Gesundheit: BSE: Doch ein Virus?
US-Forscherin glaubt, in infizierten Nervenzellen einen krankmachenden Erreger gefunden zu haben
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Sich mit einem Nobelpreisträger anzulegen, kann als mutig gelten. Die amerikanische Neuropathologin Laura Manuelidis von der Yale Medical School hat diesen Mut gerade zum wiederholten Mal unter Beweis gestellt. Im Fachblatt „PNAS“ präsentiert sie wissenschaftliche Ergebnisse, die ihrer Ansicht nach dafür sprechen, dass die Schafkrankheit Scrapie, der Rinderwahnsinn BSE und die damit verwandte, für Menschen ansteckende Variante der bedrohlichen Creutzfeldt-Jakob-Krankheit durch Viren oder virusähnlich Gebilde ausgelöst werden.
Damit widerspricht Manuelidis Stanley Prusiner von der Universität von Kalifornien in San Francisco, der 1997 den Medizin-Nobelpreis für die von ihm bereits im Jahr 1982 aufgestellte Prionentheorie bekam – und der den Begriff „Prionenerkrankung“ fast zum Synonym für BSE machte.
Prionen sind Eiweißpartikel, die anders als Bakterien und Viren keine Erbinformation enthalten und aus einer krankhaft veränderten Form des Prioneiweißes bestehen. Intaktes Prionprotein ist ein normaler Bestandteil von Nervenzellen. Bei Scrapie, BSE und Creutzfeldt-Jakob kommt es im Gehirn aber nachweislich zu Ablagerungen von Prionprotein mit krankhaft veränderter Struktur.
Der heute fast allgemein akzeptierten Prionentheorie zufolge sind einzelne dieser falsch gefalteten Prionen-Proteine auch Auslöser der Krankheit. Bei erworbenen Prioninfektionen gelangt das infektiöse Prionprotein demnach häufig über den Verdauungstrakt in den Körper, breitet sich in einer Art Dominoeffekt zum Gehirn aus und zwingt dort den normal gefalteten Prionproteinen seine krankhafte Form auf. Die infektiösen Formen dieser Leiden werden als Transmissible Spongiforme Enzephalopathien (TSE) zusammengefasst.
Dass die veränderten Prionproteine sich im Gehirn Erkrankter finden lassen und dass sie für die Krankheit typisch sind, bestreiten auch Prusiners Kritiker keineswegs. Sie glauben nur nicht, dass es die falsch gefalteten Prionproteine selbst sind, die die Infektion in Gang setzen. Sie halten stattdessen virenartige Gebilde für die Verursacher. Die Ablagerung der Prionproteine sei eine Folge, nicht die Ursache selbst. Bislang fehlte den Prusiner-Kritikern aber ein Erreger, dem sie die Schuld an BSE zuschieben konnten.
Diese entscheidende Lücke bemüht sich Laura Manuelidis seit Jahren zu schließen. Die Arbeitsgruppe der Neuropathologin hat inzwischen als Fundstück winzige virusartige Partikel mit einem Durchmesser von etwa 25 Nanometern anzubieten. Diese Partikel fanden sich in Zellkulturen in Nervenzellen, die mit Scrapie und Creutzfeldt-Jakob infiziert waren, aber nicht in gesunden, zur Kontrolle herangezogenen Zellkulturen. Zellen, in denen sich mehr Partikel fanden, waren dabei besser in der Lage, andere Zellkulturen zu infizieren, während das in Anwesenheit einer größeren Menge des pathologischen Prionproteins nicht geschah. Und Substanzen, die in der Lage sind, die Vermehrung von Viren zu stoppen, brachten auch den Ansteckungsprozess in der Zellkultur zum Stillstand.
Zum Beweis, dass es sich bei den Teilchen ihres Extrakts nicht um Prionen handelt, ziehen die Forscher aber auch einen Prionen-Antikörper-Test heran, mit dem die Partikel nicht aufgespürt werden. „Alle diese Daten liefern eine klare, schlüssige, substanzielle und logische Alternative zur akzeptierten Prion-Hypothese“, folgert Manuelidis.
Adriano Aguzzi vom Universitätsspital in Zürich, einer der führenden Prionenforscher, ist noch nicht überzeugt. Im Magazin „New Scientist" forderte er Manuelidis auf, im Tierversuch zu beweisen, dass es wirklich TSE auslösen kann. Michael Beekes, der am Berliner Robert-Koch-Institut die Arbeitsgruppe TSE leitet, sieht das genauso: „Manuelidis hat gezeigt, dass sich in TSE-infizierten Zellkulturen noch andere auffällige Strukturen außer dem Prion-Protein befinden. Aber die Partikel, die sie gefunden hat, könnten genauso gut ungewöhnliche Stoffwechselprodukte sein, oder es könnte sich um Viren handeln, die zwar eigentlich nichts mit TSE zu tun haben, sich in den Zellen aber unter dem Einfluss der TSE-Infektion vermehren.“ Jetzt liege die Beweislast bei Manuelidis.
Es handelt sich anscheinend um eine Kontroverse, bei der die Vertreter beider Seiten noch nicht alle Hausaufgaben gemacht haben. BSE und Co. können wohl noch nicht zu den wissenschaftlichen Akten gelegt werden. Schon weil man sie einstweilen nicht zweifelsfrei unter „Prionen“ oder „Viren“ einordnen kann.
Adelheid Müller-Lissner
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