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Gesundheit: Das Internet ist neu geregelt

Seit 1. März gilt das Telemediengesetz – und steht schon heftig in der Kritik

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Vor rund zwei Wochen, am 1. März, ist das neue Telemediengesetz zur Regelung des Internets in Kraft getreten. Doch schon im Vorfeld wurden erhebliche Bedenken gegen das Gesetzeswerk laut: Wegen der darin enthaltenen erweiterten Rechte des Bundesnachrichtendienstes, des Militärischen Abschirmdienstes und anderer staatlicher Stellen befürchten Bürgerrechtler einmal mehr den „gläsernen Menschen“. Eine Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz ist bereits anhängig. Berechtigte Kritik oder unnötige Panikmache?

Schon vor fast zehn Jahren wurde das – damals noch neue – Medium Internet in Deutschland in Gesetzesform gegossen. Seinerzeit stand der Gesetzgeber vor allem vor dem Problem, wer das Internet eigentlich zu regeln habe: der Bund oder die Länder? Man einigte sich auf einen Kompromiss und überließ die sogenannten Mediendienste der Regelung der Länder im Mediendienststaatsvertrag und die Teledienste – die sich nicht an die Allgemeinheit, sondern an einen bestimmten Nutzerkreis richten – dem Bund im Teledienstgesetz. Das führte allerdings zu dem Problem, dass die Juristen das Internet künstlich teilten, ohne dabei die Praxis zu berücksichtigen. Und schon bald stellte sich die Frage, ob es sich bei Diensten wie Ebay, einem Leserforum bei Amazon oder der Videoplattform Youtube um Tele- oder Mediendienste handelt.

Dieses Dilemma ist schließlich auch dem Gesetzgeber klar geworden, der das Internet nun in einem einheitlichen Gesetz behandeln will. Zu einer eindeutigen Regelung aller internetbasierten Dienste konnte man sich trotzdem nicht durchringen. Ein Beispiel: Nach wie vor soll für Internetangebote parallel auch der Rundfunkstaatsvertrag aus dem Jahr 1991 gelten – was gerade bei neuartigen internetbasierten Video- und TV-Diensten zu neuen Unsicherheiten führt. Deutlich wird dies etwa bei sogenannten Near-Video-on-Demand-Diensten, also der zeitversetzten Ausstrahlung eines Spielfilms auf einem oder mehreren Programmen, deren rechtliche Zuordnung auch nach der neuen Regelung völlig offen ist.

Bereits vor Inkrafttreten des Telemediengesetzes steht vor allem eine Klausel im Kreuzfeuer der Kritik: Sie sieht vor, dass „der Diensteanbieter im Einzelfall Auskunft über Bestandsdaten erteilen darf, soweit dies für Zwecke der Strafverfolgung, zur Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder, des Bundesnachrichtendienstes oder des Militärischen Abschirmdienstes oder zur Durchsetzung der Rechte am eigenen Eigentum erforderlich ist“.

Von vielen wird diese Regelung als Angriff auf die Privatsphäre interpretiert. Die Mülheimer Journalistin und Bürgerrechtlerin Bettina Winsemann kündigte an, Verfassungsbeschwerde gegen die neue „Überwachungsklausel“ einzulegen. Die Tagesschau berichtete am 18. Januar plakativ, selbst Plattenfirmen dürften bald Internetdaten auswerten. Denn das Gesetz sei so schwammig formuliert, dass künftig nicht nur der Staat Zugriff auf IP-Adressen, Such- oder Kaufverhalten im Netz verlangen könne. Prinzipiell könnten auch Firmen oder Privatpersonen die Nutzerdaten anfordern. Dafür reiche schon der einfache Verdacht aus.

Kritik, die nur zum Teil berechtigt ist. Denn vielfach wird übersehen, dass bereits im zehn Jahre alten Teledienstedatenschutzgesetz eine ganz ähnliche Klausel enthalten ist. In der Praxis ist es längst üblich, dass etwa Daten von Internetstraftätern von Providern an die Ermittlungsbehörden herausgegeben werden. Dass nunmehr auch private Firmen die Herausgabe verlangen könnten, ist schlichtweg falsch. Erweitert wurde lediglich der Kreis der staatlichen Behörden – und zwar um den Verfassungsschutz, den Bundesnachrichtendienst und den Militärischen Abschirmdienst.

Offen ist aber in der Tat, ab welcher Intensität einer Straftat der Zugriff auf Daten zulässig ist. Die Grenze ist hier die Verhältnismäßigkeit – ein sehr auslegungsfähiger Begriff. Unproblematisch werden Strafermittlungsbehörden weiterhin Zugriff auf Providerdaten bei schweren Straftaten, etwa im Bereich der Kinderpornografie oder bei Rechtsradikalismus, haben. Neu ist allerdings: Auch im urheberrechtlichen Bereich ist ein derartiger Zugriff ausdrücklich vorgesehen. Außerdem ermöglicht das Gesetz auch im Falle von Bagatelldelikten die Strafverfolgung beim Provider, etwa wenn sich ein Nutzer lediglich sein Lieblingslied von einer illegalen Tauschbörse auf den MP3–Player geladen hat. Ob und wie diese Möglichkeiten von den Strafverfolgungsbehörden tatsächlich genutzt werden, bleibt abzuwarten.

Ebenfalls neu: Ein Bußgeld von bis zu 50 000 Euro, wenn bei einer Werbe-Mail der Absender oder in der Kopfzeile der kommerzielle Charakter der Nachricht verschleiert wird. Eine Vorschrift, die hoffentlich dazu beiträgt, die Flut an Spam-Mails zumindest etwas einzudämmen. Anbieter von Internetdiensten müssen Kunden künftig noch umfassender als bisher über Art und Umfang der Verwendung erhobener Daten unterrichten, und zwar bereits vor Vertragsschluss.

Dass das Telemediengesetz zu einem „Überwachungsstaat“ im Internet führt, steht nach alledem wohl nicht zu befürchten. Dennoch scheint der Gesetzgeber mit der Regelung die Chance vertan zu haben, tatsächlich einen neuen, rechtssicheren Rahmen für das Internet zu schaffen. Denn viele Fragen, die für die Praxis von großer Bedeutung sind, werden nach wie vor nicht klar geregelt. Hierzu zählen vor allem die Frage nach der Haftung von Links oder der Verantwortlichkeit von Suchmaschinenbetreibern für Inhalte, auf die verwiesen wird. Aber auch die Problematik, ab wann ein Diensteanbieter für fremde Inhalte haftet.

So bleibt die Entscheidung dieser wichtigen rechtlichen Grundfragen des Internets wohl auch weiterhin den Gerichten überlassen.

Der Autor ist promovierter Rechtsanwalt bei der Heussen Rechtsanwaltsgesellschaft mbH (www.heussen-law.de) mit dem Spezialgebiet Internetrecht.

Georg Schröder

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