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Zahlen zur Hasskriminalität: Neuerdings werden auch „männerfeindliche“ Straftaten erfasst – braucht es das?
Seit 2022 registriert die Polizei neben frauen- und diversfeindlichen Delikten auch männerfeindliche. 15 waren es im vergangenen Jahr. Die neue Kategorie ruft Kritik hervor.
Stand:
Die Zahl der politisch motivierten Straftaten in Deutschland hat ein Rekordhoch erreicht: Fast 59.000 Fälle registrierte das Bundeskriminalamt (BKA) im vergangenen Jahr, ein Anstieg um rund sieben Prozent zum Vorjahr.
Delikte, die unter Hasskriminalität fallen, also durch Vorurteile gegenüber bestimmten Gruppen motiviert waren, nahmen um fast zehn Prozent zu. Sie machten mehr als 11.500 der Fälle aus.
Die meisten dieser Straftaten – 10.038 – waren fremdenfeindlich motiviert, 5372 entfielen auf die Kategorie „ausländerfeindlich“, bei 3180 war „Rassismus“ der Grund. Das BKA unterscheidet insgesamt zwischen 17 Kategorien.
Dazu zählen seit 2022 drei neue: „frauenfeindlich“, „geschlechtsbezogene Diversität“ und „männerfeindlich“. Dass Straftaten gegen Frauen keine Seltenheit sind, ist bekannt. Im Schnitt sind pro Stunde 13 Frauen von Gewalt in der Partnerschaft betroffen, jeden Tag versucht ein Mann, seine Partnerin oder Ex-Partnerin zu töten, jeden dritten Tag gelingt sein solcher Versuch.
Straftaten gegen Frauen können politisch oder durch Hass motiviert sein, ebenso wie Beleidigungen oder körperliche Übergriffe gegen Transpersonen. In Herne wurde ein 15-jähriges trans Mädchen im vergangenen Jahr fast totgeprügelt. Nach einer Attacke am Rande des Christopher Street Day in Münster starb ein 25-jähriger trans Mann an seinen Verletzungen.
Der aktuellen Statistik zufolge waren Transpersonen oder Menschen ohne eindeutiges Geschlecht vergangenes Jahr 417 Mal Opfer von hassmotivierten Straftaten, in 82 Fällen kam es zu körperlicher Gewalt. Unter „frauenfeindlichen“ Delikten wurden 206 Fälle registriert, von denen 15 mit körperlicher Gewalt verbunden waren.

© Action Press/Frederic Kern
In der ebenfalls neuen Kategorie der „männerfeindlichen“ Straftaten hat die Polizei binnen eines Jahres 15 Fälle eingeordnet. Es ist die niedrigste Zahl aller 17 aufgeführten Kategorien. In zwei Fällen spielte körperliche Gewalt eine Rolle.
Unter „männerfeindlich“ sind Straftaten zu verstehen, die „gegen Männer bzw. das männliche Geschlecht gerichtet“ sind. Doch was bedeutet das genau?
Verfahren wegen „Männerfeindlichkeit“ eingestellt
Der „Spiegel“ führte kürzlich einen Fall aus Berlin-Friedrichshain an, der als eine von insgesamt drei männerfeindlichen Straftaten in Berlin im Jahr 2022 registriert worden sei. Demnach sollen Unbekannte am S-Bahnhof Warschauer Straße die Schriftzüge „Feminism is for everyone“ und „Patriarchat zerschagen“ (sic!) in Großbuchstaben auf den Boden geschrieben haben. Die Staatsanwaltschaft habe das Verfahren eingestellt, nachdem die Täter nicht ermittelt werden konnten.
Eine Umfrage des „Spiegel“ bei den Landeskriminalämtern aller 16 Bundesländer zu männerfeindlichen Delikten ergab, dass neun Ländern für 2022 kein einziger Fall vorlag. Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz konnten demnach gar keine Daten liefern, Mecklenburg-Vorpommern antwortete nicht auf die Anfrage. Die übrigen vier Bundesländer meldeten insgesamt 14 männerfeindliche Delikte.
Männlichkeit ist kein Feindbild rechtsextremer Ideologie und Männerhass kein Motiv rechter Gewalt.
Petra Pau, Bundestagsabgeordnete der Linke
Warum es diese Kategorie dennoch braucht? „Um keine Lücke in der Erfassung entstehen zu lassen“, heißt es auf Tagesspiegel-Nachfrage vom Bundesinnenministerium. Deshalb seien neben den Kategorien der frauen- und diversfeindlichen auch die männerfeindlicher Straftaten eingeführt worden.
Zuvor waren diese Delikte unter dem Begriff „Geschlecht/Sexuelle Identität“ zusammengefasst worden. Zuletzt wurden darunter 2021 340 Straftaten registriert – im Jahr darauf waren es der aktuellen Statistik zufolge 638. Die Gewaltdelikte wie etwa Körperverletzungen haben nach Angaben des Innenministeriums um mehr als 40 Prozent zugenommen.
Die Aufspaltung in die drei neuen Kategorien erlaubt einen genaueren Blick darauf, gegen welche Personengruppe sich die politisch motivierten Straftaten richten. Doch gegen die Kategorie der „Männerfeindlichkeit“ regt sich Kritik von den Linken im Bundestag.
„Männlichkeit ist kein Feindbild rechtsextremer Ideologie und Männerhass kein Motiv rechter Gewalt“, sagte Abgeordnete Petra Pau dem „Spiegel“. Sie forderte, die „Scheinkategorie unter dem Deckmantel empirischer Neutralität“ schnell wieder aus der Statistik zu streichen.
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