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Christina Block am Freitag mit ihrem Rechtsanwalt Ingo Bott vor dem Landgericht Hamburg.

© dpa/Georg Wendt

„Seid leise, sonst töte ich euch“: Neue Enthüllungen vor Prozessbeginn gegen Christina Block

Ab diesem Freitag steht die Steakhaus-Erbin in Hamburg vor Gericht, vorgeworfen wird ihr die Entführung ihrer eigenen Kinder. Zum Auftakt werden neue dramatische Details bekannt.

Stand:

Der Fall sorgte bundesweit für Schlagzeilen: An Silvester sollen zwei Kinder der Unternehmerin Christina Block in Dänemark entführt und nach Deutschland gebracht worden sein – angeklagt ist die Mutter. Kurz vor Beginn des Prozesses vor dem Hamburger Landgericht an diesem Freitag wurden neue Details veröffentlicht, die zeigen, dass der Sorgerechts-Krimi offenbar noch brutaler war als bislang bekannt.

Neben der Unternehmerin Christina Block (52) stehen ab Freitag sechs weitere Angeklagte vor Gericht. Einer davon ist Blocks Lebensgefährte, der Fernsehmoderator Gerhard Delling (66). Die wichtigsten Fragen und neue Aspekte im Überblick.

Christina Block mit ihrem damaligen Ehemann Stephan Hensel und zwei ihrer vier Kinder auf einem älteren Archivfoto.

© imago images/Eventpress


Worum geht es in dem Fall?

Der Fall lief aus Sicht der Staatsanwaltschaft so ab: In der Silvesternacht 2023/24 lauerten mehrere Männer dem Vater Stephan Hensel und den Kindern in Süddänemark auf. Die Täter sollen Hensel zusammengeschlagen und die Kinder in ein Auto gezerrt haben. Der Junge und das Mädchen wurden erst nach Baden-Württemberg gebracht und reisten später mit ihrer Mutter nach Hamburg.

Die Tochter des Gründers der Restaurantkette Block House, Eugen Block, kämpft seit Jahren um ihre 2010 geborene Tochter und den 2013 geborenen Sohn. Beide Kinder leben seit 2021 bei ihrem Vater Stephan Hensel (51) in Dänemark. Nach Ansicht der Hamburger Staatsanwaltschaft behielt er sie nach einem Wochenendbesuch gemäß seinem Umgangsrecht widerrechtlich bei sich. Die geschiedenen Eheleute haben zwei weitere ältere Kinder, von denen eine Tochter beim Vater und eine bei der Mutter lebt.

Christina Block mit ihrem Rechtsanwalt Ingo Bott (rechts) am Freitagmorgen vor dem Landgericht Hamburg.

© dpa/Georg Wendt


Wie lief die Entführung ab?

Im Laufe der mutmaßlichen Entführung wurde den Kindern nach Angaben der Anklage mit Klebeband der Mund verschlossen, die Tochter an den Händen gefesselt. Eine aktuelle Recherche der Wochenzeitung „Die Zeit“ vermittelt nun zahlreiche weitere Details. Nachdem die Entführer Stephan Hensel zusammengeschlagen hatten, warfen sie die Kinder demnach in den Fußraum eines Mietautos und jagten zur deutsch-dänischen Grenze.

„In der Neujahrsnacht trieben die Entführer die zwei Kinder den Ermittlern der Hamburger Staatsanwaltschaft zufolge durch den Wald und über einen Bach“, schreibt „Zeit“-Reporterin Anne Kunze. Nachdem sie ihnen Hände und Gesichter mit Tape verklebt hatten, warf ein Entführer Theo Block (10) über die Schulter und ein anderer seine Schwester Klara (13) in den Matsch.

Alarmiert durch einen Notfallknopf, den Theo um den Hals trug, näherte sich zu der Zeit die dänische Polizei mit Suchhunden. Einer der hinter Bäumen versteckten Entführer drohte den Kindern laut „Zeit“ auf Englisch: „Seid leise, sonst töte ich euch.“ So hätten es die Kinder später Polizisten des Hamburger Landeskriminalamts zu Protokoll gegeben.


Wie war die Entführung vorbereitet worden?

Den Ermittlungen zufolge wurde die Familie, zu der insgesamt fünf Kinder gehören, in Dänemark „in den Jahren vor der Entführung umfassend und heimlich von Privatdetektiven observiert, die vermutlich von Christina Block angeheuert worden waren“, wie die „Zeit“ recherchiert hat. Hintergrund war, dass Klara und Theodor im Sommer 2021 nach einem Besuchswochenende beim Vater nicht zu ihrer Mutter nach Hamburg zurückgekehrt waren.

Nach der Entführung suchte die Polizei in Hamburg unter anderem mit Plakaten nach einem Wohnmobil, das dabei eine Rolle gespielt haben soll. Es wurde bis heute nicht gefunden. 

© dpa/Steven Hutchings

Daraufhin wurden Stephan Hensel und seine neue Partnerin mit geheimdienstlichen Methoden observiert, wie sie der „Zeit“-Reporterin berichten. Unter anderem hätten sie im März 2023 zwei GoPro-Kameras in einer Hecke neben ihrem Haus entdeckt, die so postiert waren, „dass sie direkt in den Flur filmten: Die Familienmitglieder wurden auf dem Weg zum Bad erfasst und in der Küche.“ Diese Seite des Hauses sei von außen nicht einsehbar: „Die Familie wurde in intimsten Situationen gefilmt.“

Im Notizbuch eines der Entführung Verdächtigten haben die Hamburger Ermittler laut „Zeit“ eine Skizze des Hauses und der postierten Kameras entdeckt. Auch ein Gespräch mit Christina Block sei dort protokolliert – im Notizbuch werde sie „Lady B“ genannt. 


Welche anderen Methoden wurden gegen den Ex-Mann und seinen Anwalt eingesetzt?

Neben dem juristischen Kampf und der letztlich gescheiterten Entführung versuchte Christina Block im Sorgerechtsstreit laut „Zeit“ auch, ihren Ex-Mann als Pädophilen darzustellen. Das war bereits in einem Artikel im April 2025 ausführlich geschildert worden.

Nun gibt es auch hierzu neue Erkenntnisse, wie dem aktuellen „Zeit“-Bericht zu entnehmen ist. In dem Notizbuch, das bei einem der Entführung Verdächtigten gefunden wurde, ist dem Bericht zufolge auch eine Skizze zu finden, die aussieht wie das benachbarte Garagendach, auf dem die neue Partnerin von Christina Blocks Ex-Mann im September 2023 einen Tauchsack entdeckte. Darin steckte laut „Zeit“ eine Festplatte, auf der die dänische Polizei rund 600 Dateien sicherstellte, in denen Kinder vergewaltigt werden.

„Den Erkenntnissen der Hamburger Ermittler zufolge handelte es sich um gefälschtes kinderpornografisches Material, das nicht nur dem Kindsvater Hensel untergeschoben werden sollte, sondern auch dessen Rechtsanwalt, Gerd Uecker, der ihn im Sorgerechtsstreit vertritt“, schreibt die „Zeit“. Dessen Kanzlei hätten Anfang Juli 2023 entsprechende anonyme Hinweise erreicht.

Besonders brisant ist in diesem Zusammenhang eine Notiz in Christina Blocks Handy vom 11. Juli 2023, die die „Zeit“ ebenfalls zitiert: „Ich höre etwas von Bombe. Bei U.“ Gemeint sei vermutlich der Anwalt Gerd Uecker. „Ich weiß, was das heißt. Es könnte böse ausgehen. Aber dann ist es so, ich empfinde kein Mitleid.“ Und weiter: „Es stand im Raum, ob er sich selbst umbringen wird. Oder ob ihn jemand anderes, ein Betroffener, umbringen wird. Naja, das hoffe ich natürlich nicht.“


Warum sind die Kinder wieder bei ihrem Vater?

Am 5. Januar 2024 entschied das Hanseatische Oberlandesgericht (OLG) aufgrund eines Eilantrags des Vaters, dass ihm die Kinder zurückgegeben werden müssen. Das geschah am selben Tag. Er erhielt mit der einstweiligen Anordnung das alleinige Aufenthaltsbestimmungs- und Erziehungsrecht.


Was wird Christina Block vorgeworfen?

Die Mutter soll zusammen mit einem 63-jährigen Deutschen den Auftrag erteilt haben, ihre beiden Kinder gewaltsam der Obhut des ebenfalls sorgeberechtigten Vaters zu entziehen. Die Anklage gegen Block und den 63-Jährigen lautet auf gemeinschaftliche schwere Entziehung von Minderjährigen in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Freiheitsberaubung. Der Mutter wird zudem schwere Misshandlung von Schutzbefohlenen vorgeworfen. Ihre Verteidiger bestreiten die Vorwürfe.

Gerhard Delling am Freitag auf dem Weg in das Landgericht Hamburg.

© dpa/Georg Wendt


Was soll Gerhard Delling getan haben?

Der Sportjournalist und Fernsehmoderator soll die Anreise von Christina Block nach Baden-Württemberg organisiert und ihre Rückkehr mit den Kindern nach Hamburg koordiniert haben. Delling wird zudem verdächtigt, gegenüber Kriminalbeamten falsche Angaben gemacht zu haben. Er ist wegen Beihilfe angeklagt. Dellings Verteidiger David Rieks wies die Vorwürfe zurück.


Wer sind die übrigen Beschuldigten?

Ein 35-jähriger Israeli soll zusammen mit fünf weiteren Männern direkt an der Entführung beteiligt gewesen sein, seit November sitzt er in U-Haft. Nach Recherchen der „Zeit“ soll eine israelische „Sicherheitsfirma“ in Blocks Auftrag die Verschleppung durchgeführt haben, deren Mitarbeiter wurden nach eigenen Angaben zum Teil beim israelischen Militär und Geheimdienst ausgebildet. Christina Block bestreitet die Vorwürfe.

Ein 58-jähriger Deutscher sorgte der Staatsanwaltschaft zufolge als Leiter eines Hamburger Sicherheitsunternehmens für eine Bewachung des Anwesens von Block, um eine Flucht der Kinder zu verhindern. Er ist angeklagt wegen Beihilfe zur gemeinschaftlichen schweren Entziehung Minderjähriger in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Freiheitsberaubung. Demselben Vorwurf müssen sich eine Frau (49) und ein Mann (55) aus Blocks Umfeld stellen.


Was ist die Vorgeschichte?

Der Sorgerechtsstreit zwischen Block und ihrem Ex-Mann beschäftigte zuletzt auch das Bundesverfassungsgericht. Die Richter wiesen eine Beschwerde von Block ab. In der Begründung hieß es, alle vier Kinder hätten nach der Trennung des Paares 2014 und der Scheidung 2018 zunächst bei der Mutter gelebt. Für Besuche bei dem Vater gab es seit 2015 eine Umgangsregelung. Im Juli 2021 zog die älteste Tochter im Einvernehmen mit der Mutter zu ihrem Vater. 

Seit August 2021 leben die beiden jüngsten Kinder beim Vater. Nach einem Wochenendbesuch hatte er mitgeteilt, dass er sie wegen „kindeswohlgefährdenden“ Verhaltens der Mutter nicht zurückbringen werde. Über die genauen Vorwürfe ist offiziell nichts bekannt. Im Herbst 2021 sprach das OLG der Mutter vorläufig das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht zu und verpflichtete den Vater zur Herausgabe der Kinder an die Mutter. 


Warum entschieden dänische Gerichte anders?

Als einziges EU-Land erkennt Dänemark Entscheidungen von Gerichten anderer Mitgliedsländer in Sorgerechtsstreitigkeiten nicht automatisch an. Ende 2021 erklärte ein dänisches Amtsgericht die Vollstreckung der deutschen Entscheidung für unzulässig. Block stellte 2022 in Dänemark einen Antrag auf Rückführung ihrer Kinder, und zwar nach dem dänischen Kindesentführungsgesetz. Daraufhin habe im Februar 2023 ein Gericht festgestellt, dass die Kinder zwar widerrechtlich nach Dänemark gebracht worden seien, sie aber nicht zurückgeführt werden könnten.


Sehen deutsche Familiengerichte den Fall anders?

Grundsätzlich nicht. Das Hamburger Familiengericht erklärte sich im Oktober 2023 für nicht zuständig. Diese Entscheidung wurde Ende November vom Oberlandesgericht unterstützt. Dasselbe Gericht wies im Februar 2024 eine Beschwerde von Block zurück und stellte darin wie das dänische Gericht fest, dass aufgrund der konstanten Äußerungen der Kinder, beim Vater leben zu wollen, ein Wechsel nicht erzwungen werden könne. Anfang Mai dieses Jahres sprach ein dänisches Gericht dem Vater das alleinige Sorgerecht zu.


Warum behielt der Vater die Kinder 2021 bei sich?

Hensels Anwalt Philip von der Meden argumentiert, der Vater habe seine Kinder vor Gewalt schützen wollen. Blocks Anwalt Otmar Kury erklärte zu den Vorwürfen gegen seine Mandantin: „In den familiengerichtlichen Verfahren ist das Gegenstand, und die Mutter hat auch immer gesagt, dass sie die Kinder natürlich nicht geschlagen hat.“ Psychologen hätten immer wieder festgestellt, dass die Kinder durch den Vater schwer beeinflusst worden seien. (dpa/lvt)

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