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Panorama: "Silberflügel": Schatten, sieh der Sonne ins Gesicht

Vampire - der erste Gedanke ist da bei den meisten Menschen Dracula. Denkt man nicht an den blutdürstigen Untoten aus Transsylvanien, dann versteht man unter Vampiren einfach nur Fledermäuse - insektenfressende "Blutlecker", die man am ehesten in einem Turm oder einer alten Scheune findet.

Vampire - der erste Gedanke ist da bei den meisten Menschen Dracula. Denkt man nicht an den blutdürstigen Untoten aus Transsylvanien, dann versteht man unter Vampiren einfach nur Fledermäuse - insektenfressende "Blutlecker", die man am ehesten in einem Turm oder einer alten Scheune findet. Solche Feldermäuse hat Kenneth Oppel zu den Helden seines neuen Jugendromans "Silberflügel" gemacht: Schatten ist das schwächste Junge, das in der Fledermaus-Kolonie lebt. Er kam zu früh zur Welt und hat die anderen Jungtiere körperlich nicht eingeholt. Dafür ist er unglaublich neugierig und nicht bereit, sich an die ungeschriebenen Regeln der Silberflügel zu halten. Um dem starken Anführer der Jungtiere Chinook zu beweisen, dass er keine Angst hat, bricht er ein uraltes Gesetz der Silberflügel: Während die anderen in der Morgendämmerung ihre Schlafquartiere beziehen, wagt Schatten den Blick in die Sonne, obwohl dieses Privileg seit Fledermausgedenken den Eulen zusteht. Rachsüchtig erscheinen die Erzfeinde der Silberflügel und zwingen diese, früher als geplant in Richtung Süden aufzubrechen.

Während eines Sturmes wird Schatten aufs Meer hinaus getrieben und von den anderen getrennt. Allein macht er sich auf die Suche nach seiner Familie und dem Winterquartier und trifft dabei auf die junge Fledermaus Marina, die von ihrer Kolonie verstoßen wurde. Von da an sind die beiden gemeinsam unterwegs und erleben und erfahren dabei so manches, wovon Fledermäuse sonst keine Ahnung haben.

Kenneth Oppels Roman ist eine Abenteuergeschichte aus dem Reich der Tiere, wie sie regelmäßig für jugendliche Leser auf den Markt kommen und dann auch wieder sang- und klanglos verschwinden. Ausnahmen wie Kenneth Grahames "Wind in den Weiden" und Richard Adams "Watership Down" bestätigen diese Regel im Grunde nur. Mit etwas Glück wird sich in Zukunft auch Oppels "Silberflügel" unter diesen immer wieder erwähnten Werken finden - die literarische Qualität hat das Buch allemal.

Und spannend geschrieben ist es ebenfalls: Beginnt man mit der Lektüre, legt man "Silberflügel" vor dem Ende nicht mehr aus der Hand. Oppel, der mit 14 Jahren sein erstes Kinderbuch veröffentlichte, erschafft konsequent eine Schwarz-Weiß-Welt, da Fledermäuse keine Farben sehen können. Und er entwirft für die Tiere eine ganz eigene Mythologie und Magie.

Da gibt es Überlieferungen und aus diesen resultierende Gesetze, die fraglos von einer Generation zur nächsten übernommen werden. Bis einer auftaucht, der nur das akzeptiert, was er begreifen und verstehen kann: Schatten ist der neugierige und wissenshungrige Forscher, der alles in Frage stellt und dabei immer wieder neue Entdeckungen macht, die schließlich seinem ganzen Volk zugute kommen.

"Silberflügel" ist ein fesselnder Abenteuerroman - und eine Geschichte über den Missbrauch von Macht sowie die Möglichkeit, diesen Missbrauch durch Wissen aufzudecken.

Simone Leinkauf

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