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Panorama: „Sie ist sehr krank“

Die einstige Spitzensportlerin und designierte Ministerin Heidi Schüller wurde zwangseingewiesen

Hunderte Millionen von Fernsehzuschauern in aller Welt saßen am 26. August 1972 vor dem Bildschirm, als eine dunkelhaarige, junge Frau im Münchner Olympiastadion vor das Mikrofon trat. Die damals 22jährige Weitspringerin und Hürdenläuferin Heidi Schüller sprach als erste Frau überhaupt die Eidesformel zur Eröffnung der Olympischen Spiele.

Mit einem Schlag war die hübsche Leichtathletin aus Köln weltberühmt. Auch nach ihrer sportlichen Karriere blieb Heidi Schüller erfolgreich. Sie arbeitete als Fachärztin für Anästhesie und Intensivmedizin, war bereits mit 30 Jahren Oberärztin, trat als TV-Moderatorin auf und schrieb mehrere viel beachtete, aber auch heftig umstrittene Bücher über Mängel im Gesundheits- und Sozialwesen.

Der SPD-Kanzlerkandidat Rudolf Scharping wollte sie 1994 im Falle eines Wahlsieges sogar zur Bundesgesundheitsministerin machen. Ein Leben im Höhenflug – doch vor wenigen Tagen kam anscheinend der Absturz.

Denn am 16. Februar wurde Heidi Schüller in München festgenommen und anschließend in die geschlossene psychiatrische Abteilung des Bezirkskrankenhauses München-Haar eingeliefert, wo sie einstweilen bleiben muss. Wie erst an diesem Wochenende bekannt wurde, soll die 52jährige in der Lobby des Luxushotels „Mandarin Oriental" nahe dem Hofbräuhaus laute Selbstgespräche geführt und andere Gäste beschimpft haben.

Als die Hotelangestellten sie aufforderten, das Haus zu verlassen, habe sie sich geweigert. Daraufhin, so eine Polizeisprecherin, sei eine Streife aus einer benachbarten Polizeiwache gerufen worden. Heidi Schüller habe aber nicht mitkommen wollen und sich „heftig zur Wehr gesetzt. Einer der Beamten hatte blaue Flecken am Oberschenkel, den anderen hat sie in den Arm gebissen".

Auf der Wache habe die einstige Spitzensportlerin dann laut Polizei ihren Kopf gegen die Gitterstäbe geschlagen. Ein Arzt ordnete daraufhin die Zwangseinweisung in die Psychiatrie an, die von einem Gericht bestätigt wurde – mit der Begründung, Schüller stelle eine Gefahr für die Allgemeinheit dar. Im Krankenhaus sprach sie jetzt mit einem Reporter der „Bild“-Zeitung und bestritt alle Vorwürfe: „Ich habe niemandem etwas getan. Die Polizisten haben mich brutal aus dem Hotel gezerrt, dabei wurden mein Schultergelenk ausgekugelt und meine Hose zerrissen."

Zugebissen habe sie „weil sich einer der Polizisten mit seinem Hintern auf mein Gesicht gesetzt hat", sagte sie. Gegen ihre Einweisung will sie jetzt mit Hilfe eines Anwalts vorgehen.

Momentan wird allerdings geprüft, ob die einstige Vorzeige-Sportlerin per Gerichtsbeschluss einen Vormund bekommen soll. Die Sprecherin des Bezirkskrankenhauses, Bettina Spiegel, bezeichnet Schüller als „offensichtlich sehr krank. Sie bedarf dringend der ärztlichen Behandlung". Eine genauere Diagnose ist nicht bekannt, von Schüllers Familie gab es keine Stellungnahme. Somit bleibt unklar, wie es zu dem Vorfall im Münchner Hotel kommen konnte. In den vergangenen Jahren war es um die Mutter zweier Kinder ruhiger geworden.

Ihr bisher letztes Buch „Wir Zukunftsdiebe – wie wir die Chancen unserer Kinder verspielen" erschien 1997, sie soll momentan an einem neuen Werk gearbeitet haben.

Ihr Buch „Die Alterslüge. Für einen neuen Generationenvertrag“ führte 1995 zu „hellem Entsetzen“ in der Presse. Sie hatte geschrieben, es müsse „Schluss sein mit der verantwortungs- und gedankenlos feigen Politik der Anspruchsbefriedigung breiter Wählergruppierungen auf dem Rücken der nächsten Generation“ und verlangte, dass das aktive und passive Wahlrecht für ältere Menschen limitiert wird. Heidi Schüller ist Mitglied im Kuratorium der Deutschen Aids-Stiftung.

Jörg Schallenberg[München]

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