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Klare Sache. Homosexualität ist eindeutig kein Geburtsfehler.

© imago/Bernd König

Queer weiß das (20): Ist Homosexualität angeboren?

Die Kolumne im Queerspiegel: Heteros fragen, Homos antworten. Heute mit der Frage, ob man als Homosexueller geboren wird.

Wird man eigentlich als Homosexueller geboren? Oder entscheidet sich das erst später im Leben? Jens, Kreuzberg

Hätten Sie gefragt, lieber Jens, ob jemand zum Homosexuellen geboren wird, fiele die Antwort ziemlich kurz aus. Denn das sind die wenigsten von uns. Es ist nicht leicht, sich in der von Heteros dominierten Welt zu behaupten, in der man uns LGBTI (englische Abkürzung für Lesben, Schwule, Bi-, Trans- und Intersexuelle) immer noch für schräge Vögel, irregeleitete Wesen oder dekadente Outlaws hält. In einer Welt, in der man uns Therapien anbietet, um auf den rechten Hetero-Weg zurückzukehren, wie es evangelikal geprägte Kreise und von ihnen finanzierte Forschungsinstitute gerne tun. Sie halten Homosexuelle für krank (wie leider auch die Weltgesundheitsorganisation WHO bis 1992).

Was christliche Fundamentalisten sagen

Solche Fundis erklären Homosexualität durch frühkindliche Bindungs- und Beziehungsverletzungen zwischen Sohn und Vater oder Tochter und Mutter. In der Pubertät würden diese „unerfüllten emotionalen Bedürfnisse“ dann „sexualisiert“ und auf Menschen desselben Geschlechts übertragen, etwa auf den „väterlichen Freund“. Die lesbische Frau sucht demnach bei ihrer Partnerin die Liebe der Mutter. Problem nur: Homosexualität kommt in den besten Familien vor, und Heterosexualität soll in zerrrütteten Verhältnissen ja nicht selten sein.

Gibt es ein Schwulen-Gen?

Also ist’s am Ende doch die Biologie? Es gibt Hinweise dafür, dass in einer frühen embryonalen Entwicklungsphase des Gehirns auch die sexuelle Vorliebe festgelegt wird. Anfang der 1990er hieß es nach einer Studie mit homosexuellen Zwillingen gar, das Schwulen-Gen sei gefunden. Doch weitere Forschungen konnten das nicht bestätigen. Heute vertreten manche Forscher die Ansicht, dass zumindest durch äußere Einflüsse wie Sexualhormone bestimmte Gen-Aktivitäten beim Fötus im Mutterleib „aus- oder angeknipst“ werden, die sich auf die sexuelle Orientierung auswirken können.

Die Queer-Theorie

Und dann sind da noch die Vertreter der Queer-Theorie. Für sie sind Geschlechtsidentität und sexuelle Orientierung nicht naturgegeben, sondern auch die Folge sozialer und kultureller Prozesse, also konstruiert. Es wird nach biologischem (sex) und sozialem Geschlecht (gender) unterschieden, die Geschlechtereinteilung in Mann und Frau damit infrage gestellt.

Letztlich gehen die meisten Fachleute mittlerweile davon aus, dass sich biologische, soziale und kulturelle Einflüsse nicht voneinander trennen lassen. Anders gesagt: Da die Biologie immer mitmischt, darf man davon ausgehen, dass Homosexualität angeboren ist. Nur ein Geburtsfehler ist sie nicht.

Folge 19: Warum ordnen sich Homosexuelle selber in Schubladen ein?

Folge 18: Warum seid ihr Schwulen immer so tuckig?

Folge 17: Wozu braucht man immer noch den CSD?

Folge 16: Was bedeutet Pinkwashing?

Folge 15: LGBTI bis Trans* - warum redet ihr so kompliziert?

Dieser Text erschien zunächst in der gedruckten Samstagsbeilage Mehr Berlin.

Haben Sie auch eine Frage an die Tagesspiegel-Homos? Dann schreiben Sie an: queer@tagesspiegel.de!

Mehr LGBTI-Themen finden Sie auf dem Queerspiegel, dem queeren Blog des Tagesspiegels. Folgen Sie dem Queerspiegel auf Twitter:

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