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Babyfarmen: In Nigeria werden Kinder zum Verkauf ''gezüchtet''

Der Menschenhandel ist ein lukratives Geschäft. Immer skrupeloser gehen die Hintermänner vor. Jetzt zerschlug die nigerianische Polizei ein Netzwerk und machte dabei grausige Funde.

Schon seit geraumer Zeit beobachteten Nachbarn die Frauenklinik im nigerianischen Enugu mit Argwohn: Während des Tages herrschte gespenstische Stille, erst nachts erwachte das Krankenhaus zum Leben. Niemand war jedoch auf das vorbereitet, was eine Polizeirazzia ans Tageslicht brachte: In Enugu wurden Kinder "gezüchtet", um sie zu verkaufen.

In den vergangenen Monaten deckte die Polizei ein ganzes Netzwerk solcher Kliniken in Nigeria auf. Von der örtlichen Presse werden sie Babyfarmen oder "Babyfabriken" genannt. Die Entdeckungen werfen ein Schlaglicht auf den Menschenhandel im bevölkerungsreichsten Land Afrikas. Erst im vergangenen Mai wurden 20 junge Frauen bei einer Razzia im Krankenhaus befreit. Die Polizeiaktion zielte auf einen der größten Kinderhandel-Ringe Nigerias.

Die Hölle auf Erden

Jetzt steht das zweistöckige Gebäude in einer staubigen Straße des Uwani-Viertels verlassen da, die Rollläden sind heruntergelassen. "Als wir das Krankenhaus durchsucht haben, fanden wir vier Frauen, die schon bis zu drei Jahre in der Klinik verbracht hatten, um Babys zu züchten", berichtet Enugus Polizeichef Desmond Agu. Die mittellosen Teenager trugen den Ermittlungen zufolge gegen Bezahlung ein Kind nach dem anderen aus. Der Arzt habe "Jungen eingeladen, die Mädchen zu schwängern".

Den Berichten zufolge lockte der Frauenarzt außerdem ungewollt schwangere Mädchen mit der Aussicht auf eine Abtreibung in seine Klinik. Willigten die Frauen ein, wurden sie für den Rest ihrer Schwangerschaft gefangen gehalten, von Abtreibung war keine Rede mehr. Nach der Geburt erhielten sie umgerechnet rund 135 Euro für die Neugeborenen. Nach Angaben der nigerianischen Organisation gegen Menschenhandel (Naptip) wurden die Babys für umgerechnet 2000 bis 3000 Euro weiterverkauft. Die Klinik flog auf, als eine Frau mit einem dort gekauften einen Tag alten Baby auf dem Weg nach Lagos gefasst wurde.

Aus Angst vor Racheakten findet sich kaum eine junge Frau, die über die Zeit in der Klinik redet. Nur anonym ist eine 18-Jährige bereit, von ihrer wochenlangen Gefangenschaft zu berichten: "Sobald ich im Krankenhaus war, bekam ich eine Spritze. Ich verlor das Bewusstsein. Als ich wieder zu mir kam, merkte ich, dass ich vergewaltigt worden war." Sie habe darum gebeten, ihre Familie anrufen zu können, sei als Antwort aber nur vom Arzt ins Gesicht geschlagen worden. Mit 19 Leidensgenossinnen teilte sie sich nach ihren Worten ein Zimmer, eine weitere Vergewaltigung folgte. Eine Woche später wurde die junge Frau bei der Razzia befreit.

Menschenhandel ist ein einträgliches Geschäft

Rund ein Dutzend ähnlicher "Babyfarmen" wie in Enugu wurden nach Polizei-Angaben in den vergangenen Monaten in dem afrikanischen Staat entdeckt - getarnt hinter der Fassade einer Geburtsklinik, eines Waisenhauses oder eines Obdachlosenheims. Im Oktober schlug die Polizei in einem angeblichen Kinderheim ebenfalls in Enugu zu. Nach Angaben von Anwohnern wurden sieben Schwangere und fünf Helfer herausgeführt.

2005 schlossen die Behörden ein Waisenhaus in Lagos wegen des Verdachts auf Kinderhandel. Im Müll der Einrichtung fanden die Ermittler verkohlte Babyknochen. Seitdem wird vermutet, dass dort mit Organen und Körperteilen gehandelt wurde, möglicherweise für Opferrituale oder Transplantationen. In anderen Fällen werden Babys nach Angaben von Beobachtern zur Adoption oder späteren Zwangsarbeit, Prostitution und für sexuellen Missbrauch verkauft.

Der Handel mit Menschen ist ein einträgliches Geschäft und die Dunkelziffer hoch. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen werden weltweit Milliarden von Euro mit dem Verkauf von Menschen umgesetzt, mindestens zehn Kinder würden täglich allein in Nigeria verkauft. "Manche Kunden wissen gar nicht, dass das kriminell ist und halten es für Adoption", sagt Naptip-Chef Ijeoma Okoronkwo. "Sie gehen in eine Klinik, zahlen eine Gebühr und bekommen ein Baby dafür."

Susan Njanji[AFP]

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