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Drei Menschen kamen ums Leben und mehrere weitere wurden verletzt, als ein Regionalzug am 27. Juli 2025 in einem Waldgebiet in der Nähe von Riedlingen entgleiste.

© AFP/Karl-Josef Hildenbrand

Update

„War eingeklemmt zwischen herabgestürzten Sitzen“: Passagier berichtet über das Zugunglück bei Riedlingen – zwei Kinder unter den Verletzten

Ein Regionalexpress war am Sonntagabend in Baden-Württemberg nach einem Erdrutsch entgleist. Im Gespräch mit dem SWR schildert ein Überlebender, wie er das Zugunglück erlebt hat.

Stand:

Mehr als 30 Verletzte forderte das Zugunglück bei Riedlingen im Kreis Biberach am Sonntagabend. Einer von ihnen ist Joscha Loibl aus Ludwigsburg. Der junge Mann saß direkt hinter der Fahrerkabine, als der Regionalzug auf dem Weg von Sigmaringen nach Ulm entgleiste. Dem SWR berichtet er, wie er das Unglück erlebt hat.

„Es hat plötzlich einen Schlag getan“, erinnert er sich. Der Waggon wäre wie in einem Cartoon gehüpft, erst auf eine Seite, dann auf die andere gekracht. „Am Anfang habe ich gedacht, ich sterbe“, sagt Loibl. „Ich war eingeklemmt zwischen herabgestürzten Sitzen und Koffern. Neben mir zwei andere Menschen, über uns weitere. Diesel lief mir über das Gesicht, in meine Augen, meinen Mund.“

Große Hilfbereitschaft unter den Passagieren

Nach dem Aufprall herrschte sekundenlang Stille im Waggon, „wie eine Blase“. Dann begannen die Passagiere, einander zu befreien. Gemeinsam hoben sie Sitze an, um eingeklemmte Füße zu befreien. Kinder und eine schwangere Frau wurden zuerst gerettet.

Eine Mitreisende zerschnitt Loibls Pullover mit einem Schlüssel, damit er sich befreien konnte. Schließlich evakuierte die Feuerwehr mit Leitern alle Passagiere. Loibl erlitt bei dem Unfall nur Prellungen und konnte das Uniklinikum Ulm bereits am Montag verlassen.

Blick auf die Unfallstelle des Zugunglücks, bei dem ein Regionalzug entgleist ist.

© dpa/Jason Tschepljakow

Der Regionalexpress war am Sonntagabend im Südosten Baden-Württembergs entgleist. Die Waggons rutschten zum Teil ineinander. Der Erste schob sich eine Böschung hoch und prallte gegen einen Baum – die Front wurde abgerissen.

Bei dem Unglück kamen drei Menschen ums Leben: Neben dem 32 Jahre alten Lokführer starben ein 36-jähriger Bahn-Auszubildender und eine 70 Jahre alte Reisende. 

Unter den Verletzten sind zwei Kinder: Eines sei 7 Jahre alt, das andere 13 Jahre, teilten Polizei und Staatsanwaltschaft mit. Insgesamt wurden nach aktuellen Behördenangaben 36 Menschen verletzt. Bisher war von mehr als 40 die Rede gewesen. Drei Menschen seien zwar ins Krankenhaus gebracht, aber als unverletzt wieder entlassen worden, erklärte Christian Weinbuch von der Staatsanwaltschaft Ravensburg. Zudem habe es bei der Zuordnung zweier Personen eine Verwechslung gegeben.

Abwasserschacht übergelaufen

Auslöser des Unglücks war nach bisherigen Erkenntnissen ein Erdrutsch an einer Böschung. „Mutmaßlich lief durch den Starkregen, der sich im Bereich der Unfallörtlichkeit ereignete, ein Abwasserschacht über“, hieß es von Polizei und Staatsanwaltschaft.

Die Wassermassen hätten den Hangrutsch ausgelöst, was wiederum wohl die Entgleisung verursachte. Zum Zeitpunkt des Unglücks prasselten laut Deutschem Wetterdienst (DWD) Unmengen an Regen nieder. 

Trümmerteile liegen an der Unfallstelle bei Riedlingen im Kreis Biberach.

© dpa/Bernd Weißbrod

Wie viele Menschen in dem Zug der Linie RE 55 saßen, ist nach wie vor unklar. Am Sonntag hatte die Bundespolizei von rund 100 gesprochen. Die Zahl könnte aber auch niedriger sein.

Gutachten und Fahrtenschreiber sollen helfen

Weitere Informationen sollen nun die Ermittlungen liefern. Die Staatsanwaltschaft Ravensburg leitete zudem ein Todesermittlungsverfahren ein. Das sei bei nicht natürlichen Todesfällen üblich, sagte Christian Weinbuch. Es werde nicht wegen einer konkreten Straftat ermittelt, führte er aus. Vielmehr prüften die Ermittler, ob es Anhaltspunkte für eine Straftat geben könnte.

Ein geologischer Gutachter hat bereits Messungen am Hang durchgeführt. Außerdem wurde der Fahrtenschreiber des Zugs ausgebaut. Dieser zeichnet normalerweise verschiedene Daten, wie etwa die Geschwindigkeit des Zugs auf.

Es ist nicht das erste Ereignis dieser Art im Land: Im Juni 2024 entgleisten bei Schwäbisch Gmünd zwei Waggons eines ICE mit 185 Passagieren an Bord nach einem Erdrutsch. Nach damaligen Angaben wurde aber niemand verletzt.

Bergung von Zug dauert länger als geplant

Die Bergung der entgleisten Waggons solle an diesem Montag abgeschlossen werden, allerdings verzögert sich das. Wegen des schwer zugänglichen Geländes sei diese sehr komplex, teilte die Deutsche Bahn (DB) mit. Ursprünglich hatte der Konzern angekündigt, dass die Bergung voraussichtlich bis zum Vormittag dauere.

Stattdessen hieß es gegen Mittag nun, bis dato sei ein Wagen geborgen. Die Bergung von zwei weiteren Wagen laufe. „Für den letzten Wagen wird parallel ein besonderes Bergungskonzept erarbeitet, weil der Zugang für den Schienenkran erst hergestellt werden muss“, teilte die DB weiter mit. Wann die Bergung abgeschlossen sein wird, lasse sich nicht prognostizieren. Ein Tieflader bringe die geborgenen Fahrzeuge zu einem Firmengelände in der Region.

Nach Abschluss der Bergungsarbeiten sollen Experten die Schäden an der Strecke prüfen. „Über die Dauer der Sperrung ist eine verlässliche Aussage erst möglich, nachdem die Begutachtung der Schäden erfolgt ist“, hieß es in einer DB-Mitteilung.

Die Bahn hat zwischen Munderkingen und Herbertingen einen Ersatzverkehr mit Bussen eingerichtet. Reisende sollen sich vor Antritt der Reise informieren. (Tsp/dpa)

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