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Im Schwulen Museum Berlin beschäftigt sich die Ausstellung „Rainbow Arcade“ mit queeren Games.

© Thilo Rückeis/Tagesspiegel

Wandel in Videospielen: Wenn Shooter-Games queer werden

Lange richteten sich Videospiele vor allem an weiße, heterosexuelle Männer. Doch der gesellschaftliche Wandel kommt in der Games-Branche an: Sie wird queer.

Videospiele sind wieder bunter. Es gab Zeiten, in denen dominierten die grau-braunen Schlachtfelder der virtuellen Spiele. Die grimmen Charaktere ohne Emotionen. Doch seit einigen Jahren wagen die Entwickler wieder die Farbe. Spiele wie „Overwatch“ oder „Fortnite“ strahlen in bunter Comic-Optik und selbst ein brutales Shooter-Spiel wie „Far Cry: New Dawn“ lässt die Welt in greller Buntheit erstrahlen.

Doch ist das nur Oberfläche und Marketing? Oder findet sich die Vielfalt auch in der Industrie selbst wieder? In den Charakteren und den Geschichten der Spiele selbst und in den Menschen, die diese herstellen? Kurzum, wie queer sind Videospiele und ihre Kultur eigentlich?

Es stimmt: Viele negative Stereotype und Vorurteile gelten weiterhin. Sehr lange dominierte der weiße, heterosexuelle Mann das Medium. Er war Hauptcharakter der meisten Spiele und er richtete sich an ein Publikum, von dem angenommen wurde, dass es in so jemandem sein virtuelles Alter Ego verkörpert sieht. Und ja, es stimmt auch, dass heute noch dieser weiße, heterosexuelle (in Videospielen jedoch nie alte) Mann von den meisten Covern der großen Spiele prangt.

"Schwul" wird oft als Schimpfwort benutzt

Ebenso stimmt es, dass es Online viele toxische Communities gibt – Versuche von einigen Gamern, die Diversität von „ihrem Medium“ fernzuhalten. Es stimmt, dass „schwul“ in Online-Spielen oft als Schimpfwort benutzt wird, dass queere Menschen nicht selten selbst in den virtuellen Welten noch beleidigt werden. Es stimmt auch, dass zu jedem queeren Charakter in einem Videospiel noch immer ein lauter, erboster Aufschrei gehört.

Doch die Games Week in Berlin beweist: Auch in digitalen Spielen spiegelt sich der gesellschaftliche Wandel. An sieben Tagen und einigen Events in der Kulturbrauerei zeigt sich die Diversität, die inzwischen ebenso ein fester Teil der Gamesbranche ist. Auf den großen Bühnen, etwa bei der Verleihung des Deutschen Computerspielpreises am Dienstag im Admiralspalast, sah man davon noch nichts.

Womenize, ein Event der Berliner Games Week

Queeres aber findet man auf der Games Week dennoch, wenn man genau hinschaut. Etwa die LGBT* Gaming Night, in der es schlicht darum geht, dass queere Gamer und jene, die in der Industrie arbeiten, sich beim Videospielen vernetzen können. Es gibt die Womenize, ein weiteres Netzwerk-Event, auf der Themen von – auch queeren – Frauen verhandelt werden. Denn von diesen gibt es sowohl in der Gamesbranche als auch unter Gamern selbst sehr viele – entgegen dem landläufigen Glauben, dass es sich um ein Jungs-Hobby handele.

Jeder Teilnehmer, jede Teilnehmerin der Games Week bekennt sich zudem zu einer Safe Space Policy – einem universellen Verhaltenskodex, der besagt, dass Diskriminierung jeder Art nicht toleriert wird. Dafür stehen zwei „Safe Space Heroes“, Mascha Camino und Lena Alter, bereit, die darauf achten, dass jedes Event ein geschützter Ort bleibt. Wenn nötig, rufen sie Sicherheitspersonal oder schalten die Polizei ein.

Das Hobby Gaming soll ein inkludierendes sein

Schon seit Dezember 2018 gastiert außerdem die „Rainbow Arcade“-Ausstellung im Schwulen Museum, in der die Entwicklung der queeren Games-Kultur dargestellt wird.

Kurzum – es entwickelt sich etwas. Diversität in Videospielen beginnt mehr zu sein als nur ein Nischen-Thema. Selbst auf der größten Messe der Spieleindustrie, der E3 in Los Angeles, die jedes Jahr im Juni stattfindet, finden diese Themen inzwischen Platz. Sie werden benannt, nicht verschwiegen. Selbst der Chef eines milliardenschweren Unternehmens wie Electronic Arts, Andrew Wilson, redet plötzlich darüber, dass Gamer nicht ausgrenzend sein sollten, dass das Hobby ein inkludierendes sei. Sicherlich treibt auch hier der Markt: Videospiele werden zu einem Massenmedium mit einer Vielzahl unterschiedlicher Ausprägungen: Handyspiele für die Wartezeit auf den Bus, Arthouse-Spiele, bei denen einzelne Designer ihre eigene künstlerische Vision verwirklichen wollen. So sprechen Games auch zunehmend jene – mitunter queere – Menschen an, die sich nicht als „Nerds“ verstehen.

Queere Charaktere bedeuten ein Stück Repräsentation

Doch auch in den Spielen selbst finden sich diese bunten Zwischentöne immer mehr – und eben nicht nur in der Grafik. Ein sehr erfolgreiches Spiel ist gerade etwa „Apex Legends“. Es ist ein sogenannter „Battle Royale“-Shooter in dem es darum geht, als letzter auf einem großen Schlachtfeld überlebt zu haben. Keine Spielart, in der man unbedingt komplexe Spielcharaktere erwartet. Und doch finden sich in diesem Spiel zwei queere Charaktere. Liest man die Charakterbeschreibung von Makao Gibraltar, erfährt man, dass dieser einen Freund hat. Der Charakter Bloodhound hingegen ist Non-Binary, möchte sich also weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht ganz zuschreiben.

Der Charakter Makao Gibraltar aus dem Spiel „Apex Legends“ ist schwul.
Der Charakter Makao Gibraltar aus dem Spiel „Apex Legends“ ist schwul.

© Electronic Arts

Es sind Details, die wohl nur denen ins Auge fallen, die auch danach suchen. Doch sind es Details, die vielen Spielern und Spielerinnen wichtig sein werden – weil sie ein Stück Repräsentation bedeuten. Das Heraustreten aus einem Schatten, der so lange vom weißen, heterosexuellen Hauptcharakter geworfen wurde.

Es ist wohl der Beginn einer Normalisierung. Je offener die Spiele-Branche wird, je mehr weibliche, nicht-weiße, queere Menschen sich in Entwicklerstudios wiederfinden, desto normaler wird auch der Blick auf die spielenden Menschen, die bisher kaum gesehen wurden. Und desto normaler dürfte es auch sein, irgendwann eine queere Frau zu haben, die vom Cover eines großen Blockbuster-Spiels prangt. In Deutschland möchte der Bund nun Geld ausgeben, um Videospiele zu fördern, Für eine buntere Landschaft von Computerspiel-Entwicklern in Deutschland und für Spiele, die nicht nur an der Oberfläche bunt sind, ist dies eine gute Nachricht.

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