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Dächer, die aus dem Wasser ragen. In besonders trockenen Jahren tauchen Teile des alten Dorfes Aceredo auf, das vor drei Jahrzehnten überflutet wurde, als ein Wasserkraftwerk das Tal überschwemmte.

© AFP/Carmelo Alen

Versunkenes Dorf taucht wieder auf: Wie die Dürre den Talsperren in Spanien zusetzt

Talsperren und Wasserspeicher leeren sich. Der Dürre-Winter in Spanien hinterlässt deutliche Spuren – und erlaubt einen Blick auf den Klimawandel im Land.

Ein verrostetes Autowrack steht zwischen den Mauerresten einer ehemaligen Garage. Bierkästen mit leeren Flaschen liegen neben einer Hausruine, in der sich wohl einmal die Dorfkneipe des kleinen Ortes Aceredo befand. In der Umgebung ragen graue und mit Schlammkrusten überzogene Überbleibsel einer Siedlung auf. Ein Geisterdorf, das gut als Kulisse für einen apokalyptischen Film dienen könnte.

30 Jahre lang war das frühere Bauernnest Aceredo in den Fluten der Talsperre Alto Lindoso versunken. Nun, nach Monaten extremer Trockenheit, die den Wasserpegel stark fallen ließ, ist Aceredo aus der Tiefe wieder aufgetaucht. Das Dorf an der spanisch-portugiesischen Grenze ist zum Symbol für den aktuellen Wassernotstand in vielen Regionen Spaniens und Portugals geworden.

„Lasst es regnen“, bittet Spaniens Bauernverband Coag. Die Landwirte warnen, dass ihre Ernten vertrocknen, wenn sich nicht endlich die Himmelsschleusen öffnen. Doch Spaniens Wetterdienst Aemet macht wenig Hoffnung auf Hilfe von oben. „Die nächsten Wochen werden warm und trocken sein“, prognostiziert das Wetteramt. Blauer Himmel, Sonne, bis zu 25 Grad – was Spanienurlauber freut, ist für die Landwirte in der aktuellen Situation eine regelrechte Horrornachricht.

Schon das vergangene Jahr war in Spanien eines der wärmsten seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. „Im letzten Sommer hat es kaum geregnet und im Herbst und in diesem Winter überhaupt nicht“, klagt Ramón Alonso, der Bürgermeister des Ortes Entrimo, in der Zeitung „El País“.

Der Stausee gleicht einer Pfütze

Das Dorf Entrimo liegt gleich neben der ausgetrockneten Talsperre Alto Lindoso und ihrem Geisterort Aceredo. Der Stausee gleicht einer Pfütze. Nur noch der Boden des Beckens ist einigermaßen mit Wasser bedeckt.

Die Elektrizitätsgesellschaft Electricidade de Portugal (EDP) darf inzwischen kein Wasser mehr zur Stromerzeugung durch die Turbinen fließen lassen und dann in den Fluss Lima ableiten. Denn niemand weiß, wie lange der Ort Entrimo und die anderen umliegenden Dörfer mit dem verbleibenden Trinkwasser auskommen müssen. Die Talsperre ist nur noch zu 15 Prozent gefüllt. „Wie sollen wir damit durch den Sommer kommen?“, fragen nun die Bewohner der Region in den Medien.

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Die Anliegergemeinden werfen dem Talsperrenbetreiber EDP vor, das Staubecken trotz Regenmangels für die Stromproduktion leergepumpt zu haben. Erst als Portugals Regierung Anfang Februar das Wasserkraftwerk stilllegte, habe sich der Pegel auf niedrigem Niveau einigermaßen stabilisiert. Viel zu spät sei man eingeschritten, klagen die Nachbardörfer. Stromproduzent EDP verteidigt sich mit dem Hinweis, dass man den gesetzlichen Mindestpegelstand respektiert habe.

Ein kleiner Trost für die Nachbarorte ist, dass Tausende Touristen aus Spanien und Portugal kommen, um den aus den Fluten erschienenen Gespensterort Aceredo zu besuchen, der rund 70 Kilometer südlich der spanischen Stadt Ourense liegt. Die Ausflügler spazieren durch die kuriose Ruinenlandschaft, klettern durch verlassene Häuser und schießen Erinnerungsfotos – und sie geben in den Geschäften und Restaurants der Umgebung Geld aus.

„Der Klimawandel macht sich bemerkbar“

Aber es sind unter den Besuchern auch nachdenkliche Stimmen zu hören: „So etwas werden wir jetzt wohl öfter zu sehen bekommen“, sagt ein Familienvater im spanischen Fernsehen. „Der Klimawandel macht sich bemerkbar.“ Nach den UN-Klimastudien wird das Mittelmeerland Spanien eines jener europäischen Länder sein, das am stärksten von der Erderwärmung getroffen wird. Der außergewöhnliche Dürrewinter fügt sich in dieses Bild.
Im Durchschnitt sind Spaniens Talsperren derzeit zwar noch zu 44 Prozent gefüllt. Doch normalerweise sind sie im Winter wenigstens zu zwei Drittel gefüllt. „Es muss ein sehr regenreicher Frühling kommen, um die Situation zu verbessern“, sagt die Fernseh-Meteorologin Rosalía Fernández. Normalerweise fallen zwischen Oktober und April 75 Prozent der Niederschläge. Doch dieser Winter ist nicht normal.

In etlichen spanischen Regionen gibt es bereits Einschränkungen für die Verbraucher. Dies bekommen vor allem die Landwirte zu spüren, die rund drei Viertel des in Spanien aufbereiteten Trinkwassers für die Bewässerung ihrer Plantagen brauchen. Ihnen wird zuerst das Wasser abgedreht. Auch für Privathaushalte gibt es in einigen Regionen in Südspanien bereits Restriktionen.

Auf der spanischen Ferieninsel Mallorca sieht es derzeit noch etwas besser. Auch dort ist dieser Winter zwar ungewöhnlich trocken. Doch mehrere Sturzfluten im Herbst sorgten dafür, dass sich Talsperren und Grundwasservorkommen zunächst ausreichend füllten.

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