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In Deutschland gibt es verschiedene Formen der Beisetzung, von einer Urnen- oder Erdbestattung bis hin zu einer Bestattung im Wald oder auf See.

© PNN/Andreas Klaer

Kompostierung von Leichen: Experte bezeichnet „Reerdigung“ als „komplett irren Vorgang“

Bisher können sich in Schleswig-Holstein Verstorbene in einem Pilotprojekt zu Humus umwandeln lassen. Nun plant Kiel eine Legalisierung des Verfahrens.

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Fast jeder Mensch dürfte sich im Laufe seines Lebens mit der Frage beschäftigen: Wie möchte ich eigentlich bestattet werden? In Deutschland gibt es verschiedene legale Formen der Beisetzung, von einer Urnen- oder Erdbestattung bis hin zu einer Bestattung im Wald oder auf See. Jede Bestattung können die Angehörigen individuell gestalten. Die gängigsten Bestattungsformen in Deutschland sind Erd- und Feuerbestattungen.

Rund 75 Prozent der Menschen lassen sich verbrennen, nur noch ein Viertel traditionell im Sarg beerdigen. Manche Regionen, wie auch Berlin, zählen bis zu 95 Prozent Feuerbestattungen, berichtet der Bundesverband deutscher Bestatter (BDB).

Es gibt rein gar nichts, was dieses nicht funktionierende Verfahren rechtfertigt.

Tade Spranger, Professor für Staats- und Verwaltungsrecht an der Universität Bonn

Doch nun soll zum Beispiel in Schleswig-Holstein eine weitere Form erlaubt werden: die „Reerdigung“. Dabei wird der Leichnam in einem Kokon bestattet und soll sich innerhalb von etwa 40 Tagen auf natürliche Weise zu Humus zersetzen, der dann auf einem Friedhof beigesetzt wird.

Bislang ist diese neue Möglichkeit der Bestattung nur in Schleswig-Holstein im Rahmen eines Pilotprojekts erlaubt. Nach Angaben des Berliner Unternehmens „Meine Erde“, das als einziges in Deutschland diese Reerdigungen anbietet, werden weder Chemikalien noch Insekten zugesetzt. Wie die Nachrichtenagentur KNA berichtete, wurden nach Angaben von „Meine Erde“ bis Mitte September elf Menschen „reerdigt“.

Spranger hält „Reerdigung“ für nicht sicher

Im Zusammenhang mit der geplanten Novelle des schleswig-holsteinischen Bestattungsgesetzes gibt es nun scharfe Kritik von Experten. Für Tade Spranger, Professor für Staats- und Verwaltungsrecht an der Universität Bonn, ist die durch das Kieler Justizministerium geplante Zulassung einer Kompostierung von Leichen „ein komplett irrer Vorgang“, wie er dem „Spiegel“ sagte.

Der Professor, zu dessen Arbeitsgebiet das Friedhofs- und Bestattungsrecht gehört, ist einer der Experten, die das Ministerium um Stellungnahme zum Gesetzentwurf gebeten hat. Spranger zufolge bestehen „zahlreiche naturwissenschaftliche und medizinische Bedenken, auch in Bezug auf „die biologische Sicherheit“ des Verwesungsprozesses.

Überdies fehle für bereits erfolgte Bestattungen im Rahmen des Pilotprojekts eine „hinreichende Rechtsgrundlage“. Sprangers Fazit lautet dem Bericht zufolge: „Es gibt rein gar nichts, was dieses nicht funktionierende Verfahren rechtfertigt.“

Das Gesundheitsministerium in Nordrhein-Westfalen argumentierte dem Bericht zufolge ähnlich. In einer Ende Juni an die Bezirksregierungen verschickten rechtlichen Einschätzung wurden Zweifel an dem Verfahren „Reerdigung“ geäußert.

Auch NRW-Ministerium zweifelt an „Reedigung“

Dem Bericht zufolge heißt es in dem Schreiben: „Mit den vorgelegten Informationen zur ,Reerdigung’ konnte nicht belegt werden, dass Gesundheitsgefahren für die Bevölkerung ausgeschlossen werden können. Zudem wird dem Grundrecht auf eine ungestörte Totenruhe im Bestattungsrecht eine große Bedeutung beigemessen“, so das Ministerium demnach weiter.

Wie das Blatt weiter schreibt, stützten sich die Kieler Ministerialbeamten in einem Vermerk, der dem Magazin nach eigenen Angaben vorliegt, bei der Genehmigung des Möllner Projekts auf ein von „Meine Erde“ bestelltes Gutachten des Juristen Torsten Barthel. Dessen Ehemann, Jörg Litwinschuh-Barthel, ist dem Bericht zufolge Geschäftsführer der „Stiftung Reerdigung“, die ein Tochterunternehmen von „Meine Erde“ sei.

Den Verdacht der Befangenheit habe „Meine Erde“-Geschäftsführer Pablo Metz zurückgewiesen, heißt es weiter. Er sehe demnach in der Verbindung „kein Problem“. Ein Ministeriumssprecher habe auf Anfrage erklärt, man habe „im Zuge der Erörterung und Prüfung der Thematik zusätzlich einen externen Experten hinzugezogen“.

Auch Sachsen-Anhalt sollte nach Ansicht von Fachvertretern bei der aktuellen Novellierung seines Bestattungsgesetzes die neue Bestattungsform „Reerdigung“ zulassen.

Bei einer Expertenanhörung Mitte September im Magdeburger Landtag sei die Forderung vom Verband der Friedhofsverwalter Deutschlands vorgebracht worden, so KNA. Verbandsgeschäftsführer Andre Könnecke kritisierte demnach, dass diese Wahlmöglichkeit in der Gesetzesnovelle der Landesregierung fehle. (lem)

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