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Der Angeklagte spricht vor der Urteilsverkündigung im Saal im Landgericht mit seinem Verteidiger Siegmund Benecken.

© dpa/David Inderlied

Nach tödlicher Gewalt beim CSD Münster: Täter zu Jugendstrafe verurteilt

Der 20 Jahre alte Angeklagte wurde in Münster wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu fünf Jahren Jugendstrafe verurteilt.

Rund sieben Monate nach dem gewaltsamen Tod eines jungen trans Manns beim Christopher Street Day in Münster ist der 20-jährige Angeklagte zur einer Jugendstrafe von fünf Jahren verurteilt worden. Das Landgericht sprach ihn wegen Körperverletzung mit Todesfolge schuldig und ordnete eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für suchtkranke Straftäter an.

Damit folgte das Gericht der Forderung der Staatsanwaltschaft. Der Angeklagte habe keinen Tötungsvorsatz gehabt, hatte der Staatsanwalt im Prozess gesagt. Auch wenn er ein „geübter Boxer“ sei, habe er sich über einen „eventuell tödlichen Ausgang“ keinerlei Gedanken gemacht.

Der Verurteilte hatte im vergangenen August den 25-jährigen Malte C. am Rande des CSD von Münster so stark gestoßen, dass dieser mit dem Hinterkopf auf den Asphalt schlug und später an den Folgen seiner Verletzungen starb. Der zunächst flüchtige Täter konnte einige Tage nach der Attacke gefasst werden.

Im Prozess hat er ein vollumfängliches Geständnis abgelegt – „von echter Reue getragen“, wie die Staatsanwalt mitteilte. Der junge Mann sei voll schuldfähig, aber noch Heranwachsender. Infolge schwieriger Lebensumstände sei er deutlich entwicklungsverzögert, hieß es in seinem Plädoyer. Die Anklage geht davon aus, dass der 20-Jährige auch in Zukunft weiter Gewalttaten begehen wird. Er sei immer wieder durch Fälle von Körperverletzung aufgefallen, einmal verurteilt worden.

Im Jugendstrafrecht steht der Erziehungsgedanke im Vordergrund. Eine Vertreterin der Jugendgerichtshilfe sprach von einem „noch nicht gefestigten“ Menschen. Sie verwies auf eine schwache, psychische Stabilität, erhebliche familiäre Belastungen von Kindheit an und eine schwierige Eingewöhnung vom tschetschenischen in den neuen deutschen Kulturkreis mit etwa zwölf Jahren.

Der Russe habe Angst vor einer Abschiebung und Bedrohung seiner Familie in die russische Teilrepublik Tschetschenien. Die psychiatrische Gutachterin Martina Redeker meinte, der 20-Jährige brauche noch viel Zeit, um „nachzureifen“. Nach ihrer Einschätzung waren die Schläge gegen Malte C. „sicher platziert“, trotz Alkoholkonsums gebe es keine Anzeichen für eine Bewusstseinsstörung, sein Erinnerungsvermögen sei gut.

Er sei abhängig von Cannabis, Alkohol und missbrauche ein Arzneimittel. Die Sachverständige beschrieb eine extrem schwierige Kindheit mit einem gewalttätigen Vater, einer schwerstkranken Schwester, bis heute präge ihn ein „depressiver Modus“. Nur sein zeitweises Boxen in Deutschland habe ihn vorübergehend stabilisiert.

Redeker attestierte dem Angeklagten eine Persönlichkeitsstörung, er sei aber „zu Empathie und Perspektivwechsel“ fähig. Er habe angegeben, schwul zu sein und fast paranoide Angst davor, dass seine Homosexualität für ihn und seine Familie schwere Folgen haben könnte. Der Mann habe „glaubwürdig negiert“, dass er eine homophobe oder transfeindliche Haltung habe, schilderte die Psychiaterin mit Blick auf seine mutmaßliche Tat beim CSD.

Auch die Staatsanwaltschaft sah keine homophobe, trans- oder queerfeindliche Grundeinstellung – auch wenn seine Beleidigungen gegenüber CSD-Teilnehmenden diesen Charakter gehabt hätten. Die Anklage gehe davon aus, dass der 20-Jährige schwul sei. Der Verteidiger betonte, eine Ausweisung nach Tschetschenien wäre für seinen Mandanten „schlichtweg eine Katastrophe“.  Die Anklage verlangte, eine alkoholbedingte Enthemmung nicht strafmildernd zu bewerten. Der Mann habe gewusst, dass er unter Drogenkonsum zu Gewalt neige. Die Schwere der Tat solle entsprechend strafverschärfend gewertet werden. (dpa)

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