
© Mayra Wallraff
Leitlinien vorgestellt: Drag-Performer*innen fordern faire Arbeitsbedingungen
Die „Drag Resources Action Group Berlin“ setzt sich für bessere Arbeitsbedingungen von Performer*innen ein. In den Sophiensælen hat sie dafür einen Katalog mit Leitlinien vorgestellt – Showteil inklusive.
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Wenn Leitlinien vorgestellt werden, ist das normalerweise ein relativ formeller Akt. Menschen in Business-Kleidung sitzen in einem gut ausgeleuchteten Raum und hören sich noch einmal an, was sie bereits in der Pressemitteilung gelesen haben.
Als die „Drag Resources Action Group Berlin“ (D.R.A.G.) am Mittwochabend ihre neuen Leitlinien vorstellt, erinnert höchstens das Pult im Festsaal der Sophiensæle an die Codes solcher Veranstaltungen. Ansonsten merkt man schon im Foyer, dass hier das Gegenteil von Business Casual gilt. Dragqueen Bleach steht im knappen weißen Seidenkleid, pinkem Sex-Choker und schwarzem Eyeliner bis zu den Schläfen hinter dem DJ-Pult und spielt eine Mischung aus Trance, Punk und Tina Turners „Simply the Best“.
Währenddessen geht Tante Debbie auf die Gäst*innen zu, bietet ihren Rat an oder ein offenes Ohr. Dabei spricht sie leise, ist mindestens so warm wie das Rosa des Blushs auf ihren Wangen. Danach gibt es, wenn gewollt, eine Umarmung.
Mehre Monate wurde an den Leitlinien gearbeitet
Drag sei „sozial und politisch zentral für queere Communities“, heißt es in der Präambel der Leitlinien, die die D.R.A.G. an diesem Abend präsentiert. Und: „Wie viele andere Formen gesellschaftlich notwendiger Care-Arbeit wurde diese Arbeit viel zu lange unterbezahlt.“
Vor zwei Jahren gründeten 16 Künstler*innen die Gruppe, um sich für bessere Arbeitsbedingungen „in einem der am schlechtesten bezahlten, prekärsten und sozial schwächsten Performance-Genres“ einzusetzen. Die Leitlinie ist Ergebnis eines mehrmonatigen Prozesses, in den auch die Community, andere Performer*innen und Veranstaltungsorte einbezogen waren.
Zwölf Künstler*innen lesen an diesem Abend aus den Leitlinien und erzählen von ihren Erfahrungen. Unterbrochen von Solo-Nummern – schließlich müsse man das Publikum nach der Begeisterung für Regeln und Richtlinien immer wieder etwas beruhigen, wie Drag Queen Olympia Bukkakis zu Beginn sagt.
Empfehlungen für die Höhe von Honoraren
Später wird sie vier Personen aus dem Publikum auf die Bühne bitten, um zu „Work Bitch“ von Britney Spears zu performen. Während die sich abmühen, steht Bukkakis unbeweglich in der Mitte, hebt hin und wieder einen Arm und bewegt ihre Lippen zum Text. Den Applaus aber beansprucht sie für sich allein. Und mit dieser performativen Einführung in die marxistische Theorie wäre man dann auch beim Thema der Leitlinie.
Sie enthält Empfehlungen für die Höhe von Honoraren. Diese sollten nach 14 Tagen bezahlt und aus den Eintrittspreisen und nicht durch Trinkgeld finanziert werden, da sonst das „finanzielle Risiko von den Veranstalter*innen auf die Performer*innen übertragen wird“. Wenn es keinen ordentlich ausgestatteten Backstagebereich gibt, sollten Taxikosten übernommen werden, da der öffentliche Nahverkehr nachts für Performer*innen nicht sicher sei.

© Mayra Wallraff
Es geht um den Abbau von Zugangsbarrieren für Performer*innen und Publikum. Und darum, die Solidarität in der Szene vor dem Hintergrund von Rassismus, Ableismus, Trans- und Homofeindlichkeit zu stärken. Eigentlich, möchte man meinen, Selbstverständlichkeiten – gerade in der queeren Community. Doch nachdem die Performer*innen an diesem Abend an das Mikro getreten sind, bleibt wenig von dieser Gewissheit.
So erzählt Performance-Künstler*in The Darvish von einem Festival, das deren Rechnung erst nach einem Jahr bezahlt habe. Die Burlesque Performerin Lolita Va Voom von einem Gig an Neujahr, nach dem sie nur die Hälfte des vereinbarten Honorars erhielt. Eine ganze Monatsmiete fehlte plötzlich. Mad Kate berichtet vom ersten eigenen Honorar, das lediglich 80 Euro betragen habe. Bis heute sei das kaum besser geworden.
Eines gibt es dann aber doch umsonst. Am Ende des Abends tritt Fagatha Crispy noch einmal an das Mikrofon und richtet sich an angehende Performer*innen und Veranstalter*innen: „Bitte wendet euch für kostenlose Beratung an D.R.A.G. Berlin.“ Gelebte Solidarität in der Community.
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