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Egmont Fassbinder (1945-2023).

© Salzgeber

Verleger und Schwulenaktivist: Egmont Fassbinder ist tot

Er gehörte zu den prägenden Charakteren der Schwulenbewegung West-Berlins und leitete den Verlag Rosa Winkel. Jetzt ist Egmont Fassbinder mit 77 Jahren gestorben.

Sich ein Zeichen der Verfolgung aneignen und es selbstbewusst umdeuten – das war die Idee, als Aktivisten der Homosexuellenbewegung in den siebziger Jahren begannen, auf der Spitze stehende rosafarbene Dreiecke zu verwenden. Das Symbol ging zurück auf die Stoffaufnäher, mit denen Schwule in den Konzentrationslagern gekennzeichnet worden waren.

Der West-Berliner Verlag Rosa Winkel trug das Selbstermächtigungszeichen im Namen und im Logo. Gegründet 1975 als Kollekiv-Projekt in West-Berlin war es der erste auf schwule Literatur spezialisierte Verlag der Nachkriegszeit und machte unter anderem die Schriften von schwulen Vorkämpfern wie Magnus Hirschfeld oder Karl Heinrich Ulrichs zugänglich, brachte aber auch frühe Comics von Ralf König heraus. Überdies erschienen hier Bücher von Elmar Kraushaar, Michael Sollorz, Volkmar Sigusch und vielen anderen.

Die treibende Kraft war ab Ende der siebziger Jahre Egmont Fassbinder, der den Verlag aus seiner Wilmersdorfer Wohnung heraus führte. Seine Leidenschaft für die Literatur war dabei um einiges ausgeprägter als die für buchhalterische Genauigkeit. Der Einsatz für die schwule Sache prägte das Schaffen des 1945 im Rand des Schwarzwalds geborenen und seit 1965 in West-Berlin lebenden Egmont Fassbinder. So gehörte er 1971 zu den Mitgründern der Homosexuellen Aktion West-Berlin (HAW), die als Reaktion auf Rosa von Praunheims Film „Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt“ entstanden war.

„Die HAW begriff sich als Sammelbecken der linken Homosexuellen“, erinnerte sich Egmont Fassbinder 2017 in Jochen Hicks Dokumentarfilm „Mein wunderbares West-Berlin“, in dem er auf sympathisch-knorrige Weise auf die Zeit von Demos und Tuntenbällen zurückblickte. Die HAW entwickelte sich zu einer treibenden Kraft der West-Berliner Schwulenbewegung und Fassbinder war immer mittendrin. So gehörte er auch zu den Mitinitiatoren des SchwuZ, das zunächst in Schöneberg lag.

Das letzte Buch des Verlags Rosa Winkel erschien 2001, eine Reihe wurde vom Männerschwarm Verlag übernommen. Egmont Fassbinder, ein Cousin des Regisseurs Rainer Werner Fassbinder, fasste seine Motivation bei einer Preisverleihung einmal so zusammen: „Mein Ziel war stets die Emanzipation der Schwulen: Ihnen die Angst zu nehmen und identitätsstiftend zu wirken. Heute kann man sagen: Hat doch geklappt. Schwule sieht man überall. Noch immer trage ich meinen ‘Rosa Winkel’. Ich habe unverschämtes Glück gehabt: Ich lebe noch!“

Jetzt ist sein unverschämtes Glück zu Ende gegangen. Egmont Fassbinder ist am 15. Mai in Berlin gestorben. Er wurde 77 Jahre alt.

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