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Wappen der einzelnen Gruppen.

© Gestaltung: Tagesspiegel | Screenshots: Tagesspiegel, public domain, freepik

Ein König, ein Kaiserreich und Mr. Germany: Wer sind die Reichsbürger?

23.000 Deutsche gehören einer Bewegung an, die die Bundesrepublik durch ein neues Reich ersetzen will. Ein Überblick über die wichtigsten Gruppen.

Seit der bundesweiten Razzia, bei der Polizisten im vergangenen Dezember 130 Objekte durchsuchten, sind die Reichsbürger wieder in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Laut Verfassungsschutz hat die Szene inzwischen 23.000 Anhänger, Tendenz steigend, viele sind bewaffnet und rechtsextrem. Was sie eint, ist die Ablehnung der Demokratie. Deutschland sei kein souveränes Land, die Bundesrepublik ein illegales Konstrukt. Aber damit enden die Gemeinsamkeiten schon. Wer sind die wichtigsten Akteure, und welche Ziele verfolgen sie? Ein Überblick.


Staatenbund Deutsches Reich

Ein Zusammenschluss diverser Reichsbürgergruppen, die Fantasiestaaten wie die „Republik Baden“ oder den „Freistaat Preußen“ gegründet haben. Seine Mitglieder glauben daran, das Deutsche Reich habe 1945 überdauert. Deshalb wollen sie den Zweiten Weltkrieg durch einen Friedensvertrag beenden: Dabei sollen Polen, Tschechien und die Slowakei jeweils Staatsgebiete abtreten. Frankreich, Belgien und Luxemburg dürfen ihre Gebiete behalten, sollen als Entschädigung aber jährlich Geld zahlen.

Das Wappen des Staatenbunds Deutsches Reich. 

© public domain / public domain


Bismarcks Erben 

Schnell wachsende, erst vor vier Jahren gegründete Gruppierung. Will eigene Verwaltungsstrukturen inklusive eines Polizeiappartats aufbauen. Glaubt, die Rechtsordnung des Deutschen Kaiserreichs von 1871 sei noch in Kraft – man müsse bloß die Handlungsfähigkeit des Reichs wieder herstellen und ein Mitglied der Hohenzollern als Kaiser einsetzen. Dieser könne dann den Ersten Weltkrieg beenden, der bis heute andauere. Anhänger der Gruppe treten auch unter dem Namen „Vaterländischer Hilfsdienst“ auf.

Das Emblem von Bismarcks Erben.

© Screenshot: Tagesspiegel / Screenshot: Tagesspiegel


Reich Ur

Manche „Staatsgründungen“ umfassen nur einzelne Grundstücke. So auch das Reich Ur, das der ehemalige „Mister Germany“ Adrian Ursache mit seiner Familie in Reuden bei Leipzig ausrief. Als sein Haus wegen Schulden in Höhe von 150.000 Euro zwangsgeräumt werden sollte, drohte er öffentlich, „jeden abzuschlachten“, der dies wage. Beim Anrücken der Polizei schoss er einem Beamten mit dem Revolver ins Gesicht. Wegen versuchten Mordes wurde Adrian Ursache 2019 zu sieben Jahren Haft verurteilt.

Das Abzeichen des Reich Ur.

© Screenshot: Tagesspiegel


Geeinte deutsche Völker und Stämme (GdVuSt)

Von Berlin aus wollte die Gruppe Deutschland regieren. Dafür sollten nach der Machtübernahme alle Schulen im Land für zwei Jahre geschlossen und erstmal neue Lehrpläne ausgearbeitet werden. Außerdem hatte die Gruppe zahlreiche geheime „Gerichte“ gegründet, um Unwillige zu bestrafen.

Nach einem Verbot durch den Bundesinnenminister 2020 machten die Reichsbürger einfach weiter. Das hatte nun Folgen: Im November wurde Anführerin Heike Werding (Eigenbezeichnung „Heike, Weib aus der Familie Werding“) zu einer Haftstrafe von dreieinhalb Jahren verurteilt – unter anderem wegen Verstoßes gegen das Vereinigungsverbot und Volksverhetzung.

Das Emblem der GdVuSt.

© Screenshot: Tagesspiegel

Nationale Befreiungsbewegung Deutschland

Sie ist in Berlin oft auf der Wiese vor dem Reichstag präsent. Ihr Leiter ist der frühere NPD-Kader Rüdiger Hoffmann, der bereits wegen versuchten Mordes im Gefängnis saß. In den 1990ern hatte er einen Angriff auf ein Asylbewerberheim organisiert. Heute erklärt Hoffmann in stundenlangen, erratischen Videos, wieso andere Reichsbürgergruppen unlogisch argumentieren und nur er selbst die politischen Zusammenhänge versteht.

In seinem Heimatort Wittenburg in Mecklenburg-Vorpommern versperrt die Verwaltung beide Treppenaufgänge zur Rathausempore mit Bauzäunen, damit Hoffmann von dort keine Reden mehr halten kann, was er zuvor jeden Donnerstag tat.

Das Wappen der Nationalen Befreiungsbewegung Deutschland.

© Screenshot: Tagesspiegel


Germanitien

Wurde 2007 im baden-württembergischen Westerheim gegründet. Die Mitglieder wollten per Unterschrift aus der Bundesrepublik austreten, entwarfen eigene Führerscheine und forderten Sonderrechte ein, da sie sich als „indigenes Volk“ betrachteten. Mittlerweile bezeichnet sich der gelernte Heizungsbauer Stefan Ratzeburg alias „König Stefan 1 von Preußen“ als Staatsoberhaupt der Germaniten.

Sein Führungsanspruch ist intern jedoch umstritten. Ratzeburg behauptet, er stehe in der Erbfolge einer bislang unbekannten Linie der Hohenzollern. Seine Proklamation fand am Hermannsdenkmal bei Detmold statt. Später gab er bekannt, keinesfalls mit Vertretern der Bundesrepublik verhandeln zu wollen, wohl aber mit den Vereinten Nationen.

Das Abzeichen von Germanitien.

© PR / Screenshot TSP


Exilregierung Deutsches Reich

Wird geleitet vom selbsternannten „Reichskanzler“ Norbert Schittke aus Egenstedt bei Hildesheim und wird vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestuft. Schittke stellt gegen Geld falsche Reisepässe und Führerscheine aus. Er stand bereits etliche Male vor Gericht, unter anderem wegen Volksverhetzung.

Zuletzt wurde er vom Amtsgericht Hildesheim zu drei Monaten Haft auf Bewährung wegen Urkundenfälschung verurteilt, blieb aber uneinsichtig und warf der Richterin „Amtsanmaßung“ vor: Sie dürfe gar nicht über ihn urteilen. Andere Reichsbürgergruppen bezeichnet er als „Spinner“. Schittkes Gruppe besteht auf der Existenz des Deutschen Reichs in den Grenzen von 1937.

Das Wappen vom „Kaiserreich Deutschland“, an das die Exilregierung glaubt.

© Screenshot: Tagesspiegel


Königreich Deutschland

Hat sein Zentrum in Wittenberg, Sachsen-Anhalt. Sein selbsternanntes Staatsoberhaupt gilt als bekanntester Reichsbürger Deutschlands: Peter Fitzek, von seinen Anhängern ehrfürchtig „Imperator Fiduziar“ genannt. Der 57-jährige Karatelehrer musste sich schon mehrfach vor Gericht verantworten. Aktuell will Fitzek eine eigene Währung namens „Neue Deutsche Mark“ einführen.

Das Emblem des Königreichs Deutschland.

© Screenshot: Tagesspiegel

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