zum Hauptinhalt

Portrait: Kim Schmitz, die große Nummer

Es gibt nicht viele Deutsche, die es geschafft haben, auf einem Feld Hauptfeind der USA zu werden. Er ist einer.

Kim Schmitz, der große Selbstdarsteller, der große Finanzjongleur, der große Meister des Internets und wahrscheinlich der derzeit größte Kriminelle, den Deutschland international zu bieten hat, ist der Hauptfeind der USA in Sachen Internetpiraterie. Der hat Washington den Krieg erklärt. Auch nach seiner Verhaftung in seinem 30-Millionen-Dollar-Anwesen im neuseeländischen Auckland bleibt Kim Schmitz eine große Nummer.

Washington will unbedingt seine Auslieferung, monatelang hatte das FBI sich auf seine Festnahme vorbereitet. Die Vorwürfe gegen „Kim Dotcom“, wie sich der 38-Jährige nennt, reichen vom organisierten Verbrechen über Internetpiraterie bis zur Geldwäsche. Das FBI schätzt den Schaden, den Schmitz mit seiner Internet-Datenbörse Megaupload verursacht hat, auf eine halbe Milliarde Dollar. Am Ende verschanzte sich der Deutsche mit einer abgesägten Schrotflinte im Panic Room seines Anwesens. Wie viel Privatvermögen er angehäuft hat, ist unklar, wie so vieles in der Geschichte um den Zweimetermann, der seine erste Million ausgerechnet vom deutschen Staat erhalten haben will.

Es war ein „Jungunternehmer-Förderprogramm“, erzählte Schmitz 2001 bei „Harald Schmidt“. Mit diesem Geld hätte er Firmen gegründet, ideenreich Arbeitsplätze geschaffen, für den Technologiestandort Deutschland geworben. „Es ist frustrierend zu sehen, wie viel man diesem Land gibt und wie man dann trotzdem angegangen wird“, sagte er damals. Die Suche nach Aufmerksamkeit, Anerkennung, ja sogar nach Dankbarkeit sollte neben seiner Großspurigkeit die größte Konstante in Schmitz’ rasanter Karriere bleiben, die ihre Wellenbewegungen im Gleichschritt mit dem Auf und Ab der globalen Internetwirtschaft bestritten hat.

Er verkörpert geradezu die Dotcom-Blase. Geboren wurde Schmitz in Kiel, sein Vater arbeitete als Kapitän auf der MS Deutschland, seine Mutter als Köchin. Schon 1994, als der Siegeszug des Internets höchstens Experten klar gewesen sein kann, war Schmitz in der Hackerszene aktiv, brach virtuell in die Seiten von Regierungsbehörden und internationalen Konzernen ein. Sagt Schmitz. Er könne nicht eine Zeile programmieren und sei lediglich ein gewiefter Verkäufer, kolportierten Quellen im Internet. Zumindest die Münchener Polizei muss jedoch die erste Version geglaubt haben, der damals 20-Jährige verbrachte drei Monate in Untersuchungshaft, bekam eine Bewährungsstrafe. Alles nur ein Vorspiel für das, was folgen sollte.

Mit der Dotcom-Blase begann sein Aufstieg

Als Ende der 90er Jahre die New-Economy-Blase groß und größer wurde, kam seine Zeit. Er gründete Firmen, kaufte und verkaufte Beteiligungen, schaffte es zwischendurch noch mit Arm-in-Arm-Fotos mit Promis in die Schlagzeilen. Schmitz gewann die Promi-Rallye „Gumball 3000“, ein illegales PS-Spektakel, dessen Teilnehmer sich regelmäßig Verfolgungsjagden mit der Polizei liefern. Doch 2001 sollte nicht nur das bis dato beste Jahr in Schmitz Karriere werden, sondern auch ein Wendepunkt.

Als er sich zum Retter der klammen Webseite letsbuyit.com aufspielte und statt wie versprochen Millionen zu investieren lediglich seine Gewinne maximierte, geriet er ins Visier der Polizei. Der Verdacht lautete auf Insiderhandel und erhärtete sich schnell. Schmitz reagierte mit einer Flucht nach Thailand und der bizarren Ankündigung, sich live vor einer Webkamera umzubringen. Zuvor sollen sich Freunde von ihm abgewendet haben, viele seiner Geschäftsideen geplatzt sein. Schmitz nahm sich schließlich nicht das Leben, wurde Anfang 2002 verhaftet und zu einem Jahr und acht Monaten Haft verurteilt. Als er rauskam, war von der Dotcom-Euphorie nichts mehr übrig, um den einstigen Dampfmacher der New Economy wurde es still.

„Ich bin klüger als Bill Gates. Ich werde irgendwann einer der reichsten Männer der Welt sein“ ist eines der bekanntesten Zitate von Schmitz. Um diese Ankündigung doch noch wahrzumachen, gründete Schmitz mit mehreren Geschäftspartnern Megaupload, eine Seite, die unter anderem Filme und Musik bereitstellte, ohne jedoch die Urheber der Werke zu beteiligen. Auf Youtube präsentierte er den „Megasong“, ein seichtes Musikvideo, in dem die versammelte US-Prominenz um Alicia Keys, Jamie Foxx und Kanye West die Vorzüge von Megaupload besang, vor allem die Schnelligkeit des Datentransfers und dessen Sicherheit. Also absurderweise jene Künstler, die unter Schmitz’ Plattform am meisten litten, was den Betroffenen zum Zeitpunkt ihres Engagements nicht unbedingt klar gewesen sein dürfte.

Kim „Dotcom“ setzte beim Protzen immer noch einen drauf. Gerne ließ er sich mit Frauen im Arm fotografieren, posierte vor seinem Hubschrauber, vor seinem schicken Flugzeug. Niemand weiß, wie hoch sein Vermögen ist. Tag und Nacht spielte er einsam in seinem Riesenanwesen das Ballerspiel „Call of Duty Modern Warfare 3“ – und stieg zum besten unter den weltweit 15 Millionen Spielern auf. Wie immer wurde das Erreichte dokumentiert und ins Netz gestellt. Getreu seinem alten Grundsatz: Ein Erfolg ist keiner, wenn niemand ihn mitkriegt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false