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Panorama: Tödliche Gefahr auf Mittelmeerfähren

MÜNCHEN .Bei einer stichprobenartigen Sicherheitsüberprüfung auf europäischen Fährschiffen haben Tester des ADAC teilweise lebensgefährliche Mängel festgestellt.

MÜNCHEN .Bei einer stichprobenartigen Sicherheitsüberprüfung auf europäischen Fährschiffen haben Tester des ADAC teilweise lebensgefährliche Mängel festgestellt.Rettungsringe ohne Nachtlicht, fest am Schiff fixierte Rettungsinseln oder unverzurrte Schwerlastzüge - das Mängelregister ist lang.Vor allem auf dem östlichen Mittelmeer: Dort gibt es, wie Projektleiter Sauter sagte, "Seelenverkäufer mit tödlichem Risiko".Er fügte hinzu: "Ich würde mit meinen Kindern so eine Fähre nicht betreten." So wurden offene Luken, Türen und Bullaugen entdeckt; Sicherheitshinweise fehlten, und die Rettungsboote reichten nicht für alle Passagiere."Der Duty-Free-Shop ist oft besser ausgeschildert als die Notausgänge", sagte Gutachter Hoffmann.Nach dem Motto "Es wird schon nichts passieren" würden häufig Lastwagen oder gar Eisenbahnwaggons während der Überfahrt nicht gesichert.Bei hohem Seegang könne dies ein Schiff zum Kentern bringen.Bedenklich sei auch, daß manchmal Kabinen unterhalb der Wasserlinie untergebracht seien.Bei einem Untergang gebe es hier kein Entkommen.Hoffmann forderte die Reisenden auf, beim Buchen der Kabinen nicht zu sparen: Die "Todesfallen" unter der Wasserlinie seien oft wesentlich billiger.

Mehr als vier Wochen waren drei Inspektionsteams des ADAC zwischen Ende März und Anfang Mai auf Nord- und Ostsee, im Mittelmeer und im Bereich der Kanarischen Inseln unterwegs, um 30 Fähren auf ihre Sicherheit zu prüfen.Acht erhielten die Note "mangelhaft" oder gar "sehr mangelhaft".Der Automobilclub ließ sich den Test fast eine halbe Million Mark kosten.Als harmlose Touristen getarnt, kauften die Testteams kurz vor Abfahrt der Schiffe die Tickets.Schon während des Beladens prüften die nautischen Sachverständigen: Werden die Autos gelascht, gibt es Video-Überwachugsanlagen für Bug- und Heckklappe, sind die Feuerlöscher ordnungsgemäß gewartet? Vorgefundene Mängel wurden von einem Reporter und vom Sachverständigen dokumentiert, ein Fotograf hielt sie im Bild fest.Nach Abschluß der heimlichen Prüfaktion gab sich das Testteam zu erkennen und befragte offiziell den Kapitän über die Mängel: "Dabei stellte sich leider immer wieder heraus, daß die Passagiere selbst es sind, die zum oft schlechten Sicherheitsstandard eines Schiffes beitragen", so Robert Sauter.Denn es kommt nach Angaben der Kapitäne häufig vor, daß Passagiere Batterien von Rettungslichtern entwenden oder die Pfeifen der Schwimmwesten abmontieren.

Fast alle Kapitäne waren den Testteams gegenüber kooperativ und auskunftsbereit.Auf einer griechischen Fähre wurden die nicht erwünschten Besucher allerdings unter Sonderbewachung gestellt, der Fotograf mußte den Film herausgeben.Zumeist positive Testnoten bekamen die Fähren in Nord- und Ostsee.Dort sind die Konsequenzen aus dem Untergang der "Estonia", als im vor knapp vier Jahren 852 Menschen den Tod fanden, deutlich spürbar.So glänzt die Nachfolgerin der "Estonia", die unter estischer Flagge fahrende "Regina Baltica" mit der Note "Gut".In der Nordsee negativ aufgefallen sind zwei zwischen England und Frankreich pendelnde Kanalfähren: "Hier fehlt offenbar die Zeit für die Wartung".Während die geprüfte tunesische Fähre sowie das kroatische Schiff immerhin "befriedigend" waren, mußten auf einigen griechischen Fähren haarsträubende Sicherheitsmängel registriert werden: Das Team fand ungesicherte Gasflaschen und Ölfässer auf dem Autodeck, Rettungswege waren unmarkiert, die Autodecks waren auch auf hoher See zugänglich.Teilweise fehlten auch für hunderte von Passagieren Rettungsboote.

Auch kuriose Mängel wurden festgehalten: "Auf der "Naias II" ist für den Kapitän die Sicht auf der Brücke durch zahlreiche Pflanzen, Vogelkäfige und ein Aquarium stark eingeschränkt", so Gutachter Arnold Warmerdam.Einige weitere Ergebnisse des Sicherheitstests: Ältere Schiffe müssen keineswegs unsicher sein, ein junges Baujahr ist kein Garant für höchste Sicherheit.Und: Veränderungen können sich allein schon durch den Wechsel des Kapitäns ergeben.

Der ausführliche Test ist im Juniheft der ADAC-Clubzeitschrift "Motorwelt" zu lesen.

DIE BEANSTANDETEN FÄHREN

Nordsee

Mangelhaft: "Stena Antrim" (unter britischer Flagge) von Newhaven (GB) nach Dieppe (F). "SeaFrance Renoir" (Frankreich) von Dover (GB) nach Calais (F).

Östliches Mittelmeer

Mangelhaft: "Iskenderun" (Türkei) von Venedig (I) nach Izmir (TR). "Bari Express" (Griechenland) von Rafina (GR) nach Tinos (GR). "Pantokrator" (Griechenland) von Igoumenitsa (GR) nach Korfu (GR). Sehr mangelhaft: "Anemos" (Griechenland) von Piräus (GR) nach Mykonos (GR). "Naias II" (Griechenland) von Mykonos (GR) nach Piräus (GR).

Westliches Mittelmeer

Mangelhaft: "Gallura" (Italien) von Civita vecchia (I) nach Golfo Aranci (I/Sardinien).

ULF BÖHRINGER

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