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Sam Frenzel: Wunderkammer in Wedding

Sam Frenzel hat im Sommer einen Nachwuchspreis gewonnen – jetzt muss er zeigen, was er kann.

Er ist der Chef. „Ich bin hier zwar der Kleinste, aber ich bin Sam Frenzel.“ So begrüßt der Designer seine Models, die in sein Atelier kommen, um Kleider für seine Modenschau anzuprobieren. Es ist Montag – noch zwei Tage, dann wird Sam Frenzel zeigen, was er sich in zweieinhalb Monaten ausgedacht hat. So lange ist es her, seit er in Paris einen Anruf von Peek & Cloppenburg (P&C) bekam.

Im Sommer hatte das Bekleidungshandelsunternehmen ihm den Preis als besten „Designer for Tomorrow“ verliehen. So heißt der Wettbewerb, der ab jetzt jährlich auf der Berliner Fashion Week von P&C ausgetragen wird.

Eine eigene Kollektion? Da musste Sam Frenzel erst einmal eine Nacht drüber schlafen. Immerhin hatte er gleich mehrere Jobangebote von Pariser Luxushäusern – im Oktober half er zuletzt bei den Vorbereitungen zur Chloé-Schau. Die Frage, die er sich stellte, war: Ein Assistent unter vielen in Paris zu bleiben oder in Berlin den ganzen Applaus am Ende seiner Schau entgegennehmen? Er entschied sich für die idealistische Lösung und zog in den Wedding.

Sein Atelier wirkt ein wenig wie eine improvisierte Wunderkammer. Es ist ein heillos überhitzter Raum, in dem drei große, weiße Tische stehen, beladen mit Pappkartons, voll mit goldenen Schnallen, glitzernden Pailletten, Knöpfen und grob gestrickten, neonpinkfarbenen und wollweißen Bustiers. Weil die Zeit so knapp war, wurden alle Kleider, Taschen und die kleinen Wollhauben in Berlin gefertigt. Gerade näht die Hutmacherin die Schnallen an, bringt die Schneiderin einen mit Farbe bespritzten Overall vorbei.

Sam Frenzel ist keine gespaltene Persönlichkeit. Ihm macht es sichtbar Spaß, dass er derjenige ist, der das Sagen hat. „Kinders“, sagt er zu seinen Mitarbeitern, als zwei Models hereinkommen, „jetzt müsst ihr lernen, parallel zu arbeiten.“ Das bedeutet: Zwei Models gleichzeitig anzuziehen, um zu sehen, in welchem Outfit sie später über den Laufsteg geschickt werden.

Der 29-Jährige kann das schon längst. Seit fünfeinhalb Jahren arbeitet er immer mal wieder in Paris bei Chloé, Christian Lacroix, Dior, während er in Berlin sein Modedesignstudium an der Hochschule für Technik und Wirtschaft ruhen ließ. Dass er sein Studium vor vier Monaten beendete, hat er auch seiner Mutter zu verdanken. „Die hätte mich sonst an den Ohren zurück nach Berlin gezogen.“ Sam Frenzel ist ein idealtypischer Einwohner dieser Stadt, seine Mutter ist Ostberlinerin, sein Vater Türke.

Obwohl es ihm jedes Mal schwerer fiel, wieder aus Paris zurückzukehren, um sich hier von seinen Professoren für jede krumme Naht rechtfertigen zu müssen. „Aber dafür kann mir jetzt niemand mehr etwas vormachen, handwerklich bin ich perfekt.“

Sam Frenzel hat auch bei den „alten Genies“, wie er seine Arbeitgeber in Paris nennt, viel gelernt. Keine Handbewegung, die er nicht kommentiert, damit auch seine Assistenten etwas davon haben, wie sie seine Kleider aufhängen, Strumpfhosen anziehen und die Accessoires wegsortieren sollen.

Auch den Models gibt er ganz genaue Anweisungen, wie sie einmal die Längsseite auf- und abgehen. „I love it“, ruft er, als ein Mädchen in einem pinkfarbenen Chiffonabendkleid mit goldenen Trägern an ihm vorbeirauscht. „Das ist sooo Versace.“

Heute nun ist es so weit, zum zweiten Mal zeigt Sam Frenzel seine Mode im Zelt am Bebelplatz. Was er danach vorhat? „Keine Ahnung, ich warte einfach die Reaktionen ab.“

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