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Norwegen: Terror im Friedensland

In Norwegen gab es bislang wenig politische Gewalt – weder von Islamistengruppen noch von Rechtsextremen. Zu den Motiven der beiden Anschläge herrscht Verwirrung.

Ganz Norwegen ist wie gelähmt vom Bombenanschlag auf das Regierungsviertel der knapp 600 000 Einwohner zählenden Hauptstadt Oslo. Zu Motiven und Tätern herrschte bis in den späten Abend große Verwirrung. Sicherheitsexperten wollten zunächst keine Einschätzungen abgeben – etwa ob es Islamisten waren oder Rechtsextreme. Oistein Mjarum, Sprecher des norwegischen Roten Kreuzes, sagte der BBC:

„Wir hatten bisher keine Terroranschläge dieser Art in Norwegen, aber wir haben uns davor gefürchtet, wenn man sieht, was überall auf der Welt passiert.“ Das Nato-Mitgliedsland Norwegen wurde in der Vergangenheit zwar von vermeintlichen Al-Qaida-Vertretern wegen seiner Mitwirkung in Afghanistan bedroht. Auch eine Enthüllungsgeschichte in der Landespresse, in der norwegische Soldaten in Afghanistan davon schwärmten, dass es schöner sei, mit dem Gewehr einen Taliban zu töten, „als Sex zu haben“, wurde heftig kritisiert, hatte aber letztlich nicht die befürchteten Konsequenzen in der islamischen Welt. Die Armeeführung entschuldigte sich umgehend und verurteilte das Gerede einzelner Rekruten auf das Schärfste.

Erst im vergangenen Sommer wurden jedoch drei Terrorverdächtige mit islamistischem Hintergrund festgenommen. Angeblich hatte die Polizei sie zu diesem Zeitpunkt bereits ein Jahr lang beobachtet – unter anderem beim Versuch, eine Wasserstoffbombe zu bauen. Über ein mögliches Anschlagsziel wurde seinerzeit nichts bekannt. „Das zeigt, dass auch Norwegen nicht frei von Bedrohungen ist“, sagte Ministerpräsident Jens Stoltenberg damals. In Afghanistan sei sein Land mit 500 Soldaten, aber vor allem auch mit einem sehr umfangreichen humanitären Programm aktiv, „damit das Land nicht wieder eine Freizone für den Terrorismus werden kann“, sagte Stoltenberg. Zudem nimmt Norwegen auch am Nato-Bombardement in Libyen teil.

Der Sender Al Dschasira berichtete zudem, dass die Ermittlungsbehörden vor kurzem eine Untersuchung gegen den im norwegischen Exil lebenden Gründer der kurdischen Organisation „Anwar al Islam“, Mullah Krekar, begonnen haben. Er soll einer Parlamentsabgeordneten mit dem Tod gedroht haben. Krekar muss bei einer Auslieferung an den Irak mit der Todesstrafe rechnen. Sein Anwalt beteuerte allerdings, Krekar habe mit dem Bombenanschlag nichts zu tun. Norwegen, dessen Parlamentsvertreter jährlich den Friedensnobelpreis vergeben, gilt international vor allem als Land des Friedens. Politische Gewalt ist in dem durch seine gewaltigen Öl- und Gasvorkommen reichsten Land Europas bislang eine völlig unbekannte Größe. Im sozialdemokratischen Land, wo sich alle duzen, hat es seit Jahrzehnten keine gewaltsamen politischen Aktivitäten gegeben.

Norwegen ist traditionell stark bei humanitären Einsätzen engagiert, die Entwicklungshilfe ist, gemessen an der geringen Einwohnerzahl von fünf Millionen, die umfangreichste weltweit.

Beim Karikaturenstreit, der Teile der islamischen Welt gegen das Nachbarland Dänemark aufbrachte, hielt sich Oslo zurück, auch wenn norwegische Zeitungen wie überall in Europa die Karikaturen des Propheten Mohammed nachdruckten. So zog das Land nie den direkten Groll internationaler islamistischer Organisationen auf sich. Dementsprechend waren die norwegischen Medien am Freitag nach dem Anschlag auffällig zurückhaltend, Spekulationen über islamistische Täter anzustellen. Der Anschlag könne von radikalisierten moslemischen Einwanderern in Norwegen ausgeübt worden sein, die teils auch persönlichen Groll gegen ihre Gastnation haben könnten, lautete eine der wenigen Spekulationen in diese Richtung. Schließlich sei Norwegen internationalen Terrornetzwerken nicht wichtig genug, um solche Anschläge durchzuführen.

Ähnlich verhielt es sich zumindest beim missglückten islamistischen Anschlag in der schwedischen Hauptstadt Stockholm im vorigen Dezember. Ein junger Mann mit moslemischem Hintergrund, der in Schweden aufgewachsen war, wurde bei einem Auslandsaufenthalt in Großbritannien radikalisiert.

Doch gibt es auch in Norwegen Rassismus und Islamophobie. Die rechtspopulistische Fortschrittspartei ist zu einem stimmenstarken Machtfaktor geworden, wenn auch weniger deutlich als etwa die Rechtspopulisten in Dänemark oder den Niederlanden. Auch rechtsextreme Organisationen fielen – ganz im Gegensatz zum Nachbarland Schweden – in Norwegen selten durch militante Aktionen auf. In Norwegen wartete man dementsprechend am Freitag ab, bevor unnötig beschuldigt wurde.

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