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Panorama: Schweigen hinter Glas

Marc Hoffmann hat zwei Kinder missbraucht und getötet, Levke und Felix. Jetzt steht er vor Gericht

Der Angeklagte schweigt. Marc Hoffmann nickt nur, als der Richter ihn nach den Daten zu seiner Person befragt: Geboren am 1. August 1973, festgenommen am 8. Dezember 2004 … Der Angeklagte nickt und senkt den Kopf.

Prozessauftakt im Verfahren gegen den Kindermörder Marc Hoffmann vor dem Landgericht Stade. Eine drei Meter hohe Glaswand schützt den schweren Mann mit dem bräsigen Gesicht und den zurückgekämmten schwarzen Haaren vor möglichen Angriffen aus dem Publikum. Jeder Prozessbesucher muss sich zudem einer eingehenden Durchsuchung unterziehen. Keine konkreten Drohungen sind es, die diese Sicherheitsvorkehrungen begründen, sondern die Sorge vor Racheakten wegen der grausamen Taten: Hoffmann hat zwei Kinder getötet, Levke und Felix, und er steht im Verdacht, weitere sechs Morde begangen zu haben.

Doch zu all dem will er sich an diesem Tag nicht äußern. Obwohl er die beiden Taten gestanden hat, um die es hier geht. Der bullig wirkende Mann, der in Sweatshirt mit Werbeaufdruck („Explorer Jeans“) vor Gericht erscheint, lässt einen seiner beiden Verteidiger für sich sprechen. Und der teilt dem Gericht schlicht mit, dass sein Mandant alle Anklagevorwürfe „umfänglich einräumt“.

Danach hat der Vater von zwei Kindern aus Bremerhaven am 6. Mai 2004 in Cuxhaven die acht Jahre alte Levke in sein Auto gelockt, entführt, sexuell missbraucht und erdrosselt. „Ich lege dir jetzt eine Kette um“, sagte er zu Levke, bevor er ihr von hinten einen Kabelbinder um den Hals legte und die beiden Enden mit einem Ruck anzog. Nach der Tat verscharrte er den Leichnam des Kindes zunächst in einem Wald im Kreis Cuxhaven unter Laub und Tannennadeln, bevor er mit dem toten Mädchen am folgenden Tag ins 400 Kilometer entfernte Sauerland fuhr, um den Leichnam bei Attendorf im Unterholz abzulegen – ganz in der Nähe seines Heimatortes. Am 23. August fand schließlich ein Pilzsammler die Kinderleiche. Und während die Polizei im Nordwesten Niedersachsens mit großem Einsatz nach Levkes Mörder fahndete, tötete Marc Hoffmann ein weiteres Kind. Diesmal war es ein Junge, der dem Gelegenheitsarbeiter zum Opfer fiel: der achtjährige Felix. Wieder fuhr Hoffmann mit seinem Auto – angeblich nach einem Streit mit seiner Frau – ziellos durch die Gegend, als er den Jungen zwischen Neu Ebersdorf und Hipstedt im Kreis Rothenburg/Wümme auf dem Rad entdeckte. Und wie Levke lockte er auch Felix mit einer Lüge in sein Auto.

„Bei euch zu Hause ist etwas Schlimmes passiert, steig schnell ein“, drängte er. Als Felix im Auto saß, gab es für ihn kein Entrinnen mehr. Auch ihn erdosselte Hoffmann. Und wie im Falle Levke kehrte der 31-Jährige auch nach dieser Tat nach Hause zurück, um mit seiner zehnjährigen Tochter zu Abend zu essen und die Fassade seines bisherigen Lebens als Beschäftigter einer Entsorgungssfirma in Bremerhaven aufrechtzuerhalten.

Marc Hoffmann selbst stehe „mit einigem Entsetzen“ vor seinen Taten, teilt dessen Verteidiger Jost Ferlings dem Gericht in einer knappen Stellungnahme mit. „Er glaubt, dass er an einer schweren seelischen Störung leidet, und er ist nicht nur bereit, sondern bittet sogar darum, in jeder Art und Weise psychologisch und psychiatrisch behandelt zu werden, damit so etwas nicht mehr passiert.“ Währenddessen sinkt der massige Kopf des Angeklagten immer tiefer. Es hat den Anschein, als wollte er sich vor Scham hinter der Holzverkleidung verkriechen. Vielleicht sind es aber auch die Blicke von Levkes Eltern, denen er zu entfliehen versucht.

Ulrike und Thomas Straßheim sitzen ihm als Nebenkläger, nur sechs Meter entfernt, direkt gegenüber. Sie wirken gefasst. Nur wenn besonders grausame Details der Tat zur Sprache kommen, presst Levkes Mutter die Lippen zusammen, um nicht in Tränen auszubrechen oder auf andere Weise die Selbstbeherrschung zu verlieren. Sie hat sich fest vorgenommen, im Gerichtssaal Rede und Antwort zu stehen. Zunächst aber berichten an diesem ersten Verhandlungstag die Polizeibeamten über die Vernehmung des Angeklagten. „Was ist ihm bei der Tat durch den Kopf gegangen?“, fragt der Vorsitzende Richter Berend Appelkamp. „Dass er die Kinder nach dem sexuellen Missbrauch nicht mehr laufen lassen konnte“, antwortet einer der Polizisten. Akribisch habe Hoffmann sich bemüht, alle Spuren zu verwischen. So habe er die Handschuhe, die er bei dem Mord an Levke getragen habe, in eine Plastiktüte gesteckt und in einem See versenkt, die Leiche Levkes dreimal „umgebettet“, um sie tief im Unterholz zu verbergen.

Diese rationale Vorgehensweise hat offenbar auch den Psychiatrieprofessor Norbert Leygraf dazu veranlasst, Hoffmann in seinem vorläufigen Gutachten als „voll schuldfähig“ einzustufen. Das ganze Bemühen der Verteidiger scheint nun darauf gerichtet zu sein, diese Wertung zu erschüttern – mit dem Ziel, dass Hoffmann nicht zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt, sondern dem Maßregelvollzug zugewiesen und therapiert wird.

Heinrich Thies[Stade]

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