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Schauspieler William H. Macy mit seiner Frau Felicity Huffman, Star der Serie "Desperate Housewives". Huffman ist im Collegezulassungsskandal wegen Bestechung angeklagt.

© Valerie Macon/AFP

US-Eliteunis: Reiche Eltern sollen Studienplätze für Kinder erkauft haben

Ein Bestechungsskandal erschüttert US-Eliteunis in ihren Grundfesten. Eltern sollen ihren Kindern den Zugang erkauft haben – darunter auch Hollywood-Stars.

Es geht um Elite-Unis, Bestechung und Betrügereien im großen Stil sowie Dutzende wohlhabende Angeklagte, darunter Hollywood-Stars, Silicon-Valley-Unternehmer, Universitätsmitarbeiter und renommierte Sporttrainer. Die akademische Welt der Vereinigten Staaten von Amerika wird gerade von einem Betrugsskandal erschüttert, wie es ihn in der Geschichte des Landes noch nicht gegeben hat – und der das Potenzial hat, ein ganzes System in Frage zu stellen. Denn der Skandal scheint das Vorurteil zu belegen, dass sich mit dem entsprechenden Geld und Einfluss in den USA alles kaufen lässt, sogar die universitäre Spitzenausbildung.

Am Dienstagmorgen (Ortszeit) schwärmten rund 300 Beamte der Bundespolizei FBI aus, um Verdächtige teils noch in ihrem Zuhause zu verhaften – kurz darauf wurden bereits Anklagen gegen insgesamt 50 Personen erhoben. Deckname der landesweiten Aktion: „Operation Varsity Blues“, benannt nach einem 20 Jahre alten College-Sport-Film. Der Vorwurf: Um ihre Kinder in Yale, Stanford oder Georgetown zu platzieren, sollen Eltern Colleges und Universitäten in den USA bestochen haben. Darunter ist mit Felicity Huffman zum Beispiel eine der Hauptdarstellerinnen aus der Serie „Desperate Housewives“.

Über eine Scheinstiftung spendeten sie für benachteiligte Kinder – ihre eigenen

Die zentrale Rolle in dem Skandal spielt der 58-jährige Unternehmer William Rick Singer aus Kalifornien, ein ehemaliger Sporttrainer. Mit seiner Scheinstiftung „Key Worldwide Foundation“, die nach ihrer Selbstbeschreibung benachteiligten Kindern helfen sollte, hat er wohlhabenden Eltern laut Anklage angeboten, ihren Kindern über eine „Seitentür“ doch noch Zugang an die gewünschte Schule zu verschaffen, obwohl ihre Leistungen nicht ausreichten. Dafür verlangte er als Spenden getarnte Gelder, teilweise in Millionenhöhe, mit denen er dann unter anderem Sporttrainer und andere Mitarbeiter an den Hochschulen schmierte. Singer hat sich bereits schuldig bekannt, durch seine Kooperation konnte das FBI die entscheidenden Beweise sammeln.

Die gut 200-seitige Anklageschrift beschreibt die Masche Singers detailliert. Bei den für die Aufnahme notwendigen Zulassungstests wiesen die betroffenen Bewerber allesamt eine Bestätigung vor, dass sie unter einer „Lernschwäche“ litten. Dadurch wurde ihnen mehr Zeit zugestanden, die Prüfung abzulegen. In einem speziellen Test-Zentrum füllten dann teilweise Erwachsene die Unterlagen aus. In anderen Fällen wurden sportliche Erfolge erfunden, um dem Nachwuchs darüber die Zulassung zu sichern. So sandten Eltern mit Singers Hilfe Fotos ihrer Kinder ein, auf denen deren Gesichter auf Körper von Athleten montiert worden waren. Oder sie stellten Situationen nach, in denen die Kinder der entsprechenden Sportart nachgingen.

Von 2011 bis 2018 sollen so rund 25 Millionen Dollar Bestechungsgelder geflossen sein. Manche Eltern zahlten sechsstellige Summen, in einem Fall sogar 6,5 Millionen Dollar. Die Schauspielerin Lori Loughlin, bekannt aus der Serie „Full House“, und ihr Mann, der Modedesigner Mossimo Giannulli, „spendeten“ der „Stiftung“ von Singer laut Anklage eine halbe Million Dollar, um ihre beiden Töchter an die University of Southern California zu schicken. Obwohl keines der Mädchen ruderte, empfahl der Ruder-Coach der Uni sie als förderungswürdig, da er sie für sein Team brauche.

Die Empörung ist nun groß, auch weil das System für weniger wohlhabende Familien ohnehin eine Herausforderung ist. Die Studiengebühren an den renommierten US-Universitäten sind extrem hoch, in der Regel zwischen 50.000 und 80.000 Dollar im Jahr. Wer über solche Summen nicht verfügt, muss sich für Stipendien bewerben – etwa über die sportlichen Leistungen – oder Kredite aufnehmen.

„Für jeden Studenten, der durch Betrug akzeptiert wurde, wurde ein ehrlicher und wirklich talentierter Student abgelehnt“, sagte Andrew Lelling, der zuständige Staatsanwalt in Boston, am Dienstag. Da der Besuch eines Elite-College nicht nur eine gute Ausbildung, sondern auch für den weiteren Lebenslauf wichtige Kontakte verspricht – die Netzwerke halten häufig ein Leben lang –, ist das doppelt bitter für Kinder, die nicht schon von Geburt an über solche Beziehungen verfügen.

Spenden an Universitäten mit Hintergedanken gibt es schon lange

Nicht jeder in den USA reagiert nun aber völlig überrascht. Dass reiche Eltern die Bewerbung ihrer Kinder an der Wunsch-Universität mit großzügigen Spenden unterstützen können, ist bekannt. Und daher erinnern viele Kommentatoren jetzt an den Fall von Jared Kushner, dem Schwiegersohn und Berater von US-Präsident Donald Trump, dessen schulische Leistungen nicht besonders aufregend gewesen sein sollen. Nachdem sein Vater, der Bauunternehmer Charles Kushner, der Elite-Uni Harvard im Jahr 1998 aber 2,5 Millionen Dollar spendete, verlief die Aufnahme seines Sohnes ein Jahr später reibungslos.

Verboten sind solche Spenden nicht. Sie sind sogar weitgehend akzeptiert, da sie, wie es heißt, die Aufnahme ja nicht garantierten – anders als Singer es mit seiner „Stiftung“ versprach. Aber angesichts des derzeitigen Skandals, der sich noch dramatisch ausweiten könnte, sind sie zumindest fragwürdig. Amerika fängt gerade erst an, über sein akademisches System zu diskutieren.

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