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Josefa (Adele Neuhauser) in einer Szene aus „Ungeschminkt“.

© dpa/Jacqueline Krause-Burberg

Adele Neuhauser spielt trans Frau: „Ein Thema, das noch nicht in aller Herzen angekommen ist“

Bekannt als Wiener „Tatort“-Kommissarin spielt Adele Neuhauser im ARD-Film „Ungeschminkt“ nun eine trans Frau aus einem bayerischen Dorf. Im Gespräch mit der Katholischen Nachrichtenagentur geht es um ihre Vorbereitung, einen Unfall und Transfeindlichkeit.

Von Katharina Zeckau

Stand:

In „Ungeschminkt“ spielen Sie erneut eine vom Drehbuchautor Uli Brée erdachte Figur. Er hat unter anderem die Figur der „Tatort“-Kommissarin Bibi Fellner für Sie erfunden. Hat Ihnen Bree auch die Rolle der Josefa auf den Leib geschrieben?
Im Grunde ja. Über die vielen Jahre, die er mich als Autor begleitet, weiß Uli Brée, was er mit mir machen kann (lacht). Was er mir zumuten, wie er mich herausfordern kann - und was gibt es Schöneres als jemanden, der mich so fordert und fördert. Uli ist immer voller Ideen; gerade habe ich einen Zweiteiler von ihm abgedreht, der eigentlich im Anschluss an „Ungeschminkt“ hätte gedreht werden sollen. Aber ich habe mich dann bei den Dreharbeiten verletzt ...

Was ist passiert?
Ich hatte eineinhalb Tage vor Drehende einen Fahrradunfall. Dabei hab ich mir die Schulter gebrochen, musste operiert werden. Ich hab da jetzt eine Platte mit neun Schrauben drin. „Ungeschminkt“ hat uns vieles abverlangt, nicht nur wegen dieses Unfalls, aber der Film hat uns auch auf eine unglaubliche Weise beschenkt.

Inwiefern?
Auch wenn sich der Film auf ein Thema wie Trans-Sein bezieht, geht es dabei vor allem um die Akzeptanz der eigenen Person. Darum, eins zu werden in sich selbst. Und darum, dass die Verletzungen, die man aufgrund dieser Selbstfindung anderen und sich selbst zufügt, irgendwann verziehen werden müssen. Ich glaube, dass das ein Grundthema unserer Menschheit ist: Wir müssen lernen, zu verzeihen.

Deshalb ist dieser Film so wichtig, und er erzählt es sehr klug. Mit diesen Vorzeichen einer queeren Geschichte, die auch unbedingt wichtig sind, besprochen zu werden. Aber natürlich bleiben wir, auch wenn wir vielleicht diesen Prozess einer Geschlechtsangleichung durchwandelt haben, ja trotzdem Menschen. Meine Kollegin Hayal Kaya, die im Film meine Freundin Antonia spielt, ist trans – aber in erster Linie ist sie ein Mensch.

Wie haben Sie sich auf die Rolle vorbereitet?
Ich musste mich wirklich einlesen, einsehen und einsprechen. Ich habe mit Betroffenen gesprochen, Dokumentationen angeschaut, Literatur gelesen, um mich auf diesen ganzen Prozess einzulassen. Was es auch körperlich bedeutet, wie schmerzlich und heftig eine Geschlechtsangleichung ist. Bei allem, was ich dazu erfahren habe, war der Grundtenor allerdings, dass die Freude darüber, endlich das zu sein, was man immer schon empfunden hat, die Schmerzen und Ängste überwogen hat.

Wenn sich dieses Gefühl, das man immer von sich hatte, dann deckt mit dem äußeren Bild. Um dem Thema gerecht zu werden, musste ich mich dieser Vorbereitung unterziehen. Aber dann konnte und durfte ich das beim Spielen auch wieder vergessen.

Mir war in meiner Umsetzung wichtig, was es in der Projektion beim Zuschauer auslöst. Denn wenn wir wissen, dass wir einer trans Person gegenübersitzen, glauben wir mehr zu sehen, als wir geliefert bekommen. Ich habe beim Spielen der Rolle deshalb bewusst versucht, weiblich zu bleiben. Ich wollte das dem Zuschauer überlassen. Damit er oder sie sich irgendwann sozusagen selber am Genick packt und feststellt: Oh! Also wenn er oder sie wirklich hinschaut.

Sie sei um ihr „Überleben g'rannt“, sagt Josefa im Film. Das bezieht sich auf Oberbayern im Jahr 1988. Wie würden Sie die heutige Situation von trans Personen hierzulande beurteilen - müssen die immer noch „um ihr Überleben rennen“?
Das ist zwar überspitzt ausgedrückt, aber in gewisser Weise immer noch der Fall. Es ist ein Thema, das noch nicht in aller Herzen angekommen ist. Es ist nicht so, dass wir es einfach als gegeben und selbstverständlich annehmen, auch nicht in Deutschland oder Österreich. Da herrscht oft so ein Verhalten, als würde eine Gefahr von trans Personen ausgehen. Dabei ist genau das Gegenteil der Fall. Diese Menschen sind meist friedlicher als andere. Sie wollen ja vor allem Akzeptanz und verstanden werden.

Es herrscht oft so ein Verhalten, als würde eine Gefahr von trans Personen ausgehen. Dabei ist genau das Gegenteil der Fall.

Adele Neuhauser, Schauspielerin

Wie wird das Thema Transidentität Ihrer Meinung nach medial bisher aufgegriffen?
Ich hatte eine Zeitlang den Eindruck, dass es zu viel und vor allem zu reißerisch in den Medien besprochen wird. Genau das ist der Punkt: Es ist ja der Wunsch aller trans Personen, dass man es nicht totschweigt, aber es auch nicht mit dieser gaffenden Neugier betrachtet. Sondern dass das Thema mit einer ehrlichen, offenen und empathischen Art besprochen wird.

Es ist etwas, das viele Menschen beschäftigt, und hat natürlich seine Berechtigung, in der Welt zu sein. Was für eine Anmaßung, zu sagen, nur was scheinbar „normal“ ist, hätte diese Berechtigung!

Sie spielen eine tans Frau, ohne selbst eine zu sein. Was halten Sie von Forderungen, dass beispielsweise nur Homosexuelle homosexuelle Figuren, nur trans Personen transidente Rollen spielen sollen?
Diese Forderung ist noch nicht an mich herangetragen worden. Ich habe selbst in Gesprächen mit Betroffenen diese Frage gestellt: Wie sie dazu stehen, dass ich das spiele. Die hatten keine Probleme damit, null. Ich glaube, problematisch ist es, wenn man mit einem reißerischen, nicht wirklich empathischen Blick darauf schaut. Aber ich spiele alle meine Rollen mit der größten Hingabe und der größtmöglichen Auseinandersetzung. Und deswegen fühle ich mich da nicht angesprochen.

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Durch eine Stimmband-OP 2008 wurde Ihre Stimme höher. Sie haben in Interviews erzählt, dass das ihr Leben und auch ihr Wesen verändert habe. Hat diese Erfahrung Ihren Zugang zur Josefa erleichtert?
Ja, das hat sie. Vor dieser OP bin ich immer wieder am Telefon als Herr Neuhauser angesprochen worden, weil meine Stimme wirklich wahnsinnig tief war. Nach dem Heilungsprozess habe ich mich wirklich weiblicher gefühlt. Aber auch meine ganze Lebensgeschichte passt dazu: In meiner Kindheit und Jugend habe ich diese große Diskrepanz gespürt, die mich sehr viel Kraft gekostet hat.

Ich war, wie ich in meiner Autobiografie schreibe, wirklich selbst mein größter Feind. Der Grund waren Ängste, aber auch dieser ganze hormonelle Wahnsinn, dem man als junger Mensch ausgesetzt ist. Jeder von uns durchlebt das! Denn wir sind duale Wesen, wir alle tragen die Anlage für beide Geschlechter in uns. Und wir fordern immer wieder auch dieses andere Geschlecht in uns heraus.

Sie spielen auf mehrere Suizidversuche an, die Sie als Kind und Jugendliche unternommen haben. Wieso haben Sie sich entschlossen, mit diesem sehr persönlichen Thema an die Öffentlichkeit zu gehen?
Weil ich durch meine Sichtbarkeit und das Glück, mich überlebt zu haben, das Gefühl habe, dass ich Menschen, die sich in scheinbar ausweglosen Situationen befinden, vielleicht helfen kann und zeigen, dass man aus diesem dunklen Loch herauskommen kann. Und weil ich dafür plädieren will, dass man unbedingt um Hilfe bitten und sich einer Therapie unterziehen sollte. Das habe ich selbst leider nicht gemacht, deswegen habe ich mich auch so lange mit mir herumgeplagt.

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