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Pionier im Parlament: Herbert Rusche 1985 bei einer Rede.

© Deutscher Bundestag/Presse-Service Steponaitis

Erster offen schwuler Bundestagsabgeordneter: Der Grünen-Politiker Herbert Rusche ist gestorben

Von 1985 bis 1987 war Herbert Rusche der erste offen schwule Bundestagsabgeordnete. Im Parlament setzte er sich gegen den Paragraf 175 ein und thematisierte die verheerende Aids-Krise.

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Er war Pazifist, Buddhist und Selfmade-Informatiker. Und er hatte fast ein Dutzend Berufe, unter anderem Drucker, Krankenpfleger, Erzieher, Kellner, Bioladenbesitzer. Doch Geschichte schrieb Herbert Rusche mit seiner politischen Karriere: Er war der erste offen schwule Bundestagabgeordnete – für die Grünen, von 1985 bis 1987. Wie erst jetzt bekannt wurde, ist Herbert Rusche am 22. Dezember 2024 in Frankfurt am Main gestorben. Er wurde 72 Jahre alt.

Rusche, geboren 1952 in Bad Neuenahr, schloss sich in den 1970er-Jahren der westdeutschen Schwulenbewegung an. 1972 gründete er die Schwulengruppe „Homo Heidelbergensis“ mit, ab 1973 war er Mitglied der „Homosexuellen Aktion Westberlin“ (HAW). 1980 gehörte er zur Gründergeneration der Grünen.

Seine Zeit im Plenum des Bundestages war nur kurz, denn damals galt bei der Alternativpartei noch das sogenannte Rotationsprinzip – das Mandat wurde geteilt, es gab „Nachrücker“. Also arbeitete Rusche die erste Hälfte seiner Parlamentszeit als Fraktionsassistent. Im Parlament setzte er sich gegen den Paragrafen 175 ein und thematisierte die verheerende Aids-Krise.

Die Ehe für alle war ihm zu bürgerlich

Nach seiner Zeit als Abgeordneter arbeitete Rusche bei verschiedenen Aids-Hilfe-Organisationen und von 1988 bis 1991 in der Homosexuellen Selbsthilfe mit. Mit „BTX für Freunde“ brachte er 1988 das erste Online-Angebot für schwule Männer in Deutschland an den Start.

2001 trat er bei den Grünen aus, weil ihm deren Lesben- und Schwulenpolitik mit der nun propagierten „Homo-Ehe“ zu bürgerlich wurde. Auch haderte er mit dem Kriegseinsatz im Kosovo unter Rot-Grün 1999. Rusche schloss sich 2009 der Piratenpartei an und kandidierte 2013 erfolglos für diese für den Bundestag.

Er war auch Aids-Langzeitüberlebender. Mitte der 1990er Jahre wäre der Politiker beinahe an der Immunschwächekrankheit gestorben. Er hatte Glück, dass das Medikament „Crixivan“ aufkam, ein Vorgänger der Kombinationstherapie. Nach der Behandlung war er zeitweise auf einen Gehstock angewiesen und hatte einen Behindertenausweis. Damit ging Rusche humorvoll um. In einem Porträt im Tagesspiegel wurde er 2001 so zitiert: „Ich sag’ mir immer: Mit Aids geht’s, mit Gicht nicht!“

Die Ärzte hatten ihm, als er krank war, zunächst noch drei Monate bis drei Jahre zu leben gegeben. Es wurden rund drei Jahrzehnte. In seinen letzten Jahren konnte er allerdings aufgrund eines Schlaganfalls weder gehen noch sprechen. Wie die Buddhistische Union zu seinem Tod mitteilte, sei er nicht verbittert gewesen und sei seinen Besuchern mit Freundlichkeit begegnet.

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