Panorama: Frauen und Männer können keine Freunde sein!
Meine Freundin und ich hatten neulich ein heftiges Problem. Sie hatte einen Kronleuchter gekauft, den es aufzuhängen und anzuschließen galt.
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Meine Freundin und ich hatten neulich ein heftiges Problem. Sie hatte einen Kronleuchter gekauft, den es aufzuhängen und anzuschließen galt. „Kein Problem“, sprach ich forsch ins Telefon. „Bin heute Abend mit den nötigen Gerätschaften vor Ort.“
Um es kurz zu machen, wir mussten feststellen, dass wir rein physisch nicht in der Lage waren, den Lüster an die Decke zu hängen. Wir waren a) zu klein und b) zu schwach. Meine Freundin stand auf dem Hochplateau der Leiter, sie reckte und streckte sich vergeblich. „Das muss ein Mann machen“, sagte sie. Ich pflichtete ihr bei und rollte das Verlängerungskabel für die Bohrmaschine wieder zusammen.
Es ist erniedrigend, Männer um einen solchen Gefallen zu bitten. Männer, die aufgrund ihrer rein physischen Überlegenheit kurz mal eben einen Kronleuchter aufhängen können, wollen dafür bewundert, schlimmstenfalls sogar zum Abendessen eingeladen werden. Anstrengend! Aus Furcht vor endloser Null-Konversation hat meine schlaue Freundin die Steak-Methode entwickelt – sie verspricht jedem Mann, der in ihrem Leben handwerklich in Erscheinung tritt, ein Steak für ihn zu braten. Sie schildert ihm sogar, wie saftig und zart das Fleisch sein wird. Überflüssig zu sagen, dass meine Freundin ihr Versprechen nie einlöst. Sie ist auch allgemein fest davon überzeugt, dass Frauen und Männer keine Freunde sein können.
Ich dagegen glaube, dass Frauen und Männer durchaus Freunde sein können. Nein, lassen Sie mich sogar so weit gehen: Im absoluten Idealfall sind Frauen und Männer Freunde.
Vor kurzem war ich beispielsweise mit meinem Freund im Kino, um den Film Rocky Balboa zu sehen. Es handelte sich um ein kleines Kino tief im Westen der Republik. Kurz nachdem wir uns auf den plüschigen Sesseln niedergelassen hatten, flippte er vor Freude aus: „Ich fass es nicht, hier darf man rauchen!“ Sogleich steckte er sich eine Gauloise zwischen die Lippen und lehnte sich genüsslich zurück.
Wären wir ein Paar, hätte ich mit Sicherheit ein paar genervte Bemerkungen gemacht. So aber sah ich darüber hinweg, dass dichte Rauchwolken die Sicht auf Sylvester Stallones physisch überlegene Brust vernebelten. Ich bekam Kopfschmerzen. Warum verzeiht man eigentlich in Freundschaften viel mehr als in Beziehungen?
Das „Harry und Sally“-Theorem besagt, dass Frauen und Männer schon allein deswegen keine Freunde sein können, weil sie früher oder später sowieso Sex haben werden. Sobald der Sex passiert, erreicht die Angelegenheit folgerichtig eine neue, fragilere Dimension. Eine Dimension, in der man nicht mehr ganz ungezwungen zwei Wochen nicht anrufen kann, ohne dass sich – ganz wie von selbst – größere Verstrickungen ergeben. Sex, erklärte meine Freundin, fügt gegengeschlechtlichen Freundschaften einen nicht wieder rückgängig zu machenden Schaden zu. Als Beispiel führte sie ihre geliebte Beatles-LP an, die sie im Vorschulalter zerschnitten hatte, um zu erforschen, wo die Musik herkommt.
Sie gab allerdings auch zu, dass der Moment, als sie mit der Schere euphorisiert von ihrem eigenen Mut auf das Vinyl einstach, sehr schön, ja, von einer Art süßsaurer Melancholie geprägt gewesen sei.
Der Kronleuchter lag in Seidenpapier verpackt neben uns und klirrte traurig. Betroffen wechselten wir im Schein der von der Decke baumelnden Glühbirne einen Blick. „Es hilft nichts. Morgen tausche ich ihn um“, flüsterte meine Freundin. „Gegen einen Deckenfluter.“
Unsere Kolumnistin, 31, bekommt laufend gute Ratschläge. An diese Stelle überprüft sie jede Woche einen davon auf seinen Wahrheitsgehalt.
Esther Kogelboom
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