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Das bundesweit erste Streckenradar soll am 14.01.2019 scharf gestellt werden. Bei einem Streckenradar wird das Tempo von Autofahrern über einen längeren Straßenabschnitt gemessen.

© Julian Stratenschulte/dpa

Tempokontrolle: Geschwindigkeit wird per Streckenradar überwacht

Bei Hannover wird bundesweit erstmals ein Streckenradar eingesetzt. In Belgien und Österreich führt die Technik bereits zu mehr Verkehrssicherheit.

Die weiß-graue Technikbrücke über den beiden Fahrstreifen der B 6 bei Laatzen Richtung Norden erinnert von weitem ein wenig an eine Mauterfassungsstelle.

Doch das Schild dort oben zeigt unmissverständlich, um was es sich wirklich handelt: „Section Control, Radarstrecke, 2,2 Kilometer“, ist darauf zu lesen. Kurz vor Hannover gilt hier auf der von kleinen Bäumen gesäumten vierspurigen Straße Tempo 100.

Ob sich die Autofahrer daran halten, überwachen nicht mehr nur sporadisch einzelne Blitzer. Die bundesweit erste Anlage misst vielmehr rund um die Uhr auf dem gesamten Abschnitt die Durchschnittsgeschwindigkeit.

Kameras in der Brücke am Anfang und in der Brücke am Ende erfassen verschlüsselt das Nummernschild jedes Fahrzeugs, das System berechnet in Sekundenbruchteilen das Tempo und fotografiert sofort die ertappten Sünder – dann unverschlüsselt mit den hinter der zweiten Brücke aufgereihten klassischen Starenkästen.

Daten von Rasern werden automatisch an Polizei weitergeleitet

Seit Montag in den frühen Morgenstunden ist der Streckenradar nach einer vierwöchigen Testphase „scharf“ geschaltet.

Hatte das System zuvor lediglich Verstöße anonym registriert, übermittelt es nun die Daten der ermittelten Raser automatisch an die Polizei Hannover, die sie nach Auswertung der zuständigen Bußgeldbehörde weiterreicht. Zumindest am Premierentag zeigen sich die Autofahrer allerdings vernünftig.

Eine Stichprobe an Ort und Stelle ergibt, dass trotz passablen Wetters mit zeitweisem Sonnenschein und Temperaturen deutlich über dem Gefrierpunkt niemand sein Gaspedal durchdrückt. „Bis zwölf Uhr mittags wurde kein Verstoß festgestellt“, bestätigt eine Sprecherin des niedersächsischen Innenministeriums in Hannover den guten Eindruck auch offiziell.

Ressortchef Boris Pistorius (SPD) hatte schon vor fünf Jahren ein derartiges Pilotprojekt auf der unfallträchtigen Strecke im Süden der Landeshauptstadt angekündigt. Aber technische Probleme und Datenschutzbedenken verzögerten immer wieder die Einführung. 15500 Autos täglich passieren die B 6 hier.

Andere Bundesländer setzen auf niedersächsische Erfahung

Punktuelle Tempokontrollen führten regelmäßig zu dem Phänomen, dass Raser dort abrupt abbremsten und andere Verkehrsteilnehmer in zusätzliche Gefahren brachten. „Eine Geschwindigkeitsmessung über einen längeren Streckenabschnitt ist sicherer und vor allem auch gerechter für alle Beteiligten als feste Blitzer“, betont Pistorius.

Nach erfolgreichem Abschluss des Pilotprojekts mit einer spürbaren Senkung der Unfallzahlen seien weitere Strecken mit einer Abschnittskontrolle denkbar, heißt es. Andere Bundesländer wollen erst einmal die niedersächsischen Erfahrungen abwarten.

Während Verkehrswacht und Gewerkschaft der Polizei die in den Nachbarstaaten Österreich, Belgien und den Niederlanden seit Jahren genutzte Technik als wertvollen Beitrag für mehr Verkehrssicherheit begrüßen, erheben Grüne und Liberale im Landtag Bedenken.

„Auf der B 6 kommt es jetzt vermehrt zu Grundrechtsverstößen durch Minister Pistorius“, kritisiert Niedersachsens früherer Verkehrsminister Jörg Bode (FDP) mit Blick auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Für die Erfassung und Auswertung der Daten fehle die notwendige Rechtsgrundlage. „Einsprüche gegen Bußgeldbescheide haben große Chancen“, vermutet der Abgeordnete.

Ministerium und auch Niedersachsens Datenschutzbeauftrage Barbara Thiel widersprechen jedoch dieser Sichtweise. Da es sich um eine bis Juni 2020 beschränkte Pilotphase handle, seien die Generalklauseln im Polizei- und Datenschutzrecht vorläufig ausreichend. Erst für einen späteren Regelbetrieb brauche man eine „bereichsspezifische Rechtsgrundlage“.

Eine solche Spezialvorschrift ist bereits im Entwurf des neuen Polizeigesetzes der SPD/CDU-Landesregierung vorgesehen. Die Novelle befindet sich derzeit im Landtagsverfahren. Das Innenministerium versichert außerdem, dass die Fotos der Autos von regeltreuen Fahrern sofort nach Verlassen des Kontrollabschnitts gelöscht würden, ohne dass es zwischenzeitlich eine Zugriffsmöglichkeit auf die Daten gebe.

Österreich ist Vorreiter - und meldet Erfolge

Österreich installierte seine erste Section Control vor 15 Jahren im Wiener Kaisermühlentunnel. Seitdem gab es dort keinen tödlichen Unfall durch überhöhte Geschwindigkeit mehr. Auf anderen Strecken mit Abschnittsradar sank die Zahl der Unfälle um die Hälfte.

Positive Erfahrungen meldet auch Belgien. Hier setzt die Polizei neben den stationären Anlagen auch mobile Streckenkontroll-Systeme insbesondere in Autobahnbaustellen ein.

Studien ergaben, dass auf den per Section Control überwachten Straßen die Zahl der Temposünder ebenso sinkt wie die Zahl der Unfälle. Außerdem ist dort ein deutlich ruhigerer, gleichmäßiger Verkehrsfluss zu verzeichnen.

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