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Memet Machogurt (alias Ipek Ipekcioglu) und Sabuha Salaam im SO36.

© Aileen Kkvan

20 Jahre "Gayhane" im S036: Wo das queere Multikulti-Berlin im Kreis tanzt

Auf zum Halay: Seit 20 Jahren feiert die Party-Reihe „Gayhane“ im SO36 queere Kultur. Am Sonnabend ist das Jubiläumsfest mit DJ Ipek und vielen anderen.

Berlin, Mitte der 90er Jahre. Im Punkladen SO36 veranstaltet der Promoter Richard Stein 1994 „Morgenland Schleiertanz“, die erste „Queer Oriental Party“ Deutschlands. Kurz darauf ruft die Schauspielerin und LGBT-Aktivistin Fatma Souad 1996 den Salon Oriental ins Leben: ein queeres Kabarett, in dem Migranten der zweiten Generation Travestie performen und zweistündige, hochpolitische Shows auf die Bühne bringen, erzählt Gayhane-Mitbegründerin Sabuha Salaam.

Trashig und sozialkritisch zugleich sei es damals zugegangen. Denn neben einem humorvollen Blick auf deutsch-migrantische Zustände thematisierten Sabuha und ihre Mitstreiter*innen immer auch Tagespolitik, wie den Rassismus der Dominanzkultur oder Abschiebungsfälle.

Vor zwanzig Jahren zog der Salon Oriental dann ins SO36 um und bekam eine eigene After-Party: Gayhane findet seitdem ein mal pro Monat statt. Am Samstag wird mit einer Jubiläumsshow gefeiert.

Türkische und arabische Klänge treffen auf Balkansounds

Seitdem setzt das Homo-Haus – Gayhane ist ein Wortspiel aus gay und mayhane, türkisch für „Kneipe“ – Maßstäbe. Das Ziel: queeren Migrant*innen einen sicheren Raum mit vertrauten musikalischen Klängen zu bieten. „Als alle wild darauf waren, reine Lesben- oder Schwulenpartys zu machen, waren hier immer alle Geschlechter willkommen“, sagt Ipek Ipekcioglu. Sie fing ihre Karriere 1994 im SO36 an und ist DJ bei Gayhane.

Bei Gayhane spielt sie einen eklektischen Musikmix aus türkischen, arabischen, hebräischen, griechischen und bulgarischen Klängen. Ergänzt werden sie durch die Showeinlagen – eine Hommage an den Salon Oriental. Gayhane ist bis heute Trendsetter.

Die Party-Reihe hat auch eine klare politische Linie. „Nationalismus, Rassismus, Sexismus: Alle -ismen sind bei uns verboten“, sagt Ipekcioglu. „Grenzüberschreitung ist Grenzüberschreitung, egal, ob sie von Heten, oder Geflüchteten, Transen oder Türken ausgeht", fügt Sabuha hinzu, die sich als „Matrone“ von Gayhane bezeichnet. Sie wacht mit strengem Blick über die Gäste. Denn oberstes Gebot sei, dass sich alle wohl fühlen.

Die Privatsphäre der Gäste wird geschützt

Als einzige Party im SO36 verfügt das Gayhane daher über eine feste Security-Crew. Sie wahrt auch das Gleichgewicht zwischen Homos und Heteros. Denn auch wenn letztere willkommen sind, soll klar sein, wer den Ton angibt. „Vergiss nicht, dass du in einem schwulen, einen lesbischen Raum bist“, sagt Ipekcioglu. Das gelte auch für die vielen Tourist*innen, die sich inzwischen in Kreuzberg herumtreiben und die es auch zu Gayhane verschlägt.

Wichtig ist das, um die Privatsphäre der Gäste zu wahren. Viele von ihnen wohnen im Kiez, manche sind nicht geoutet. Dabei haben Migrant*innen, die queer sind, heute ein ganz anderes Selbstbewusstsein als früher, meint Ipekcioglu: „Da haben sich viele Dragqueens im Bad umgestylt und kamen dann als perfekte Frau von der Toilette.“ Bevor es dann auf die Straße ging, schminkten sie sich wieder ab und zogen ihre Kleider aus. Das sei heute nicht mehr der Fall. Und auch queere Geflüchtete aus den arabischen Ländern stellten ihren Stolz selbstverständlich zur Schau, erzählt sie: „Sie fühlen sich bei Gayhane zuhause, weil Migrantin sein und Lesbe sein bei uns kein Widerspruch ist.“

Ab fünf Uhr wird die Musik immer basslastiger

Wie die Gäste hat sich auch die Musik im Gayhane gewandelt, neben orientaler Partymusik wird heute auch schon mal Trap aufgelegt. Und ab fünf Uhr früh wird es dann immer basslastiger. Immer noch sehr beliebt ist der traditionelle Halay, ein türkischer und kurdischer Kreistanz.

Nach dem Erfolg von Gayhane haben sich über die Jahre mehrere queere (post-) migrantische Partys etabliert, zuletzt die Hip-Hop- und R'n'B-Party Tasty im Schwuz. Doch es könnten noch viel mehr sein, findet Sabuha. „Ich habe immer noch das Gefühl, dass Clubs und Promoter davor zurückschrecken“, bemängelt sie: „Dabei zeigt unser anhaltender Erfolg: Der Bedarf ist da.“

Gayhane-Jubiläumsshow am 26.1., 22 Uhr im SO36, Oranienstr. 190, mit den DJs Ipek, mikki_p, Amer Hammer, Aziza A. Der Eintritt ist frei

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