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Fußpflege als Liebesdienst. Die junge Taschendiebin Sookee (Kim Tae-ri) kümmert sich um die reiche und einsame Lady Hideko (Kim Min-hee).

© Koch Films

Thriller "Die Taschendiebin": Die Kleider meiner Herrin

Junge Mädchenkörper im Zwielicht: Park Chan-wook bleibt mit dem Kostümthriller „Die Taschendiebin“ seinen dunklen Obsessionen treu.

Sookee, Okju, Tamako – eine Frau, drei Identitäten. Jede birgt ein Geheimnis. Sookee heißt die junge Taschendiebin (Kim Tae-ri), die im Korea der dreißiger Jahre ein ärmliches Leben in einer dubiosen Ersatzfamilie führt. Das Familienoberhaupt ist ein Schwindler (Ha Jung-woo), der sich als Graf ausgibt: Sookee soll ihm helfen, die reiche und einsame Lady Hideko (Kim Min-hee) zur Heirat zu bewegen.

Dafür schleust er sie unter dem Namen Okju als Dienstmädchen bei der jungen Erbin ein, die zusammen mit ihrem Onkel Kouzuki (Cho Jin-woong) in einem halb im englischen, halb im japanischen Stil gebauten Haus lebt. Schon bei ihrer nächtlichen Ankunft erfährt Sookee, dass man sie fortan Tamako nennen wird. Ein japanischer Name, denn Kouzuki verehrt die japanische Kultur – obwohl Korea seit Jahren unter japanischer Besatzung steht.

Alle Figuren spielen falsch

Wie alle Figuren in Park Chan-wooks Film „Die Taschendiebin“ ist Kouzuki ein Doppelspieler und Maskenträger. Auch er plant seine Nichte, die bei ihm aufgewachsen ist, zu heiraten, um an ihr Geld zu kommen. Der exzentrische Sammler und Händler von seltener pornografischer Literatur benutzt sie zudem, um sein Geschäft anzukurbeln: Sein Haus ist regelmäßiger Treffpunkt konspirativer Lesezirkel, bei denen seine Nichte in prachtvoller Geisha-Aufmachung potenziellen Käufern aus den Werken vortragen muss. Die geschilderten Sex-Positionen demonstriert sie dem männlichen Publikum mit einer Holzpuppe. Doch Hideko ist nur scheinbar das Opfer ihres perversen Onkels, dessen Zunge vom Anlecken der Schreibfeder schwarz verfärbt ist. Auch sie hat eine verborgene Agenda.

Mit Sookee verbindet sie eine unausgesprochene Leidenschaft. Die beiden Frauen albern herum und verbringen viel Zeit miteinander. Auch die Betrügerin findet Gefallen an ihrer Arbeit – und an ihrer Herrin. Beim Auskleiden stellt sie sich Lady Hideko als ihr Spielzeug vor: „All diese Knöpfe sind nur zu meinem Vergnügen da.“ Als diese spielerische Nähe in körperliche Intimität übergeht, bittet Hideko ihr Dienstmädchen um Nachhilfeunterricht für ihre bevorstehende Hochzeit. Obwohl sie sich mit der Literatur ihres Onkels bestens auskennt, hat sie keine Ahnung, was in der Hochzeitsnacht von ihr erwartet wird.

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Der dem visuellen Exzess nicht abgeneigte Park hat sich nach der braven Hitchcock-Hommage „Stoker“ (2014) für „Die Taschendiebin“ erneut von einem fremden Stoff inspirieren lassen. Für seinen erotischen Kostümthriller hat er die Handlung von Sarah Waters’ Bestseller „Solange du lügst“, der im viktorianischen England spielt, nach Korea zur Zeit der japanischen Besatzung verlegt.

Doch anders als die dreiteilige BBC-Verfilmung mit Sally Hawkins entfernt sich Park, der zusammen mit Chung Seokyung auch das Drehbuch schrieb, nicht nur geografisch und zeitlich von der Vorlage. Das wird ab der Hälfte deutlich, als die Perspektive von Sookee zu Hideko wechselt. Statt die beiden weiter in ihr wendungsreiches Intrigenspiel zu verstricken, wird „Die Taschendiebin“ zu einer sexuellen Befreiungsgeschichte, die Park wie gewohnt als schwülstig-hyperbolische Macht- und Gewaltfantasie erzählt.

Dazu allerdings wären die vielen voyeuristischen Nackt- und Sexszenen nicht unbedingt nötig gewesen. Schon in der Bade-Sequenz, in der Hideko immer wieder in Großaufnahmen zu sehen ist, wird ihr Körper durch Parks Bildmontage gleichsam zerschnitten. Sein Vorgehen erinnert an die Illustrationen aus Kouzukis Büchern: Bilder junger Frauen zur Erregung älterer Männer.

Ständig wird durch Gucklöcher, Fenster, Türspalte gespäht

Dasselbe gilt für die zweite, explizitere Version der Sex-Nachhilfestunde. War die erste noch gleichsam unschuldig und durch die ständige Erwähnung des Grafen sogar humorvoll, gerät sie zu einem reinen Stellungsballett. Zwar belässt Park die perfekten, glatten Körper diesmal unversehrt, doch die Ausführlichkeit, mit der sich die Kamera an ihnen weidet, verleiht der Sequenz einen softpornografische Schlagseite.

Man kann die Inszenierung natürlich auch als explizite Überbetonung des Voyeurismus-Themas verstehen. Doch diese Motive sind ohnehin präsent. Ständig spähen die Figuren durch Gucklöcher, Fenster, Türspalte und Ferngläser. Zudem filmt Kameramann Chung Chung-hoon wiederholt aus leicht erhöhter, dominanter Position. Seine ruhigen, eleganten Bilder sind mit großer Sorgfalt komponiert. Weil „Die Taschendiebin“ größtenteils innerhalb des Hauses spielt (in dem immer wieder der Strom ausfällt), überwiegen dunkle Farben. Diese leicht klaustrophobische Atmosphäre passt zu den zwielichtigen Bewohnerinnen und Bewohnern.

In Sachen Gewalt zeigt sich Park Chan-wook, der von Genrefans für seine blutigen Rachethriller („Oldboy“, „Durst“) geschätzt wird, diesmal verhältnismäßig zurückhaltend. Dennoch verzichtet er auch in „Die Taschendiebin“ nicht auf die üblichen S/M- und Folter-Eskapaden. Die Männer sind bei ihm eindeutig die Bösen, die Frauen müssen sich von ihnen emanzipieren. Bedauerlicherweise schwächt der Film Letzteres durch die Übersexualisierung seiner Protagonistinnen sehr ab. Denn die Schlusseinstellung zeigt: Am Ende bleiben sie doch in den Männerfantasien gefangen.

Ab Donnerstag im b-ware, Eiszeit, Filmkunst 66, Central, Moviemento (OmU)

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