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Ein Kondolenzbuch für die getötete Luise liegt neben Blumen und Kerzen in einer Kirche in Freudenberg aus.

© dpa/Oliver Berg

Update

Nach Hass-Postings: Polizei löscht die Social-Media-Konten der Täterinnen im Fall Luise

Die Polizei beschäftigt sich mit „einer modernen Form der Hexenjagd“ auf die mutmaßlichen Täterinnen im Internet. Und sie warnt davor, Falschmeldungen zu verbreiten.

Knapp eine Woche nach dem gewaltsamen Tod der zwölfjährigen Luise aus Freudenberg sehen Polizei und Staatsanwaltschaft sich veranlasst, gegen Falschmeldungen in die Offensive zu gehen. „Durch das breite Interesse der Öffentlichkeit und die damit verbundene Anteilnahme kommen immer wieder Gerüchte über die mutmaßlichen Hintergründe des Vorfalls auf“, kritisierte die Kreispolizeibehörde Siegen-Wittgenstein am Freitag in einer Mitteilung.

„Offenkundig gibt es besonders in den sozialen Medien Spekulationen, die sich nicht mit dem aktuellen Stand der Ermittlungen decken.“ Die Ermittlungsbehörden baten ausdrücklich darum, sich daran nicht zu beteiligen „und die Diskussionen über die Hintergründe des Vorfalls, auch zum Schutz der Angehörigen, nicht zu befeuern“.

Hetzjagd auf die Täterinnen

Aufgrund einer Hetzjagd auf die Täterinnen hat die Siegener Polizei deren Social-Media-Konten sperren lassen. „Uns bekannte Social-Media-Kanäle wurden auf Anordnung der Staatsanwaltschaft geschlossen“, sagte ein Sprecher der Polizei Siegen-Wittgenstein am Freitag. Zuvor hatte die „Siegener Zeitung“ berichtet. In den sozialen Medien habe es zunehmend Hass-Postings gegeben.

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Von teils anonymen Nutzern wurden zahlreiche Spekulationen und auch Drohungen und Hass gegen die 12- und 13-jährigen mutmaßlichen Täterinnen veröffentlicht.

„Wenn man nach den Hashtags sucht, findet man schon einiges“, sagte ein Sprecher der Polizei Siegen-Wittgenstein. „Wir haben ein Monitoring dazu und prüfen laufend, ob strafrechtlich Relevantes gepostet wird.“

Der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) warnte davor, Namen oder angebliche Social-Media-Profile der mutmaßlichen Täterinnen im Internet zu teilen. „Die Verbreitung von persönlichen Daten oder Bildern mutmaßlicher Beschuldigter durch private Personen in sozialen Medien stellt eine moderne Form der Hexenjagd dar“, sagte BDK-Chef Dirk Peglow dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Schule in Freudenberg kehrt zu normalem Unterricht zurück

Unterdessen hat an der Schule der getöteten zwölfjährigen Luise in Freudenberg bei Siegen (Nordrhein-Westfalen) am Donnerstag erstmals seit der Tat wieder regulärer Unterricht stattgefunden.

„Der Unterrichtsbetrieb läuft planmäßig“, sagte ein Sprecher der Bezirksregierung Arnsberg. Es seien aber auch weiterhin Schulpsychologen vor Ort, um Schüler und Lehrer zu unterstützen.

Drei Tage lang hatten sich Schüler und Lehrer nach der Tat am Wochenende Zeit für Gespräche und die Trauerarbeit genommen. Nun sei es Fachleuten zufolge sinnvoll, den Weg zurück zum normalen Schulbetrieb einzuschlagen.

Gesamtschule im Ortsteil Büschergrund.

© IMAGO/Funke Foto Services/Andreas Buck

Die zwölfjährige Luise war am Samstag in einem Wald an der Grenze von Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen mit zahlreichen Messerstichen umgebracht worden. Zwei 12- und 13-jährige Mädchen haben die Tat gestanden.

An der Stelle, an der die 12-jährige Luise erstochen wurde, haben viele Menschen Kerzen, bunte Frühlingsblumen und ein kleines Windrad aufgestellt.

In einem Wald im südlichen Nordrhein-Westfalen haben Menschen Kerzen und Blumen niedergelegt.

© dpa/Oliver Berg

Mittlerweile hat die Polizei die Absperrung an dem Tatort entfernt.

Polizei stellt vorerst Suche nach Tatwaffe ein

Polizei und Staatsanwaltschaft halten sich mit Informationen zum Hintergrund des Falls und vor allem zu den Motiven der Mädchen komplett bedeckt und verweisen auf den Persönlichkeitsschutz der mutmaßlichen Täterinnen, die ja selbst noch Kinder seien.

Bekannt ist lediglich, dass es weiterhin keine konkrete Spur zur Tatwaffe gibt. „Derzeit ist keine weitere Suchmaßnahme beabsichtigt“, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Siegen. Dabei wäre die Tatwaffe trotz des Geständnisses der beiden 12- und 13-jährigen mutmaßlichen Täterinnen für die Ermittler wichtig.

Die mutmaßlichen Täterinnen leben vorerst nicht mehr bei ihren Eltern

Die beiden Mädchen, die in der Nähe von Freudenberg an der Grenze von Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz die zwölfjährige Luise getötet haben sollen, leben vorerst nicht mehr bei ihren Eltern. Berichten der Siegener Zeitung zufolge haben die Täterinnen Freudenberg aber gemeinsam mit ihren Eltern verlassen.

Die beiden 12- und 13-Jährigen werden vom Jugendamt betreut und seien „außerhalb des häuslichen Umfeldes untergebracht“, teilte der zuständige Kreis Siegen-Wittgenstein mit.

„Das ist auch damit verbunden, dass die Kinder nicht ihre bisherigen Schulen besuchen.“ Die Mädchen hätten aber weiterhin Kontakt zu ihren Eltern. „Der Kontakt zur Familie ist aufgrund des jungen Alters der Mädchen für die Entwicklung einer gelingenden Unterstützung sehr bedeutsam und wird insofern unterstützt“, teilte der Kreis mit.

Auch für die beiden Tatverdächtigen handele es sich um eine „ganz außergewöhnliche Situation, die viel Empathie und umsichtiges Agieren erfordert“, sagte Kreis-Jugenddezernent Thomas Wüst.

Auch mit der Familie der getöteten Zwölfjährigen stehe der Kreis in Kontakt. „Sobald die Familie von Luise dies wünscht, steht das Kreisjugendamt der Familie jederzeit zur Unterstützung zur Verfügung“, teilte die Kreisverwaltung mit.

Bei der Obduktion wurden zahlreiche Messerstiche festgestellt

Die zwölfjährige Luise wurde erstochen. Am Dienstag teilten die Behörden mit, dass bei der Obduktion der Leiche in der Rechtsmedizin der Uniklinik Mainz zahlreiche Messerstiche festgestellt worden seien. Das Mädchen aus dem siegerländischen Freudenberg sei in der Folge verblutet.

Die Stadt Freudenberg liegt im südlichen Nordrhein-Westfalen.

© dpa/Oliver Berg

Das Mädchen soll von zwei anderen Mädchen im Alter von zwölf und 13 Jahren getötet worden sein. Das sagte der Leitende Oberstaatsanwalt in Koblenz, Mario Mannweiler, bei einer Pressekonferenz am Dienstag. Sie sollen aus dem Bekanntenkreis der Getöteten stammen.

Nach ihrer ersten Anhörung seien Widersprüche aufgetaucht. Daraufhin seien sie am Montag erneut – in Anwesenheit von Angehörigen und Psychologen – befragt worden. Dabei hätten sie die Tat eingeräumt. Die Kinder seien nun an einem „geschützten Ort“.

„Nach über 40 Dienstjahren gibt es immer noch Ereignisse, die einen sprachlos zurücklassen“, sagte der Koblenzer Polizei-Vizepräsident Jürgen Süs. Es handele sich um eine „außergewöhnlich erschütternde Tat“, sagte Oberstaatsanwalt Mannweiler. Die Tatwaffe – vermutlich ein Messer – werde noch gesucht.

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Keine strafrechtlichen Konsequenzen

Strafrechtlich werde es keine Konsequenzen geben, da die Strafmündigkeit in Deutschland ab 14 Jahren gelte. Wer dieses Alter nicht erreicht habe, „gilt als schuldunfähig“.

Aufgrund des Alters der mutmaßlichen Täterinnen schweigen die Ermittler auch zu Details. Lediglich in Andeutungen wurden Umstände klarer. So sei „die Frage nach dem Motiv höchst komplex bei kindlichen Täterinnen“. Es bewege sich in einem Spektrum, das jenseits dessen von Erwachsenen liege. Vermutlich hätten „irgendwelche Emotionen“ eine Rolle gespielt.

Das heiße aber nicht, dass „nichts gemacht werde“, betonte der Oberstaatsanwalt. „Wir legen diesen Fall jetzt in die Hände der Jugendbehörden.“

Wie sinnvoll ist eine Reform des Strafrechts?

Bei dem getöteten Mädchen aus Freudenberg könnte der anscheinend gemeinsame Plan der mutmaßlichen Täterinnen ein wichtiger Faktor gewesen sein. Neben einer systematischen Untersuchung über die Hintergründe der Tat sei ein umfassendes Beratungs- und Therapieangebot für die Angehörigen und Betroffenen wichtig, sagte der Konfliktforscher Andreas Zick dem Evangelischen Pressedienst (epd).

In einer solchen Situation müssen laut Zick „Raum wie Zeit für die professionell Tätigen hergestellt werden“. Das gelte ebenso für die Einrichtungen, die am Ende die Täterinnen betreuen.

Polizisten suchen am 14.03.2023 am Fundort des getöteten Mädchens Luise nach weiteren Hinweisen.

© dpa/Roberto Pfeil

Eine Reform des Strafrechts, das in Deutschland Strafen erst ab einem Alter von 14 Jahren vorsieht, hält der Wissenschaftler nicht für sinnvoll. Kinder durch Gesetze zu Jugendlichen zu machen, würde ihnen Strafen aufbürden, die sie nicht verstehen, und die ihnen auch nicht helfen würden.

Wichtiger als eine schnelle Rechtsveränderung sei eine genaue Diagnostik. „Kinder, die getötet haben, brauchen eine intensive und lange psychologische Betreuung und ein Therapieangebot, ebenso wie die Angehörigen der Opfer dies auch brauchen“, sagte der Wissenschaftler.

„Unvorstellbar und kaum auszuhalten“

Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst äußerte sich bestürzt über die Tat.

„Es ist unvorstellbar und kaum auszuhalten, dass Kinder zu solchen Taten fähig sein sollen“, sagte Wüst am Dienstag in Düsseldorf. Die geschilderten Details ließen ihn „fassungslos zurück“. „Meine Gedanken und Gebete sind bei der Familie von Luise.“

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Seit einigen Jahren gebe es eine beunruhigende Zunahme von Straf- und Gewalttaten durch Jugendliche, auch durch Kinder unter 14 Jahren, sagte Wüst weiter.

„Nach allem, was wir wissen, ist diese Tat ein zutiefst verstörender Höhepunkt der Gewalt von Minderjährigen.“ Die Ursachen dieser Entwicklung müssten untersucht und Präventionsarbeit geleistet werden.

Justizminister Buschmann sieht keinen Handlungsbedarf

„Dass offenbar zwei kleine Mädchen diese abscheuliche Tat begangen haben, lässt sich kaum begreifen und macht tief betroffen“, sagte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.

„Solch schwere Verbrechen können nicht folgenlos bleiben – sie tun es in der Regel auch nicht“, sagte Buschmann. Gesetzgeberischen Handlungsbedarf – etwa in Form einer Absenkung des Alters für Strafmündigkeit – sieht er jedoch nicht. „Unsere Rechtsordnung kennt andere Wege, um darauf zu reagieren, etwa das Kinder- und Jugendhilferecht sowie das Familienrecht.“

Auch Bürgermeisterin Nicole Reschke hatte sich zuvor zu der Tat geäußert. „Wir sind in Freudenberg tief erschüttert und in Gedanken bei den Angehörigen“, sagte sie am Montag.

Die zwölfjährige Luise war am Sonntag tot in der Nähe eines Radweges auf rheinland-pfälzischem Gebiet unmittelbar an der Landesgrenze zu Nordrhein-Westfalen gefunden worden. Das Kind war am Samstag als vermisst gemeldet worden. (dpa/AFP/epd)

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