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Prinz Harry wettert gegen das Establishment.

© picture alliance/dpa/PA Media

„Unerbittlich rassistisch und frauenfeindlich“: Prinz Harry versteht keinen Spaß mehr

Vor der Veröffentlichung seiner Autobiographie „Reserve“ gibt der britische Prinz Fernsehinterviews. Und rechnet mit der Berichterstattung über Meghan und ihn ab.

Tagelang gab es nur ausgewählte, teilweise sich widersprechende Clips zu sehen. Am Sonntagabend konnten die Briten endlich selbst überprüfen, wie weit sich der mittlerweile in Kalifornien lebende Fünfte der Thronfolge von der britischen Monarchie unter seinem Vater König Charles entfremdet hat.

90 Minuten lang stand Prinz Harry, 38, dem Anchorman des Kommerzsenders ITV, Tom Bradby, Rede und Antwort – von den schmerzhaften Erinnerungen rund um den Tod seiner Mutter Diana 1997 über die Auseinandersetzungen mit seinem älteren Bruder, dem Thronfolger William, bis zur Gegenwart seines Lebens mit Herzogin Meghan und den beiden Kindern Archie und Lilibet in Kalifornien. Wenig später strahlte auch der US-Sender CBS ein Harry-Interview aus.

Bradby, 55, gehört spätestens seit seiner Zeit als Königshaus-Reporter zu den Vertrauten beider Prinzen, durfte an beiden Hochzeiten teilnehmen und bekam auch früher schon exklusiven Zugang zu William und Harry. So war er auch dabei, als das Herzogspaar von Sussex noch im Auftrag der Queen im Oktober 2019 mehrere Staaten Afrikas besuchte.

Berühmt wurde damals Bradys Frage an Meghan, ob sie „ok“ sei. Danke der Nachfrage, erwiderte die Herzogin den Tränen nahe, aber nein, es gehe ihr nicht sonderlich gut: Das Leben als Royal sei doch ziemlich schwierig. Die sensationelle öffentliche Beichte im Stil amerikanischer Celebrities verstieß gegen den geltenden Comment der gefühlskalten „Firma“, die bis heute nach dem Motto „Niemals erklären, niemals entschuldigen“ handelt. Wenige Monate später vollzog das Paar die Flucht nach Nordamerika.

Dass Harry für das Interview anlässlich der Veröffentlichung seiner Autobiographie „Reserve“ als Fragesteller Bradby auswählte, dürfte mehr dessen journalistischer Glaubwürdigkeit geschuldet sein als der Vergangenheit als royal correspondent. Von den Profi-Berichterstattern der Monarchie hält der Prinz nämlich wenig, wie er in der kürzlichen Netflix-Serie unmissverständlich verdeutlichte: Darin beschrieb er sie kollektiv als „lediglich der verlängerte PR-Arm der Königsfamilie“.

Feindselig gegenüber der Presse

Die Feindseligkeit gegenüber der Presse, vor allem deren ungestümen Fotografen, teilt Henry Charles Albert David Windsor, von aller Welt nur Harry genannt, mit dem längst entfremdeten Bruder. Seit langem geben die Prinzen den Paparazzi mindestens die Mitschuld am Unfalltod ihrer damals 36-jährigen Mutter Diana in einem Pariser Straßentunnel 1997.

In Harrys Fall trat eine Radikalisierung seit der Zeit ein, als 2016 die Amerikanerin Meghan Markle in sein Leben trat. Öffentlich bestätigt wurde die Beziehung in einer bis dahin beispiellosen Erklärung aus Harrys damaligem Wohnsitz Kensington-Palast: Die Tochter einer schwarzen Mutter und eines weißen Vaters sei „einer Welle von Schmähungen und Belästigungen”, Anspielungen auf ihre Hautfarbe in der Presse sowie „offenem Sexismus und Rassismus” im Internet ausgesetzt.

Ausdrücklich widersprach der Prinz der weitverbreiteten Meinung, so etwas müssten Prominente nun einmal aushalten. „Das ist kein Spiel.”

„Giftig oder pappsüß“

In der kürzlichen Neuauflage ihrer glänzenden Charles-Biographie „Mit dem Herzen eines Königs“ (Heyne-Verlag) hat Catherine Mayer die Beziehung zwischen dem einst als Party-Prinz verhöhnten, später als Helden-Prinz gefeierten Harry und den britischen Medien analysiert. Deren Reaktion auf die selbstbewusste, geschiedene Schauspielerin habe sich von Anfang an weitgehend zwei Kategorien zuordnen lassen: „Giftig oder pappsüß“.

Vor allem die Boulevardblätter hätten sich der Herzogin gegenüber „unerbittlich rassistisch und frauenfeindlich“ verhalten, urteilte die Autorin und Mitgründerin der Gleichberechtigungspartei ‚Women’s Equality Party‘ am Sonntag in einem BBC-Interview.

Während Harry und Meghan von älteren Briten ganz schlechte Noten erhalten, wächst die Sympathie für das Herzogspaar, je jünger die Befragten sind. In den Internet-basierten Plattformen, aus denen junge Leute den Großteil ihrer Informationen beziehen, sowie in den USA scheinen Harry und Meghan hingegen den Medienkrieg zu gewinnen.

Jedenfalls lautet so die Wahrnehmung von Tina Brown, 68, der in New York lebenden Autorin der „Palace Papers“: Mit der sechsteiligen Netflix-Serie habe sich das Herzogspaar als Daueropfer der Monarchie etabliert.

In Großbritannien bietet die königliche Seifenoper den überwiegend konservativen, die Regierung von Premier Rishi Sunak unterstützenden Medien die Chance, vom Versagen der seit knapp 13 Jahren regierenden Konservativen abzulenken.

Statt den Ursachen der Krise im Gesundheitssystem NHS oder der komplett fehlgeschlagenen Eisenbahnprivatisierung auf den Grund zu gehen, widmeten sie Harrys im ITV-Interview vorgetragenen Vorwürfe Dutzende von Seiten.

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