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Versuchter Mord an einem Neonazi: Mutmaßliche Linksextremistin vor Gericht – Verteidiger beklagen „Dämonisierung“
Die mutmaßliche Linksextremistin Hanna S. soll im Umfeld eines Rechtsextremisten-Treffens in Budapest Menschen angegriffen haben. Die Verteidigung hält den Prozess in der Form für überzogen.
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Vor einem restlos gefüllten Zuschauerraum und begleitet von scharfen Sicherheitsvorkehrungen hat in München der Prozess gegen eine mutmaßliche Linksextremistin wegen versuchten Mordes begonnen. Die Bundesanwaltschaft wirft Hanna S. vor, gemeinsam mit anderen im Februar 2023 im Umfeld eines Rechtsextremisten-Treffens in der ungarischen Hauptstadt Budapest drei Menschen angegriffen zu haben, die der rechten Szene zugeordnet wurden.
Der Prozess vor dem Oberlandesgericht München ist das erste Strafverfahren in Deutschland im sogenannten Budapest-Komplex. Der Anklage zufolge war die 30-Jährige Teil einer linksextremistischen Vereinigung, deren Mitglieder einen militanten Antifaschismus sowie die Ablehnung des staatlichen Gewaltmonopols teilten und mit Gewalt gegen politisch Rechte vorgingen.
Die Verteidigung beklagte in ihrer Eröffnungserklärung eine „Dämonisierung und Stigmatisierung“ der Studentin. Die Anklage des versuchten Mordes durch die Bundesanwaltschaft vor dem Staatsschutzsenat und die Verhandlung in einem Saal auf dem Gelände der Justizvollzugsanstalt Stadelheim seien völlig überzogen, die Argumentation konstruiert.
Hanna S. war laut Anklage an zwei Angriffen beteiligt. Die Geschädigten waren aus einer Gruppe heraus mit Schlagstöcken, einem Hammer und Pfefferspray drangsaliert worden. Beim ersten Angriff erlitt ein Mann schwere Kopfwunden, beim zweiten waren vor allem Prellungen und Platzwunden die Folge.
Die Bundesanwaltschaft wirft der Studentin versuchten Mord, gefährliche Körperverletzung und die Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung vor. Das Oberlandesgericht München hat jedoch bereits darauf hingewiesen, dass bei einer etwaigen Verurteilung statt versuchten Mordes auch „nur“ gefährliche Körperverletzung in Betracht kommen könnte. Die Verteidigung wiederum betont, dass die Anklage jeglicher Grundlage entbehre.
Bis zu einer rechtskräftigen Verurteilung gilt für die Deutsche wie immer die Unschuldsvermutung. Vorerst sind 32 Verhandlungstermine geplant, das Urteil könnte Ende September fallen.
Die angeklagten Vorfälle hatten sich laut Bundesanwaltschaft rund um den sogenannten „Tag der Ehre“ in Budapest ereignet. Jedes Jahr kommen dort Rechtsextremisten aus ganz Europa zusammen, um des Ausbruchsversuchs der deutschen Wehrmacht, der Waffen-SS und ihrer ungarischen Kollaborateure aus der von der Roten Armee belagerten Stadt zu gedenken.
Hanna S. kann weiterhin auf Unterstützung in der linken Szene setzen: Trotz klirrender Kälte hatten vor Prozessbeginn rund 100 Menschen vor dem Verhandlungsgebäude an einer friedlichen Kundgebung teilgenommen und die Deutsche im Anschluss zu Beginn der Sitzung mit Applaus und „You are not alone“-Rufen begrüßt. (dpa)
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