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Regisseurin Kasi Lemmons bei der Weltpremiere von „Whitney Houston: I Want To Dance With Somebody“.

© REUTERS / Reuters/Eduardo Munoz

Interview mit Biopic-Regisseurin Kasi Lemmons: „Wir wussten alle, dass Whitney auch auf Frauen steht“

Regisseurin Kasi Lemmons über ihren Film „Whitney Houston: I Wanna Dance With Somebody“, Begegnungen mit der Sängerin und deren Familie.

Von Patrick Heidmann

Kasi Lemmons, zu Whitney Houstons Lebzeiten war ihre Bisexualität in der Öffentlichkeit wenig mehr als ein Gerücht, und auch in den Dokumentarfilmen, die es in den vergangenen Jahren über die Sängerin gab, spielte ihre Queerness eher eine untergeordnete Rolle. Da überrascht es fast, wie offensiv Sie gerade im ersten Drittel von „Whitney Houston: I Wanna Dance With Somebody“…
Mir war dieser Aspekt ihres Lebens einfach wichtig. Ich hätte die Regie nicht übernommen, wenn ich davon nicht hätte erzählen dürfen. Als damals Whitneys Aufstieg begann, war ich eine junge Schauspielerin in New York, und dort wusste in der Entertainment-Branche jeder, dass Whitney auch auf Frauen steht. Sie und ihre Freundin Robyn Crawford waren unzertrennlich und es war nicht zu übersehen, dass das mehr ist als eine gewöhnliche, platonische Freundschaft.

Weswegen die meisten von uns aus allen Wolken fielen, als sie etliche Jahre später plötzlich Bobby Brown heiratete. Was ist mit Robyn, war meine erste Reaktion. Auch weil ich die beiden gemeinsam erlebt hatte, als ich Whitney persönlich kennen lernte. Dieser Spagat zwischen dem öffentlichen Image und dem Privatleben war einer der Konflikte in ihrer Biografie, die ich am interessantesten fand.

Heutzutage wäre ihre Karriere in dieser Hinsicht vermutlich anders verlaufen.
Klar, schließlich ist es heute für Popstars nichts wirklich Außergewöhnliches mehr, wenn sie dazu stehen, in ihrer sexuellen Identität fluide zu sein. Aber damals war die Lage eine andere, gerade für Stars, die ein bestimmtes Image pflegten. Und gerade seitens ihrer Familie stand Whitney diesbezüglich enorm unter Druck.

Trotzdem würde ich sagen, dass die Beziehung zu Robyn die vielleicht wichtigste ihres Lebens war, jenseits der zu den Eltern. Selbst als sie dann später wohl doch nur noch eine Freundschaft war. Man kann sich schon fragen, was wohl gewesen wäre, wenn sie sich von diesen äußeren Einflüssen hätte freimachen können.

Sie haben gerade erwähnt, dass Sie Whitney persönlich kennen gelernt haben. Wie kam es dazu?
Das war ungefähr 1994. Whitneys Tochter Bobbi Kristina war schon geboren, aber noch ganz klein. Und sie selbst war auf der Höhe ihres Ruhms. Ich hatte mich damals gerade von der Schauspielerei abgewendet und begonnen, Drehbücher zu schreiben. Sie und ihr Vater nahmen damals Kontakt zu mir auf und ich schrieb letztlich zwei Skripte für sie. Man kann also nicht sagen, dass wir enge Freundinnen waren. Aber wir trafen uns für diese Zusammenarbeit eine Weile lang doch recht regelmäßig.

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Was wurde aus den Drehbüchern?
Die Projekte kamen letztlich einfach nie zustande, wie das in Hollywood ja häufig der Fall ist. Das erste war eines über die Sweethearts of Swing, eine rein weibliche Jazz-Bigband. Das hätte ich wirklich gerne mit ihr in der Hauptrolle umgesetzt. Das zweite war eines, zu dem ich eigentlich ihr Vater anregte. Aber Ende entwickelte es sich dann in eine ganz andere Richtung, und es liegt immer noch in meiner Schublade. Ich hoffe, dass ich es eines Tages noch verfilmen kann.

Wo gerade von Whitneys Vater die Rede ist: Der kommt im Film nicht so richtig gut weg. Wie haben Sie ihn erlebt?
Die Dynamik zwischen den beiden irritiert, und ehrlich gesagt haben mich die Begegnungen mit ihm ein wenig erschüttert. Er hat über wenig anderes gesprochen als Whitneys Image und hat sie immer wieder als „Marke“ bezeichnet. Es war ihm enorm wichtig, wie sie von außen wahrgenommen wird – und er sagte wortwörtlich, dass sie für ihn seine Version von Barbie sei.

Vor mir saß diese großartige, afroamerikanische Künstlerin und sein Vergleich war Barbie. Das fand ich schlimm. Und die Erinnerung daran hat natürlich prägenden Einfluss darauf gehabt, wie ich nun als Regisseurin diese sehr komplexe, von Spannungen geprägte Vater-Tochter-Beziehung erzähle.

Naomi Ackie (rechts) als Whitney Houston und Stanley Tucci als Clive Davis in „I Wanna dance with Somebody“.
Naomi Ackie (rechts) als Whitney Houston und Stanley Tucci als Clive Davis in „I Wanna dance with Somebody“.

© dpa / Sony Pictures/Emily Aragones

Passend dazu wurde ihr tatsächlich viele Jahre lang aus der Schwarzen Community heraus der Vorwurf gemacht, ihre Wurzeln zu verraten und nur Musik für Weiße zu machen. Wie stehen Sie dazu?
Ich habe da verschiedene, auch widersprüchliche Meinungen zu. Zunächst einmal ist es eine unglaubliche Leistung, was ihr als afroamerikanischer Künstlerin gelungen. Diesen Crossover-Erfolg, bei einem weißen Mainstream-Publikum, hatte es in einem solchen Ausmaß noch nie gegeben. Das konnte und kann ich absolut wertschätzen, und ich muss gestehen, dass ich ihre Musik immer mochte und deswegen nie allzu scharf über die geurteilt habe.

Aber ich konnte eben auch verstehen, wenn Schwarze gesagt haben, dass sie Whitneys Image nicht als authentisch empfinden und sich in gewisser Weise verraten fühlten. Was natürlich interessante Fragen zu unseren Ansprüchen an Prominente aufwirft, gerade im Kontext von Race. Interessant ist ja auf jeden Fall, dass sie die Rolle der süßen amerikanischen Prinzessin, die ihr Vater ihr zugewiesen hatte und die sie mit Freuden spielte, irgendwann hintanstellte und sich eher auf ihre Wurzeln und ihr authentisches Selbst zu besinnen schien. Da klang dann ja auch musikalisch immer mehr R’n’B durch.

In dieser Hinsicht kam dann auch die Ehe mit Bobby Brown ins Spiel. Dem weist Ihr Film längst nicht so sehr die Schuld an Houstons Niedergang zu wie man es hätte erwarten können.
Sowohl mir als auch dem Drehbuchautor Anthony McCarten war es wichtig, das Bild des Buhmanns, das in den Medien oft von Bobby gezeichnet wurde, zumindest ein bisschen zu korrigieren. Dass er zum Beispiel für ihre Drogensucht verantwortlich ist, stimmt einfach nicht.

Drogen waren schon seit ihrer Jugend eine feste Größe in ihrem Leben. Und sie blieben es auch nach der Scheidung. Dass die beiden sich nicht gutgetan haben und es da eine gewisse Koabhängigkeit gab, lässt sich natürlich nicht bestreiten. Doch es ist wirklich nicht so, dass man ihm allein die Schuld für ihren Absturz geben kann.

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