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Panorama: London holt auf

Das „New York“-Magazin hat die britische Millionenmetropole zur Trendstadt erklärt

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Die britische Popband The Human League brachte es in den Achtzigerjahren so auf den Punkt: „New York, ice cream, TV, travel, good times“, daraus sind die Träume der modernen Menschen gemacht. Seither ist eigentlich niemand ernsthaft auf die Idee gekommen, New Yorks Führungsanspruch in Sachen „good times“ in Fragen zu stellen. Jetzt tun es die New Yorker selbst. Und die Briten erfahren, dass das schöne Leben gleich um die Ecke zu haben ist. Die Zeitschrift „New York“, eine Art Stadtmagazin für die oberen Zehntausend und nicht zu verwechseln mit dem „New Yorker“, eröffnete jetzt eine Debatte zwischen beiden Metropolen. Tenor: New York gibt zwar noch den Ton an, London holt aber auf.

Als im wahrsten Sinne des Wortes größtes Beispiel für die Dynamik der britischen Hauptstadt nennt das Magazin das ureigene New Yorker Symbol: den Wolkenkratzer. Bis zum Jahr 2015 sollen in London 20 neue Mega-Hochhäuser entstehen. Die Kulturszene in London ist interessanter, weil trashiger, mutiger und weniger etabliert als in New York. Die jungen Starbanker gehen nach Großbritannien, der Finanzplatz London macht sich. Beim Wettbewerb um die Olympischen Spiele 2012 gewann London. Was sich allerdings noch rächen könnte. Denn das weltgrößte Sportfest ist für die Ausrichterstadt längst nicht immer auch ein finanzieller Erfolg. Die Spiele in London werden immer teurer – und die geschlagenen Mitbewerber schauen mit ein bisschen Häme aus sicherer Distanz zu.

New York hat ohnehin genug mit sich selbst zu tun. Bei den Anschlägen vom 11. September 2001 ging der Stadt ihre einst unerschütterliche Siegesgewissheit verloren, der Glaube an die eigene Unverwundbarkeit. Das betrifft die ganze Nation, aber New York ganz speziell. Und es zeigt sich überall. In die Börse an der Wall Street dürfen Besucher immer noch nicht wieder rein, in der U-Bahn müssen Fahrgäste ihre Taschen kontrollieren lassen und wer auf der Brooklyn Bridge zu viele Fotos schießt, sollte sich auf einen Besuch des FBI gefasst machen. Die Trümmer des Ground Zero wurden zwar schnell ausgeräumt, aber nun sterben die fleißigen Helfer an Lungenleiden und Krebs. Zudem vergingen Ewigkeiten, ohne dass an dem symbolträchtigen Ort etwas Neues entstand. Der jüngste Entwurf des Freedom Towers sieht aus, als errichte die Stadt eine Festung, keinen luftigen, übermütigen Wolkenkratzer.

Vielleicht ist New York aber auch ein bisschen träge vom jahrelangen Erfolg. Seit Bürgermeister Rudolph Giuliani in den Neunzigern die Kriminalität verjagte, folgte ein Boom dem anderen. Nachfolger Michael Bloomberg kann sich aufs Lenken und Verwalten konzentrieren, das Gestalten ist weitgehend getan. Nicht von ungefähr hat der Mann andere Ambitionen. Es häufen sich die Meldungen, wonach Bloomberg als unabhängiger Kandidat in das Rennen um die US- Präsidentschaft eintreten will. Das Ende seiner zweiten und letzten Amtszeit in Sicht, lohnt es sich kaum, neuen Streit vom Zaun zu brechen, wie er es noch mit dem (inzwischen auch in London geplanten) Rauchverbot tat. Andererseits wäre ein kleiner Aufreger vielleicht genau das Richtige, um den Moloch wieder zu wecken. Es ist ohnehin höchste Zeit, den wirklichen Konkurrenten um den Titel Welthauptstadt im 21. Jahrhundert zu erkennen. Das ist nämlich weder London, noch Paris, Berlin oder Tokio, sondern – wie das „New York“-Magazin treffend bemerkt – Peking, die Hauptstadt des Wirtschaftswunderlands China.

Einstweilen aber gefällt sich London in der Pose des Siegers. Die britische Metropole holt auf? Von wegen: „London gewinnt. Komm schon New York, versuch doch mitzuhalten“ So überschrieb die Lokalzeitung „Evening Standard“ eine Doppelseite, mit der sie auf den Artikel im „New York“-Magazin reagierte. Der Schriftsteller und Publizist Toby Young, der in beiden Städten gelebt hat, preist die Vorzüge der britischen Hauptstadt: Die vielen Sternerestaurants, die inspirierende Einwandererszene, die unzähligen wunderschönen Parks. Und dazu noch Taxifahrer, die sich auskennen, auch wenn eine Fahrt in den traditionellen Black Cabs wie alles in London sehr teuer ist. Nur eins, findet Toby Young, könnte London noch besser hinkriegen: Es liegt ihm zu viel Hundekot auf den Straßen. New Yorker Hunde seien da deutlich besser erzogen.

Im Vergleich zum Unwesen, das Hasso, Fifi und Rex allerdings ungestraft in Berlin treiben, sind auch Londons Hunde noch echte Menschenfreunde.

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