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Berlin-Besuch. Ein Dankeschön für die Gastgeber muss aber sein.

© Foto: imago images/CHROMORANGE

Verletzte Gefühle gegenüber Freundin: Gastfreundschaft bei Berlin-Besuch bleibt ohne Dankeschön

Unsere Autorin erklärt, wie man mit komplizierten Situationen so umgeht, dass es keine Verstimmungen gibt. Diesmal: Die Gastfreundschaft wird für selbstverständlich genommen.

Elisabeth Binder
Eine Kolumne von Elisabeth Binder

Stand:

Lotte, gastfreundlich, fragt: Meine Freundin war fünf Tage zu Besuch in Berlin. Ich habe für sie extra eine Torte mit Berliner Motiven gebacken, um ihr eine Freude zu machen. Die Torte wurde nur belächelt und sie aß auch nur ein Stück davon. Des Weiteren bezahlte sie in der ganzen Zeit kein einziges Taxi und lud meinen Mann und mich auch nie zum Essen oder Kaffeetrinken ein. 

Ich habe ihr etliche Highlights in Berlin gezeigt und hatte den Eindruck, dass für sie alles selbstverständlich ist. Auch zum Ende des Besuchs kam nicht einmal ein Dankeschön. Mein Mann und ich sind so enttäuscht von ihr, dass wir überlegen, den Kontakt abzubrechen. 

Elisabeth Binder antwortet: Für groben Undank gibt es keine Entschuldigung

Die Episode, die Sie schildern, ist wirklich kaum zu glauben. Dass sich jemand so dermaßen danebenbenimmt, wie es Ihre Freundin offensichtlich getan hat, ist schwer vorstellbar.

Mögliche Erklärungen wären eine schlechte seelische Verfassung oder, dass Sie der Freundin aus irgendeinem Grund den Eindruck vermittelt haben, sie täte Ihnen einen besonderen Gefallen mit ihrem Besuch. Das wäre aber auch keine Entschuldigung für groben Undank beziehungsweise das Verweigern jeglicher Wertschätzung für Ihre offenbar doch liebevollen Bemühungen.

Ein Abschiedsgeschenk ist immer drin

Selbst wenn sie über sehr viel weniger Geld verfügen sollte als Sie und Ihr Mann, wäre ein persönlich geschriebenes Dankeschön-Kärtchen in Verbindung mit einem kleinen Abschiedsgeschenk, einer Schachtel Konfekt zum Beispiel oder Blumen, das Mindeste – und ohne finanziellen Aufwand leistbar.

Sie haben Recht mit der heimlichen Erwartung, dass ein Gast auch mal das Taxi bezahlt oder eine Restaurantrechnung übernimmt. Ihre Freundin muss schon ein extrem dickes Fell haben, um all das, was Sie ihr bieten, einfach so anzunehmen, ohne das Gefühl zu bekommen, sich in irgendeiner Weise revanchieren zu müssen, beziehungsweise bedanken zu wollen.

Sie kennen Ihre Freundin und können am besten einschätzen, ob es ihr schlicht an guter Kinderstube fehlt. Dass jemand eine Torte nicht isst, die für ihn oder sie gebacken wurde, kann ich am ehesten verstehen. Vielleicht macht sie gerade eine Diät, über die sie nicht sprechen mag oder leidet unter Unverträglichkeiten.

Man würde die Torte dann aber doch loben und fotografieren und nicht nur belächeln. Da es eine Freundin ist, würde ich den Kontakt nicht unbegründet abbrechen. Ich glaube, dass Sie es ihr um der Freundschaft willen schuldig sind, sie auf ihre Defizite aufmerksam zu machen.

Dass es Ihnen peinlich wäre, Dank einzufordern, ist klar. Gastfreundschaft ist bestenfalls bedingungslos. Aber das schließt nicht aus, dass es menschliche Enttäuschungen gibt, die weh tun. Zwar ist es einfacher, die Beziehung wortlos zu beenden. Wenn Sie es über sich bringen können, wählen Sie lieber trotzdem den schwierigeren Weg.

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