
© Stefan Braun
Folgenschwerer Kuss: Wenn zu hoher Schalldruck zum Trauma fürs Ohr wird
Schon der Bruchteil einer Sekunde genügt, um das Ohr auf Dauer zu schädigen. Wenn ein lauter Knall Schwerhörigkeit verursacht, ist Abwarten daher keine Option.

Stand:
Es klingt witzig, aber das war es nicht: Der junge Mann bekam von seiner Freundin einen Kuss auf das Ohr, überaus laut. Er bekam ein Knalltrauma mit plötzlicher Schwerhörigkeit. Und im gleichen Moment auch noch einen Tinnitus, ein Pfeifgeräusch einer hohen Frequenz. Einen dauerhaften Tinnitus, auch nach Jahren noch, als die Beziehung längst vorbei war – als bleibende Erinnerung. So jedenfalls erzählte es der HNO-Professor, um zu warnen.
Ein Knalltrauma durch einen Kuss? Es ist ungewöhnlich, aber nicht unmöglich. Für ein Knalltrauma reicht eine sehr kurze Druckwelle mit einer Spitze zwischen 160 und 190 Dezibel. Kurz heißt: maximal zwei tausendstel Sekunden lang (längere Geräusche verursachen „Explosionstraumen“). Die kurze Dauer reicht aus, um die empfindlichen Haarzellen im Innenohr zu schädigen. Was folgt, ist Schwerhörigkeit auf dem betroffenen Ohr, oder – je nach Ursache – auch auf beiden Ohren. Die Ursache kann ein Schuss in der Nähe des Ohres sein, der Donner nach dem Blitz, eine Explosion, vor allem auch eine Ohrfeige – oder eben ein Kuss.
Patienten berichten über Schmerzen, Übelkeit oder Kopfschmerz. Vor allem aber über eine Schwerhörigkeit für hohe Töne. Tiefe Frequenzen sind dagegen kaum bis gar nicht betroffen. Die gute Nachricht: Meist erholt sich das Ohr, die Hörfähigkeit kommt zurück. Die schlechte: manchmal auch nicht. Dann kann, neben den fehlenden hohen Tönen, auch noch ein Tinnitus in genau der „ertaubten“ Tonhöhe entstehen: eine Art akustischer Phantomschmerz.
Ein Knalltrauma ist ein Notfall: Das Trommelfell könnte beschädigt sein und muss geflickt werden, um Infektionen im Mittelohr zu verhindern. Um die Diagnose zu bestätigen und eine Verlaufsprognose abzugeben, macht der HNO-Arzt einen Hörtest. Es gibt Behandlungsmöglichkeiten – aber die Zeit ist entscheidend: Mehrere Tage abzuwarten, ist keine Option. Ein diskreter Hörschutz in besonderen Situationen hingegen schon: vom Silvesterfeuerwerk bis zur Disko, von der Flugshow bis zum Grönemeyer-Konzert. Haarzellen im Innenohr sind empfindlich – auch bei guter Musik!
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