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Newsblog zum Orkan "Friederike": Mindestens sechs Menschen sterben durch Orkantief
Stärkster Orkan seit "Kyrill" 2007: Orkantief "Friederike" ist mit voller Wucht über Deutschland gezogen. Die Ereignisse im Newsblog.
Stand:
- Sturmtief "Friederike" zieht seit Donnerstagmorgen über Deutschland
- Bahn- und Flugverkehr stark eingeschränkt
- Schulunterricht fällt in einigen Bundesländern aus
- In NRW, Thüringen, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern sind mehrere Menschen ums Leben gekommen
- Auch Reisen nach und ab Berlin von Zug- und Flugausfällen betroffen
- Das Sturmtief zieht über Polen ostwärts ab
- In der Nacht zu Freitag treten im Osten und Süden weiterhin Sturmböen auf
Die aktuellen Ereignisse im Newsblog:
(mit Agenturen)
Deutsche Bahn: Fernverkehr rollt am Freitag nach und nach wieder an
Nach der Zwangspause wegen des Orkans „Friederike“ soll der Fernverkehr der Deutschen Bahn am Freitagmorgen wieder anrollen. Jedoch sind in einigen Regionen weiter Einschränkungen zu erwarten. Insbesondere in Nordrhein-Westfalen und in Niedersachsen seien noch wichtige Strecken gesperrt, teilte die Bahn am Donnerstagabend mit.„Im Süden Deutschlands verkehren bereits ab dem Morgen die Züge weitgehend normal“, hieß es in der Mitteilung aus Berlin weiter. „Im Norden Deutschlands starten die Züge, sobald weitere Strecken von Schäden befreit und freigegeben wurden. Wir erwarten, dass bereits im Laufe des Vormittags alle Metropolen Deutschlands - mit Einschränkungen - wieder mit dem Fernverkehr erreichbar sein werden. Für das Wochenende erwarten wir einen weitgehend normalen Verkehr.“
Wegen der Auswirkungen des Sturms „Friederike“ hatte die Deutsche Bahn erstmals seit dem Orkan „Kyrill“ im Jahr 2007 den Betrieb auf ihrem gesamten Fernverkehrsnetz eingestellt.
Stürmische Geburt: Junge kommt wegen Orkan im Auto zur Welt
Der Orkan „Friederike“ hat zwar den Wagen seiner Eltern, aber nicht den kleinen Anton aufhalten können: In einem Auto hat eine Frau in Köln ihr Baby zur Welt gebracht. Papa und Mama waren am Donnerstagnachmittag zur Entbindung auf dem Weg in die Klinik, als eine sturmbedingte Straßensperrung die pünktliche Ankunft zunichte machte, berichtete die Feuerwehr. Der kleine Junge erblickte noch vor Ankunft von Rettungsdienst und Notarzt im Auto das Licht der Welt.Über den Notruf ging die Nachricht von der beginnenden Geburt ein. Der Leitstellendisponent gab am Telefon fortwährend Anweisungen bis er im Hintergrund das Neugeborene schreien hörte. Der Papa durfte dann mit Hilfe der eingetroffenen Einsatzkräfte die Nabelschnur durchtrennen.
Nach Orkan 140 000 Haushalte im Osten ohne Strom
Das Orkantief „Friederike“ hat zahlreiche Haushalte in Ostdeutschland von der Energieversorgung abgeschnitten. Folge seien zahlreiche Stromausfälle, berichtete die Mitteldeutsche Energie AG (enviaM) in Chemnitz. Nach Angaben des Unternehmens waren am Donnerstag bis zu 140.000 Kunden ohne Strom, nachdem Masten, Leitungen und andere Anlagen durch den Orkan beschädigt worden waren.Bis zum Abend reduzierte sich die Zahl nach Angaben einer Sprecherin auf etwa 65.000 Kunden. Rund 350 Mitarbeiter arbeiteten daran, auf andere Leitungen umzuschalten, um rasch viele Haushalte wieder anzuschließen. Das Unternehmen verfügt über ein Elektrizitätsverteilernetz von rund 74.000 Kilometern Länge in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Brandenburg. Zu den Anteilseignern zählen den Angaben nach auch rund 650 ostdeutsche Kommunen.
Mindestens sechs Menschen sterben durch Sturmtief „Friederike“
Auf einem Campingplatz am Niederrhein bei Emmerich wurde ein 59-Jähriger von einem Baum erschlagen. Er sei sofort tot gewesen. In einer Sturmböe verlor im westfälischen Lippstadt ein Mann (68) bei einem Verkehrsunfall sein Leben. Der Transporterfahrer hatte im Orkan die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren und war in den Gegenverkehr geraten.
Ein Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr starb bei einem Sturmeinsatz im sauerländischen Sundern. In Bad Salzungen in Thüringen wurde ein Feuerwehrmann von einem umstürzenden Baum getötet. Sein Kollege wurde
Bei einem Unfall inmitten der Sturmböen kam im Süden
Deutscher Wetterdienst: Friederike ist der heftigste Sturm seit dem Jahr 2007
Das Tief, das von Westen her über Deutschland fegte, ist laut Deutschem Wetterdienst (DWD) der schwerste Sturm seit dem Jahr 2007. Auf dem Brocken seien in der Spitze Orkanböen von 203 Stundenkilometer gemessen worden - sogar mehr als Orkan "Kyrill": „Friederike schlägt Kyrill, was die maximale Windböe betrifft. Vor exakt 11 Jahren gab es 202 km/h auf dem Wendelstein, heute meldete der Brocken eine Böe von 203 km/h“, schrieb der Deutsche Wetterdienst auf Twitter. „Damit haben wir elf Jahre nach Kyrill wieder einen Orkan der Königsklasse“, sagte DWD-Sturmexperte Andreas Friedrich.
Im Tiefland wurden ebenfalls hohe Spitzen-Windgeschwindigkeiten erreichte. So stellte der DWD fast 138 km/h im thüringischen Gera fest, 134 Kilometer pro Stunde wurden im nordhessischen Frankenberg erreicht. Im Westen Deutschlands wurde am Nachmittag jedoch die Orkanwarnung wieder aufgehoben, nachdem der Sturm durchgezogen war.
Nach tödlichem Unfall: Bundeswehr unterstützt Bergungsarbeiten
Nach dem Orkan „Friederike“ unterstützt die Bundeswehr mit einem Schützenpanzer die Bergungsarbeiten an einem Unfallort im thüringischen Bad Salzungen. Dort war am Donnerstagnachmittag ein 28 Jahre alter Feuerwehrmann von einem Baum erschlagen worden.Es seien wegen des Orkantiefs „Friederike“ so viele Bäume umgestürzt, dass Feuerwehr und Polizei mit ihren Einsatzfahrzeugen nicht mehr vorwärts gekommen seien, sagte ein Sprecher des Landeskommandos der Bundeswehr. Deshalb habe das Panzergrenadierbataillon 391 dem Amtshilfeersuchen der Polizei stattgegeben. Ein Schützenpanzer des Typs Marder solle nun helfen, die Bäume zu bergen. Zuvor hatte der MDR darüber berichtet.
Der junge Feuerwehrmann hatte versucht, eine Autofahrerin zu befreien, und war dabei ums Leben gekommen. Außerdem sei ein 57 Jahre alter Helfer der freiwilligen Feuerwehr Bad Salzungen schwer verletzt worden, teilte der Wartburgkreis mit.
Unterdessen in Essen...
Vollsperrung auf der A39
Hauptbahnhof Berlin: „Es ist ruhig, warm und es gibt Internet“
Sebastian Bertram (38) wollte ursprünglich nach Hamburg. Als freier Mitarbeiter einer PR-Firma hält er sich häufig in Berlin auf, wo er ebenfalls über ein Büro verfügt – heute sogar über zwei. „Ich wollte es um drei Uhr einfach mal versuchen und bin zum Hauptbahnhof gefahren. Dann habe ich aber schnell gemerkt, dass nichts geht. Anstatt zurück zur Arbeit zu gehen, habe ich dann hier mein Büro draus gemacht. Es ist ruhig, warm und es gibt Internet.“ Seitdem sitzt er in einem der Ruheabteile des Zuges, den die Bahn als Aufenthaltsort für Reisende bereitstellt.Während der Zapfhahn im Bordbistro läuft, Reisende an der Theke die Hocker besetzen und wie Statisten einer schlechten Bahn-Werbung in einem sonst eher leeren Zug die Biergläser zum Mund führen, arbeitet Sebastian Bertram ruhig vor sich hin. Er nimmt Anrufe entgegen, tippt in seinen Laptop und blättert in Unterlagen. Ein gewöhnlicher Arbeitstag könnte man meinen.
Gewöhnlich scheint die Situation auch für das Ehepaar Faßbinder zu sein. Ute (82) und Erich (84) Faßbinder sind echte Experten, wenn es um chaotische Bahnfahrten geht. Sturm "Xavier" Anfang Oktober vergangenen Jahres, ein Kabelbrand bei einer anderen Fahrt. Da bleibt nur Schulterzucken. "Als würden wir der Bahn Pech bringen", schmunzelt Ute Faßbinder. Wie viele kommen sie heute bei Bekannten in Berlin unter. (Ferdinand Moeck)
Polizei bestätigt Todesopfer in Brandenburg
Der im Süden Brandenburgs verunglückte Lkw-Fahrer wird von der Polizei jetzt als „mittelbar witterungsbedingtes“ Todesopfer geführt. Das bestätigte ein Sprecher des Polizeipräsidiums in Potsdam am Abend.
Den Angaben zufolge hatte der Mann während der Fahrt mit seinem Handy telefoniert, als eine Sturmböe den Lastwagen erfasste. Der Fahrer konnte nicht mehr gegensteuern: Die Böe war so stark, dass der Laster gegen eine Leitplanke gegen eine Leitplanke gedrückt wurde und umstürzte. Der Fahrer wurde dabei eingeklemmt und starb noch am Unfallort.
Zunächst hatte die Polizei Berichte über ein weiteres Todesopfer durch das Sturmtief zurückgewiesen und erklärt, die genaue Unfallursache müsse zunächst geklärt werden.
Bahnverkehr im Norden nach Sturm teils wieder aufgenommen
Nach dem Sturmtief „Friederike“ läuft der Bahnverkehr im Norden langsam wieder an. Einzelne Züge seien zwischen Bremen und Norddeich Mole gestartet, teilte die Deutsche Bahn über den Kurznachrichtendienst Twitter am frühen Donnerstagabend an. Auch einige S-Bahnen, etwa von Hannover nach Hildesheim und von Celle nach Hannover, fuhren am Abend wieder. Seit dem Nachmittag starten bundesweit allerdings keine Fernzüge der Deutschen Bahn mehr.Drittes Todesopfer in NRW
Die Zahl der Todesopfer des Orkantiefs „Friederike“ ist weiter gestiegen, allein in Nordrhein-Westfalen kamen drei Menschen ums Leben. „Eines der Todesopfer war ein Feuerwehrmann“, berichtete NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) am Donnerstagabend. Das Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr sei bei einem Sturmeinsatz im sauerländischen Sundern ums Leben gekommen. Auch in Thüringen war ein Feuerwehrmann im Orkan gestorben.Zuvor waren in NRW bereits ein Lkw-Fahrer in Lippstadt und ein Mann auf einem Campingplatz in Emmerich im Sturm getötet worden. „Dieser Einsatz ist noch lange nicht beendet. Die Folgen des Unwetters werden die Einsatzkräfte in den nächsten Stunden und Tagen weiter beschäftigen“, sagte Reul. Es drohe weiterhin Gefahr, etwa durch entwurzelte Bäume, herabstürzende Dachziegel oder Äste.
Pro Bahn: Einstellung des Fernverkehrs "etwas übertrieben"
Der Fahrgastverband Pro Bahn hat den sturmbedingten bundesweiten Stopp des Fernverkehrs der Deutschen Bahn kritisiert. „Vorsicht ist natürlich immer eine gute Sache, aber man kann auch übervorsichtig sein“, sagte der Pro-Bahn-Ehrenvorsitzende Karl-Peter Naumann am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. „Gleich gar nichts zu tun, das erscheint uns doch etwas übertrieben.“
Dort, wo der Wind schwächer sei und keine Bäume an den Gleisen stünden, müsse der Betrieb nicht eingestellt werden. Die Nutzung sogenannter Aufenthaltszüge in den Bahnhöfen seien zwar besser, als unterwegs zu stranden. „Aber wenn ich weiß, dass die Strecke noch frei ist, sollte ich versuchen, die Leute noch nach Hause zu bringen. Das kann man mit reduzierter Geschwindigkeit machen.“ Der Bahn-Stillstand in ganz Deutschland sei „undifferenziert“, sagte Naumann weiter. „Man muss dort den Verkehr einstellen, wo es nicht geht und wo Gefahr droht. Und wenn die Gefahr nicht überall droht, dann muss man auch den Verkehr nicht überall einstellen.“
Die Deutsche Bahn reagierte mit Unverständnis auf die Kritik. „Sicherheit geht
vor“, sagte eine Bahn-Sprecherin am Abend.
Bei der S-Bahn läuft's...
Lage am Berliner Hauptbahnhof entspannt
Die Lage am Berliner Hauptbahnhof ist aktuell entspannt. Bahn und Mitarbeiter scheinen gut auf diesen stürmischen Tag vorbereitet zu sein - anders als noch beim Sturmtief Herwart Ende Oktober vergangenen Jahres. Viele Helferinnen und Helfer stehen für Informationen bereit, verteilen heiße Getränke oder Formulare zur Rückerstattung der Tickets an die Reisenden.Mindestens bis Mitternacht ist der Fernverkehr deutschlandweit eingestellt. Auch bei Regionalzügen kommt es zu Ausfällen. Viele versuchen kurzfristig auf Autovermietungen umzusteigen, die jedoch bereits alle ausgebucht sind.
Während einige der Reisenden bis mindestens morgen unfreiwillig in der Hauptstadt gestrandet sind, haben andere noch eine Möglichkeit gefunden, um zum Ziel zu gelangen. Lina Khaznadar war auf dem Weg von Bergen auf Rügen nach Düsseldorf. Die 29-jährige Zahnärztin hatte sich vorsichtshalber schon gestern bei der Bahn nach möglichen Einschränkungen im Verkehr erkundigt. „Auch heute Morgen um sechs Uhr habe ich dann noch einmal angerufen aber genaue Informationen konnten sie mir zu diesem Zeitpunkt nicht geben. Ich solle erstmal losfahren, hieß es. Dass es heute gar nicht mehr mit dem Zug weitergehen wird, bekam ich dann erst in Berlin mit“, erzählt sie.
Nun sitzt sie in einem leeren ICE, den die Bahn auf einem der Gleise als Aufenthaltsort bereitstellt. Die ganze Nacht werden die Türen offen stehen. Ein Ticket muss nicht vorgezeigt werden. Lina Khaznadar wird dann aber nicht mehr hier sitzen und sich aufwärmen. Sie hat kurzfristig noch eine Mitfahrgelegenheit gefunden, die sie nach Düsseldorf bringen wird. (Ferdinand Moeck)
Autofahrerin in Mecklenburg-Vorpommern gestorben
Zugverkehr eingestellt: Was Bahnkunden jetzt wissen müssen
Neben dem, was die Bahn als Kulanz selbst anbietet, können sich Bahnkunden auch auf ihre gesetzlichen Rechte berufen. Denn anders als im Flugverkehr entbindet höhere Gewalt, und darunter fallen auch Unwetter, die Bahn nicht von ihrer Haftung. Erreicht man sein Ziel mindestens 60 Minuten später, kann man 25 Prozent des Fahrkartenpreises für eine einfache Fahrt zurück verlangen, ab einer zweistündigen Verspätung sogar 50 Prozent.
Reisende können aber auch auf die Fahrt verzichten und den gesamten Ticketpreis zurückfordern oder die Reise abbrechen, kostenlos zum Startpunkt zurückfahren und die Erstattung des Preises für die nicht genutzte Strecke verlangen, teilte die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen mit.
Bereits im vergangenen Jahr hatte die Bahn wegen des Orkans „Xavier“ mit Zugausfällen zu kämpfen, viele Kunden hatten daraufhin Entschädigungen gefordert, sagte Heinz Klewe, Geschäftsführer der Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr, dem Tagesspiegel. „Nicht zuletzt wegen der Wetterkapriolen ist die Zahl der Beschwerden gegen die Bahn bei uns im vergangenen Jahr gestiegen“. In den drei Jahren zuvor waren die Beschwerdezahlen dagegen gesunken.
Anders als die Bahn müssen die Airlines ihren Kunden die Ticketpreise nicht erstatten, wenn sie wegen Unwetters nicht oder nur verspätet fliegen können. Allerdings haben die Passagiere einen Anspruch darauf, versorgt zu werden – mit Essen und notfalls einer Hotelübernachtung. Bei Kurzstrecken bis zu 1500 Kilometern gilt das bei Verspätungen ab zwei Stunden, bei einer Strecke zwischen 1500 und 3500 Kilometern ab drei und bei Fernstrecken ab vier Stunden.
Weiteres Todesopfer im Süden Brandenburgs
Es gibt Meldungen über ein weiteres Todesopfer durch das Sturmtief "Friederike“, offiziell bestätigt ist es nicht. Wie ein Sprecher des Brandenburger Polizeipräsidiums in Potsdam dem Tagesspiegel sagte, ist gegen 17 Uhr auf der A13 kurz vor der Landesgrenzen zu Sachsen in Höhe Ortrand ein Lkw-Fahrer ums Leben gekommen. Der Lastwagen sei umgekippt, der Mann verstorben. „Es kann eine Sturmböe gewesen sein“, sagte er. Das müsse jedoch von den Einsatzkräften am Unfallort erst noch überprüft werden.
Autobahn-Sperrungen in Thüringen
Auch die SPD ist betroffen...

Feuerwehrmann in Thüringen getötet
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