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Kolumne – Die gute Frage

© Lisa Rock für den Tagesspiegel

Die gute Frage: Müssen Frauen wirklich häufiger auf Toilette als Männer?

Pinkelpausen an der Raststätte sind typisch Frau. Oder!? Was wirklich hinter dem häufigeren Harndrang steckt.

Eine Kolumne von Claudia Füßler

Stand:

Wenn sich während des Theaterstücks eine gebückte Gestalt leise entschuldigend durch die Reihen Richtung Ausgang schiebt und nach fünf Minuten den gleichen Weg zurück nimmt, ist das mit nahezu 100-prozentiger Wahrscheinlichkeit eine Frau. Genauso, wie es auf der Sechseinhalb-Stunden-Strecke von Berlin nach München nahezu immer Frauen sind, die dreimal den Satz „Am nächsten Parkplatz mit Klo fahren wir mal raus“ sagen.

Der Eindruck, dass Frauen öfter auf Toilette müssen als Männer, täusche nicht, sagt Christian Gratzke. Den im Volksmund gerne mal verwendeten Ausdruck der Mädchenblase findet der Ärztliche Direktor der Klinik für Urologie am Universitätsklinikum Freiburg allerdings despektierlich: „Es gibt eine klare anatomische Ursache, die primär dafür verantwortlich ist, dass Menschen weiblichen Geschlechts ihre Blase öfter leeren müssen: die Größe der Blase.“

2,5
Liter Urin und mehr produzieren Menschen, die an Polyurie, einer krankhaft erhöhten Urinausscheidung, leiden

Bei Frauen fasst die Blase im Durchschnitt etwa 300 bis 400 Milliliter, bei Männern hingegen 500 bis 600 Milliliter. Das sind jedoch nur grobe Richtwerte, die Kapazität einer Blase hängt von zahlreichen Faktoren ab und unterscheidet sich individuell stark, auch innerhalb der Geschlechter.

Wie oft jemand auf Toilette muss, hat zudem mit dem Harndrang zu tun. Bei etwa 80 Milliliter Urin merkt der Mensch, dass die Blase sich zu füllen beginnt. Nach und nach dehnt sich mit zunehmender Menge die Blasenwand aus. In dieser sitzen sogenannte Dehnungssensoren, die uns dann melden: Demnächst mal ein Klo aufsuchen!

Faultiere leeren ihre Blase maximal einmal pro Woche.

© Getty Images/iStockphoto/janossygergely

Bei manchen Menschen reagieren diese Sensoren besonders sensibel und schlagen beispielsweise schon Alarm, wenn die Blase erst halb voll ist. Da hilft auch das gern empfohlene Blasentraining – viel trinken, dann gewöhnt sich die Blase dran – nicht. Mann und Frau müssen sich dann einfach damit abfinden, dass sie öfter als die durchschnittlichen fünf- bis achtmal täglich Wasser lassen müssen.

„Es gibt sicher auch einen psychischen Faktor, der eine Rolle spielen kann“, sagt der Urologe Gratzke. Zum Beispiel, weil eher Frauen als Männer es sich zur Regel machen, vorm Verlassen der Wohnung noch einmal auf Toilette zu gehen – um vielleicht zu vermeiden, unterwegs eine aufsuchen zu müssen. Im Alter übrigens kehrt sich das Phänomen oft um: Bei vielen Männern vergrößert sich die Prostata und drückt auf Blase und Harnröhre. Dann sind sie es, die während des Theaterstücks zur Toilette schleichen. 

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