zum Hauptinhalt
Das schon lange geschlossene Kaufhaus "Tati" in Paris.

© imago

Neues Leben im alten Kaufhaus: Pariser Stadtumbau - Mehr Sozialwohnungen in der City

Geschäfte, Universitätsgebäude und Büros erhalten im Zentrum der französischen Hauptstadt eine neue Funktion. Die Bürgermeisterin hat noch mehr vor.

Das Billigkaufhaus Tati war in Frankreich Kult. Es gab kaum jemand, der es nicht kannte. Seit 1948 warb es mit dem Slogan „Les plus bas prix“ (Die billigsten Preise).

Doch seit einigen Jahren lief es nicht mehr gut und die Coronakrise hat die Schließung beschleunigt. In dem berühmten Stammhaus am Montmartre mit 6500 Quadratmetern sollen nun teilweise Sozialwohnungen entstehen, unten aber Geschäfte bleiben. Tati ist in Paris kein Einzelfall, auch andere Geschäftshäuser und vor allem Bürohäuser werden in Sozialwohnungen verwandelt. Zunächst hat die Stadt sechs verschiedene Standorte mit 60.000 Quadratmetern im Blick.

Die Bevölkerung soll mehr durchmischt werden

Die sozialistische Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo setzt auf eine soziale Durchmischung der Bevölkerung. Ihr Ziel ist es von derzeit 23,6 Prozent Sozialwohnungen bis zum Jahr 2025 auf 25 Prozent zu gelangen.

Im Jahr 2000 waren es nur 13 Prozent. Viele können sich die Preise in Paris nicht mehr leisten, wo der Kaufpreis einen Durchschnittswert von 10.000 Euro pro Quadratmeter erreicht hat, der Mietpreis liegt bei 35 Euro.

Vor allem in den besseren Vierteln versucht Hidalgo die Zahl der Sozialwohnungen aufzustocken. So soll ein Renault-Autohaus im 15. Arrondissement im Süden der Stadt umgebaut werden. Das Gebäude hat auf neun Stockwerken 10.000 Quadratmeter.

Die Wohnungen werden sogar Blick auf die Seine und den Eiffelturm haben. Ein Autohaus in der Nähe der Place de la République, das Autohersteller PSA gehört und 6500 Quadratmeter hat, gehört ebenfalls zu den Standorten.

Außerdem sollen ein Zentrum für Elektroversorgung und ein Gebäude der Universität Sorbonne Nouvelle renoviert werden. Die Stadt Paris erwartet, dass die Nachfrage nach Büros durch die Coronakrise um 15 bis 25 Prozent abnimmt, was mehr Platz für Sozialwohnungen schaffen würde.

Büros lassen sich leichter zu Wohnungen machen als umgekehrt

Oft gestaltet sich die Renovierung allerdings schwierig. Henry Buzy-Cazaux, Präsident der Hochschule für das Immobiliengeschäft, l’Institut du management des services immobiliers, lobte den Umbau der Büros, weil dadurch die Stadt nicht weiter verbaut wird, betonte aber: „Zuerst müssen die Büros identifiziert werden, die überflüssig sind und dann entschieden werden, welche zu einem realistischen Preis umbaubar sind.“

Auch Architekten geben zu bedenken, dass es leichter ist, Büros in alten Pariser Häusern zu Wohnungen umzugestalten, weil viele ohnehin früher Wohnungen waren. Bürohäuser umzubauen sei schwieriger. Deshalb raten die Experten dazu, bei zukünftigen Bauten beide Varianten in den Bauplänen vorzusehen.

350.000 Quadratmeter Geschäftsräume wurden schon umgebaut

Hidalgo, die im vergangenen Jahr für eine weitere Amtszeit von sechs Jahren gewählt wurde, will den sozialen Wohnungsbau in ihrer Stadt noch zügiger vorantreiben. Während ihrer ersten Amtszeit von 2014 bis 2020 wurden 350 000 Quadratmeter Büros und Geschäftsräume umgebaut, das will sie übertreffen. Sie hat damit schon so viele Wohnungen geschaffen wie ihr Vorgänger Bertrand Delanoë in seinen zwei Amtszeiten.

Überall in Paris ist die Umgestaltung im Gange. Im alten Sitz der Krankenhäuser von Paris (AP-HP) mit einer Größe von 25000 Quadratmetern im Stadtzentrum zwischen Chatelet und dem Rathaus entstehen auf der Hälfte Büros und im anderen Teil Sozialwohnungen.

Zahlreiche Bauten im Besitz der Stadt Paris wurden verkauft, um mehr Sozialwohnungen zu finanzieren. Die Stadt besitzt 8,5 Millionen Quadratmeter Immobilien, zum Teil auch außerhalb von Paris. Geschäfts- und Büroviertel werden dadurch belebt. Die konservative Bürgermeisterin des 8. Pariser Arrondissements um die Touristenmeile Champs- Elysées, Jeanne d’Hauteserre, ist erfreut über die neuen Wohnungen in dem Viertel, das immer mehr ausstirbt.

Bauvorhaben für Luxuswohnungen werden abgelehnt

Das sei gut für die Geschäfte: „Die Mieten sind so hoch, dass die Pariser woanders wohnen, doch die Einwohner lassen ein Viertel leben.“

Die Stadt Paris geht mittlerweile sogar soweit, dass sie Bauvorhaben für Luxuswohnungen ablehnt. Kürzlich wurde das Bauprojekt „El Septimmo“ mit Luxuswohnungen im vornehmen 7. Arrondissement an der Seine gekippt. Dort beliefen sich die Quadratmeterpreise auf bis zu 44 000 Euro. Nun sollen auf dem Grundstück, auf dem nur eine alte Garage steht, zehn Sozialwohnungen errichtet werden.

Ian Brossart, stellvertretender Bürgermeister von Paris und zuständig für den Wohnungsbau, jubelt: „Es ist sinnvoll, kleine Sozial-Projekte zu schaffen, dann konzentriert sich nicht alles an einem Ort.“

Man müsse noch weiter gehen, um bezahlbare Wohnungen zu schaffen. Die konservative Bürgermeisterin des Viertels, die ehemalige Justizministerin Rachida Dati, ist dagegen empört, sie fürchtet „Ghettos“ in den Luxusvierteln.

Der Mittelstand ist zu kurz gekommen

Die Bürgermeister der reichen Paris Bezirke wollen ihre konservativen Stammwähler nicht verärgern. Die zügige Aufstockung im sozialen Wohnungsbau wird aus Umweltgründen nicht immer begrüßt. Im 16. Arrondissement wurde gerade ein Projekt von 9000 Quadratmetern vor Gericht annulliert.

In diesem Fall hatten die Grünen sich mit Anwohnern des Viertels dagegen ausgesprochen. Das Projekt sah nicht genügend Grünflächen vor und widersprach dem „ökologischen Gleichgewicht“, twitterten die Grünen in dem Stadtteil, der nur auf sechs Prozent Sozialwohnungen kommt – im Vergleich zu ein Prozent im Jahr 2000. Der Haken bei dem Ausbau : Der Mittelstand ist bisher zu kurz gekommen. Paris können sich die Reichen oder die Armen leisten. Immer mehr Mittelstandsfamilien mit Kindern ziehen ins Umland. Paris will deshalb auch günstigere Wohnungen für den Mittelstand schaffen, die Preise sollen zwischen denen von Sozialwohnungen und Privatwohnungen liegen, etwa 20 Prozent günstiger sein als diese. Damit die soziale Mischung weiterhin stimmt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false