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Ein Flugzeug hebt am Flughafen BER hinter einem Zaun mit Natodraht ab. (zu dpa: «US-Justiz stoppt Abschiebung von Migranten nach Südsudan») Foto: Sebastian Gollnow/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

© dpa/Sebastian Gollnow

„Unmenschlicher Vorgang“ : Abschiebeversuch aus Unterricht in Sachsen-Anhalt löst massive Kritik aus

Der Versuch, ein syrisches Mädchen aus dem Schulunterricht in Naumburg abzuschieben, stößt auf heftige Kritik. Gewerkschaft und Integrationsbeauftragte erwarten, dass Schulen Schutzräume bleiben.

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Ein Abschiebeversuch im sachsen-anhaltischen Naumburg sorgt für massive Kritik. Die Erziehungsgewerkschaft GEW in Sachsen-Anhalt sprach am Freitag in Magdeburg von einem unmenschlichen Vorgang, der einen eklatanten Verstoß gegen die Grundrechte von Kindern und gegen die Werte der Gesellschaft darstelle. Nach Medienberichten war ein zehnjähriges syrisches Mädchen während des laufenden Sportunterrichts in Naumburg (Burgenlandkreis) von Beamten zur geplanten Abschiebung abgeführt worden.

Nach Informationen der „Mitteldeutschen Zeitung“ führte ein Beamter die weinende Drittklässlerin aus der Sporthalle. Die Zehnjährige habe ihre Lehrerin um Hilfe angefleht. Die achtköpfige Familie sollte demnach in der vergangenen Woche nach Bulgarien abgeschoben werden, der Flug sei aber letztlich nicht zustande gekommen.

Die Vorsitzende der GEW Sachsen-Anhalt, Eva Gerth, äußerte Empörung und Entsetzen über den Vorgang. In Schulen lernende Kinder verdienten Schutz, Bildung und eine sichere Umgebung: „Die Vorstellung, dass sie ausgerechnet an dem Ort, der ihnen Stabilität und Hoffnung bietet, herausgerissen werden, ist schlichtweg inakzeptabel.“

Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei Sachsen-Anhalt Eycke Körner zeigte sich einer Schulschutzzone gegenüber offen. Gegenüber dem Tagesspiegel sagte er: „Wenn sich solche Fälle häufen, müsste man sich mit der Politik darauf verständigen, ob es solche sicheren Räume geben sollte.“ Grundsätzlich sei vor dem Hintergrund der restriktiveren Linie der Bundesregierung mit mehr Abschiebungen zu rechnen.

„Wenn ein Staat seine Macht demonstriert, indem er Kinder aus dem Unterricht holt, dann läuft etwas grundlegend falsch.“

Susan Sziborra-Seidlitz, Grünen-Landesvorsitzende Sachsen-Anhalts

Aus der Landespolitik habe es am Donnerstag weitere kritische Stimmen gegeben. Wie die Mitteldeutsche Zeitung (MZ) berichtete, habe die Grünen-Landesvorsitzende Susan Sziborra-Seidlitz erklärt: „Wenn ein Staat seine Macht demonstriert, indem er Kinder aus dem Unterricht holt, dann läuft etwas grundlegend falsch.“

Das Abführen aus Schulturnhallen sei „grausam und unmenschlich“. Das Vorgehen in Naumburg erscheine offensichtlich unverhältnismäßig. Sziborra-Seidlitz habe zudem Sachsen-Anhalts Innenministerin Tamara Zieschang (CDU) in die Verantwortung genommen. „Frau Zieschang trägt in Sachsen-Anhalt die Verantwortung dafür, dass solche Szenen nicht zur Normalität werden.“

Abschiebungen können traumatisierende Wirkung für Schüler haben

Auch Sachsen-Anhalts Integrationsbeauftragte Susi Möbbeck (SPD) äußerte sich in der „Mitteldeutschen Zeitung“ (Freitag) kritisch: „Schulen müssen Schutzräume sein, an denen Vertrauen und Bildung im Mittelpunkt stehen.“ Wenn staatliche Stellen vor den Augen von Schülerinnen, Schülern und Lehrkräften Abschiebungen vollzögen, hinterlasse das nicht nur tiefe Verunsicherung, sondern könne auch eine traumatisierende Wirkung entfalten. 

Die Linken-Abgeordnete Clara Bünger hatte am Freitag das Vorgehen der Behörden scharf kritisiert. Ihr seien „etliche Abschiebungen“ bekannt, bei denen die Polizei „brutal und ohne jede Empathie“ vorgegangen sei.

„Wir sprechen davon, dass Familien eiskalt auseinandergerissen werden oder davon, dass kranke Menschen regelrecht aus dem Krankenhaus entführt und von dort zum Abschiebeflug gekarrt wurden“, sagte die fluchtpolitische Sprecherin der Fraktion dem RND. „Das Prinzip scheint zu sein, dass man mit ausreisepflichtigen Menschen fast alles machen kann“, sagte Bünger. (epd, Tsp)

Korrekturhinweis: In einer früheren Version des Textes hieß es, dass die Familie nach Syrien abgeschoben werden sollte. Tatsächlich ist aber Bulgarien. Nach Syrien wird aktuell wegen der weiter unsicheren Lage im Land nicht abgeschoben. Wir haben den Fehler korrigiert und bitten darum, ihn zu entschuldigen.

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