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12.07.2014, Bayern, Kaufbeuren: ILLUSTRATION - Ein Mann bedient einen Laptop.

© dpa/Karl-Josef Hildenbrand

Nach Festnahme von mutmaßlichem Pädokriminellen: So können Eltern ihre Kinder vor gefährlichen Online-Gruppen schützen

Drohungen, Manipulationen: So bringen Täterinnen und Täter Kinder und Jugendliche in ihre Kontrolle, drängen sie zu gefährlichen Handlungen und Selbstverletzungen. Was das BKA Eltern rät.

Stand:

Es ist die schlimmste Vorstellung eines jeden Elternteils: Ein mutmaßlich Pädokrimineller wurde wegen Mordverdachts an einem Kind in Hamburg festgenommen – und soll der Kopf einer Gruppe im Internet sein, die zahlreiche Kinder virtuell sexuell missbraucht haben soll. Unter dem Akronym „White Tiger“ soll der 20-Jährige unter anderem einen 13-jährigen US-Amerikaner in den Suizid getrieben haben.

Jetzt warnt das Bundeskriminalamt (BKA) vor Online-Communities, zu denen auch jene gehört, deren Kopf „White Tiger“ war, die Minderjährige zu Selbstverletzung und Straftaten verleiten. Das Phänomen nennt sich „Cybergrooming“. Dem 20-jährigen Hamburger werden 120 Straftaten vorgeworfen.

„Immer häufiger geraten Kinder und Jugendliche ins Visier von Online-Gruppen, die gezielt Vertrauen erschleichen, um junge Menschen in einen gefährlichen Kreislauf aus Drohungen, Erpressung und Selbstverletzungen zu verwickeln“, so die Behörde in einer aktuellen Mitteilung. „Das geht hin bis zum Suizid oder strafbaren Handlungen, wie zum Beispiel Körperverletzungen oder der Misshandlung von Tieren. Meist sollen diese Handlungen aufgezeichnet oder live gestreamt werden.“

Unter dem Begriff „Com“ (kurz für Community) gebe es verschiedene gewaltverherrlichende Online-Gruppen, die über soziale Netzwerke, Messenger-Dienste oder Online-Spiele Kontakt zu Kindern und Jugendlichen aufnehmen. Sie zielen dabei auf 8- bis 17-Jährige ab, insbesondere auf solche, bei denen sie von möglichen psychischen Problemen wissen und/oder die gesellschaftlichen Minderheiten angehören, heißt es weiter.

Die Täter – häufig selbst noch jung – gewinnen das Vertrauen der Opfer, um sie schrittweise zu manipulieren, zu entwürdigen und schließlich zu kontrollieren.

Erzwungene Handlungen

Nach Aufbau eines Vertrauensverhältnisses werden die Minderjährigen zu gefährlichen Handlungen vor der Kamera genötigt, etwa

  • sich selbst zu verletzen oder Suizid zu begehen,
  • sich die Namen der Gruppen oder Täter in die Haut zu ritzen,
  • erniedrigende oder sexuelle Handlungen vorzunehmen – mitunter im Livestream,
  • Straftaten wie Tierquälerei, Sachbeschädigung oder Körperverletzung zu begehen,
  • belastende Inhalte zu produzieren, die anschließend zur Erpressung genutzt werden.

Kinder und Jugendliche sollten daher bei neuen „Online-Freundschaften“ vorsichtig sein und sich an eine Vertrauensperson wenden, wenn sie Teil einer solchen Gruppe sind.

Bundeskriminalamt (BKA)

Die Täter agieren perfide und manipulativ – meist nicht aus finanziellen Gründen, sondern um Macht auszuüben und innerhalb der Community Anerkennung zu erlangen. Das Vorgehen ähnele klassisches Cybergrooming, gehe jedoch oft weit über sexuelle Ausbeutung hinaus.

„Kinder und Jugendliche sollten daher bei neuen "Online-Freundschaften" vorsichtig sein und sich an eine Vertrauensperson wenden, wenn sie Teil einer solchen Gruppe sind“, rät das BKA.

Was tun bei Verdacht?

Um Kinder und Jugendliche zu schützen, ist es wichtig, Warnzeichen im Alltag frühzeitig zu erkennen:

  • Plötzlicher sozialer Rückzug, Launenhaftigkeit oder Nervosität
  • Veränderte Ess- und Schlafgewohnheiten
  • Übermäßige Online-Zeiten, insbesondere nachts
  • Unerklärliche (kostspielige) Geschenke oder neue, unbekannte Online-Kontakte
  • Frische Verletzungen oder eingeritzte Symbole
  • Auffällige Beschäftigung mit extremen Inhalten oder Gewaltfantasien
  • Tiere im Haushalt verhalten sich plötzlich anders oder kommen zu Schaden

Auch einzelne dieser Anzeichen können bereits relevant sein. Dann sollten Eltern und Vertrauenspersonen das Gespräch suchen - viele Opfer vertrauen sich aus Scham nicht von sich aus jemandem an.

Wichtig: „Niemand, der in solche Strukturen gerät, trägt Schuld daran. Entscheidend ist, Hilfe zu suchen – und sie anzubieten, wenn man Warnzeichen erkennt“, erklärt das BKA.

Es rät Eltern:

  • Zeigen Sie Interesse an den Online-Aktivitäten Ihres Kindes.
  • Fördern Sie eine offene, wertfreie Kommunikation – auch zu belastenden Themen.
  • Ziehen Sie bei konkreten Auffälligkeiten ärztliche oder psychologische Unterstützung hinzu.
  • Wenden Sie sich bei Verdacht an die örtliche Polizei – jede Meldung kann helfen.
  • Beenden Sie den Kontakt zur verdächtigen Person oder Gruppe.
  • Machen Sie Screenshots von Chats, Profilen, Inhalten.
  • Blockieren und melden Sie den betreffenden Account.
  • Wenden Sie sich an eine Vertrauensperson – Familie, Schule, Beratungsstellen.
  • Erstatten Sie Anzeige bei der Polizei.
  • Gehen Sie auf keine weiteren Forderungen ein.

Beratungsangebote wie die „Nummer gegen Kummer“ können Kinder, Jugendliche und Bezugspersonen kostenlos und anonym in Anspruch nehmen.

Für Eltern hat das BKA den Flyer „Falsche Freunde. Echte Gefahr.“aktualisiert herausgegeben. (Tsp, dpa)

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