiert worden. Dieses vollkommene Glück ist für die Menschheit eben unerreichbar.

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