
© Ilya Kagan
Pasteten mit Gämsenfleisch: Essen wie Gott im Elsass
In einem der schönsten Dörfer Frankreichs verknüpft der elsässische Spitzenkoch Olivier Nasti das Moderne mit dem Klassischen.
Stand:
Haben wir es beim „Le Chambard“ eher mit einem sehr guten Hotel mit Restaurant oder mit einem sehr guten Restaurant mit Hotel zu tun?
Für Zweiteres spricht auf jeden Fall der erste Eindruck. Betritt man die urige Auberge, ein altes Gasthaus aus dem 18. Jahrhundert an einem Dorfplatz mit Kopfsteinpflaster, Brunnen und knorriger Eiche, sieht man zuallererst: die Küche.
Hinter einem bodentiefen Panoramafenster werkelt eine vielköpfige Brigade konzentriert am Herd. Mit imposanter Kochmütze, der Toque, auf dem Kopf, in strahlend weißen Kochjacken und mit sichtbarem Handwerksstolz wird hier das Menü für den Abend vorbereitet: Saibling in Bienenwachs, zart geräucherter Aal, die Wachtel mit Haselnuss, das Hirschtatar mit Kaviar.

© Ilya Kagan
Links daneben, deutlich kleiner, ein Tresen, die Rezeption für die 33 Zimmer. Darüber ein Regal, das über die ganze Wand läuft. Darin stehen die Ausgaben des Guide Michelin seit 1901, von links nach rechts nach Jahrgang sortiert. Die frühen noch in ehrwürdigem Bordeaux-Rot, der Umschlag leicht abgegriffen.
Lange Liste der Würdigungen
Natürlich, da findet man Olivier Nasti auch in vielen Bänden. Seit knapp zwei Jahrzehnten schon ist der 56-Jährige im Guide Rouge gelistet, aktuell mit zwei Sternen. Vor zwei Jahren fand sogar im Elsass die jährliche Feier zur Verleihung der Sterne statt. Hartnäckig hielten sich im Vorfeld Gerüchte, dass es für ihn den dritten, den ultimativen Stern geben könnte.
Nun, dazu kam es nicht. An mangelnder Anerkennung leiden sie hier trotzdem nicht. Nur eine aktuelle Auswahl: Nasti war im auch nicht eben gnädigen „Gault & Millau“ Koch des Jahres 2022, Jordan Gasco, der bei ihm für das süße Finale zuständig ist, wurde im Michelin Patissier des Jahres 2023 und Jean-Baptiste Klein, der über den Weinkeller wacht, Sommelier des Jahres.
Man könnte die Liste der Würdigungen noch eine ganze Weile fortsetzten. Entscheidend ist: Wer nach Kaysersberg an der elsässischen Weinstraße kommt, will hier im „Le Chambard“ essen. Mindestens in der gemütlichen „Winstub“, die vorne im Haus und für ihr Sauerkraut berühmt ist. Aber eigentlich reist man an, um einmal im eleganten Gourmet-Restaurant „La Table d’Olivier Nasti“ zu speisen.
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An wenigen Stellen ist das Elsass so hübsch wie hier. Die Fachwerkhäuser sind eingebettet in sanfte Weinberge am Fuße der Vogesen, ein Fluss mit alter Mühle schlängelt sich durch das Tal. Links und rechts der engen Gassen sind alte Kirchen und mittelalterliche Stadtmauern, an den Türen schmiedeeiserne Weinreben, die Fenster aus Butzenscheiben, eine Burgruine auf einer Anhöhe komplettiert das Romantik-Ensemble. Zum schönsten Dorf Frankreichs wurde Kaysersberg vor ein paar Jahren gewählt. Besonders stimmungsvoll ist es im Herbst, wenn sich die Blätter der Weinberge färben.
Passionierter Jäger und Angler
Die Natur. Für Nasti ist sie die zentrale Inspiration. Er gilt als der elsässischste der elsässischen Köche. Dabei kommt er gar nicht hierher. Geboren in Belfort etwas weiter südlich übernahm er im Jahr 2000 die alte Auberge und verwandelte sie mit seiner Frau Patricia und mittlerweile mit seinen Töchtern zu einer der ersten Adressen in der Gegend. Auf Augenhöhe mit der Auberge de L’Ill im nahen Illhaeusern, einem der berühmtesten Restaurants der Welt. Zum Botschafter der Elsässer Küche wurde er, weil er praktisch nur serviert, was er aus der Region bezieht.

© Ilya Kagan
Dazu gehört bei ihm unbedingt Wild. In der rustikalen Marius Bar im Erdgeschoss hängen zahlreiche ausgestopfte Tiere an den Wänden aus Naturstein. Gämsen, Rehe, sogar ein Hirsch, alle erlegt vom Chef persönlich. Nasti, der auch passionierter Angler ist, betreibt die Ansitz-Jagd. Heißt: Er beobachtet das Wild sehr genau und über lange Zeit aus der Höhe, bevor er abdrückt.
In der Küche wiederum setzt er das Fleisch sehr subtil in Szene. Statt das Wild zu braten, pochiert er es in brauner Butter, sodass sich keine Kruste bildet, die das Fleisch außen austrocknen würde. Vorher erwärmt er es auf eine Kerntemperatur von 56 Grad. So kommt der feine Geschmack perfekt zur Geltung. Statt mit üppigen Saucen mit viel Butter und Gewürzen begleitet Nasti seinen berühmten Reh-Gang mit dem, was das Tier im Wald selbst isst: Fichtensprossen, Kräuter, Nüsse, Beeren.

© Le Chambard
Wild serviert er das ganz Jahr über, nicht wie sonst üblich nur im Herbst und Winter, und vielleicht noch kurz den Maibock im Frühling. Warum? „Nun, es schmeckt doch völlig anders, je nachdem, wann man es isst“, insistiert Nasti. Knabbern die Rehe, Hirsche und Gämsen an jungen Trieben, Blumen und frischen Kräutern, ist auch ihr Fleisch zarter. Sowieso ist für ihn der Frühling und Sommer die beste Saison für Wild. Im Herbst dagegen, zum Ende der Brunft, verlieren etwa die Hirschböcke an Gewicht, ihr Fleisch wird dadurch fester und weniger aromatisch.
Der Wein kommt vom Berg gegenüber
In seiner Küche kombiniert Nasti gern das Moderne mit dem Klassischen, etwa mit seinen hinreißenden Pasteten aus Gämsenfleisch. Das gilt auch für die Weine. Der imposante Keller mit 5000 Positionen dokumentiert, warum das Elsass gerade zu den aufstrebenden Weinregionen zählt, ähnlich wie das nahe gelegene Jura vor ein paar Jahren. „80 Prozent der Flaschen sind von hier“, sagt Klein und gießt einen leicht oxidierten Riesling ein zu einer Pâté en Croûte. Er kommt vom Schlossberg, den man von Kaysersberg sehen kann, die älteste Grand-Cru-Lage in der Gegend.

© Ilya Kagan
„In den letzten Jahren haben einige Winzer angefangen, Orange-Weine zu produzieren, etwa aus Gewürztraminer, der hier viel angebaut wird“, sagt Klein. Es sei die beste Gegend für die charakterstarken, maischevergorenen Weine in Frankreich, findet der Sommelier. Und sie passen perfekt zur Küche. Klein setzt sie gerne als Begleitung ein zu einem Gericht, das wie kein zweites für das Elsass steht. Das Sauerkraut.
Am Eingang der „Winstub“ mit ihren urigen Holzbänken macht es sich der Labrador der Familie Nasti, er heißt tatsächlich Tartare, unter dem Stammtisch gemütlich. Auf der Schiefertafel stehen Schnecken in Knoblauchbutter, Baeckeoffa und natürlich Choucroute royale, wie sie es hier weihevoll nennen.
Die Kohlköpfe kommen aus dem nahen Krautergersheim, wo drei Viertel des in Frankreich gegessenen Sauerkrauts herstammt. Das milchsauer eingelegte Gemüse köchelt Nasti lange mit Schmalz, Speck, Riesling und vielen Gewürzen. Serviert wird es mit Kartoffeln und rekordverdächtigen neun verschiedenen Wurst- und Fleischsorten. Geräuchert und gepökelt, mehr feist als fein, aber ein Erlebnis, das man so schnell nicht vergisst, genau wie das hübsche Kaysersberg.
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