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Gesundheit: Durchs Schlüsselloch zum Hüftgelenk

Neue Technik ermöglicht ein schonenderes Einsetzen der Gelenkprothese

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Die Ursache ist meist banal, und oft trifft es Ältere. Ein Ausrutschen auf der Straße, ein unglücklicher Sturz in der Wohnung. Oberschenkelhalsbruch lautet die erschütternde Diagnose. Doch nicht nur alte Menschen trifft es. Nach schweren Auto- oder Skiunfällen sind auch bei jüngeren Menschen Brüche in der Hüfte nicht selten. Und jedes Mal stellt sich die Frage: Wird man sich wieder richtig bewegen können?

Nicht selten ist ein neues Hüftgelenk erforderlich. Die Operation ist mit einigen Gefahren verbunden, auch wenn der Hüftgelenksersatz zu den erfolgreichsten Eingriffen gehört. Sie ist mit hohem Blutverlust verbunden, der Schnitt groß, um tief durch das Gewebe an das Hüftgelenk zu gelangen und dort das künstliche Gelenk einzusetzen. Wegen der Tiefe des Schnitts dauert der Krankenhausaufenthalt bisher immer recht lange und auch der Weg aus dem Bett bleibt beschwerlich. Die meisten Patienten leiden hinterher unter einer eingeschränkten Beweglichkeit, weil während der Operation zum Freilegen des Hüftgelenks immer irgendein Muskel vom Knochen abgelöst oder durchtrennt werden muss.

Doch es geht auch schonender. Am Campus Benjamin Franklin der Charité in Steglitz wird seit knapp einem Jahr eine neue Methode angewandt. Die minimalinvasive Hüftchirurgie setzt auf einen kleinen Schnitt verbunden mit einem neuartigen Operationstisch. Man operiert wie durch ein Schlüsselloch.

Damit ist Berlin einer der Taktgeber in Europa. Der Arzt Etienne Lesur hat diesen Zugang in Frankreich seit 1993 entwickelt und vor rund zwei Jahren erstmals mit nach Deutschland gebracht. Nur wenige deutsche Kliniken haben diese Methode bisher getestet. In Steglitz kann Oberarzt Thilo John nach einem Jahr Praxis bereits auf einige Erfahrung verweisen. Und die ist durchweg positiv, stellt John fest. Er implantiert bislang als einziger in Berlin durch den kleinen Einschnitt das künstliche Hüftgelenk.

Mit speziell entwickelten Instrumenten, aber mit den seit Jahrzehnten bewährten Implantaten. „Der Fortschritt der neuen Operationsmethode liegt in einem deutlich geringeren Blutverlust“, sagt Thilo John. „Außerdem ist der Schmerz nach der Operation deutlich geringer und die Rehabilitation wird durch die höhere Stabilität der Muskeln auch wesentlich schneller erreicht.“ Oft können die Patienten schon am nächsten Tag wieder aufstehen und gehen.

Neben dem kleinen Schnitt wird bei der minimalinvasiven Chirurgie ein anderer Weg zum Hüftgelenk gewählt. Bisher mussten immer wichtige Muskeln vom Hüftgelenk teilweise abgelöst oder durchtrennt werden, jetzt werden sie lediglich auseinander gedrängt. Dadurch werden die Muskeln weniger geschädigt und die Gefahr von Gefäß- und Nervenverletzungen ist geringer, sagt Thilo John.

Der Chirurg Christian Müller-Mai von der Heidelberger Uniklinik sieht das Verfahren etwas kritischer. Er hält den Zugang „durch das Schlüsselloch“ für weniger übersichtlich und geht daher von einem größeren Verletzungsrisiko für umgebende Strukturen wie zum Beispiel von Nerven aus. Auch kann es vorkommen, dass die Gelenkpfanne am Hüftknochen falsch eingebaut wird.

Für schwierig hält Müller-Mai die Technik auch bei dickeren und sehr muskelkräftigen Patienten. Vor allem bedarf es ausreichender Erfahrung. „Diese Methode gehört vorerst in große Zentren und nicht in kleine Kliniken.“ Die Charité gehöre sicher dazu, an der Uni Heidelberg würde man vor der Einführung lieber noch die Auswertung abwarten. Wie bei allen Operationen würde sich der Vorteil erst nach Überprüfung der Ergebnisse nach mehreren Jahren zeigen. Denn bei Gelenkprothesen kommt es vor allem darauf an, dass sie langlebig sind.

Neben dem schonenderen Eingriff ist allerdings auch der neue Operationstisch eine Erleichterung, ist der Charité-Chirurg John überzeugt. Bisher musste ein weiterer Arzt im OP-Saal stehen und das Bein in einer stabilen Position vom Körper weghalten. Das erledigt jetzt ein „Extensionstisch“, der das Bein in einer optimalen Lage hält und bessere Ergebnisse beim Einsetzen des künstlichen Gelenks ermöglicht. „Durch die neue Methode verkürzt sich der Krankenhausaufenthalt deutlich und der Patient wird schnell wieder selbstständig“, lautet Johns Bilanz.

Das Universitätsklinikum Charité Campus Benjamin Franklin veranstaltet am 30. März eine Informationsveranstaltung für Patienten zu dieser Operationsmethode. Anmeldung unter 02132 9137 - 731 (9-12 Uhr).

Ingo Wolff

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