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Dr. Magnus Heier

© Stefan Braun

Im weißen Kittel: Augen zu und durch!

Übelkeit in Schiff, Auto oder Raumkapsel ist eine Kapitulation des Gehirns.

Eine Kolumne von Dr. Magnus Heier

Früher wurde dem lesenden Beifahrer im Auto schlecht, dem Fahrer nie. Jetzt „gefährden“ autonom fahrende Autos die ganze Fahrgemeinschaft. Früher wurden Seefahrer auf schwankenden Schiffen seekrank. Heute trifft es auch Piloten, die im Büro sitzen und mit einer VR-Brille vor den Augen Drohnen steuern. Oder Jugendliche, die mit VR-Brille in die „virtuelle Realität“ abtauchen.

Seekrankheit passiert nicht nur auf See – sie ist in Wirklichkeit eine Bewegungskrankheit. Die Ursache ist simpel, ein „Mismatch“ – die Informationen passen nicht zueinander: Auf See vermitteln – erstens – die Gleichgewichtsorgane im Ohr schlingernde Wellenbewegungen. Das wird – zweitens – durch Sensoren etwa in den Hals- und Nackenmuskeln bestätigt. Der dritte Sinneseingang, die Augen, melden aber unter Deck keinerlei Bewegung – alles steht still. Nichts passt, das Gehirn kapituliert. Der Betroffene wird erst müde, dann kaltschweißig und blass – und übergibt sich schließlich. Im Extremfall fallen auch erfahrene Schiffsbesatzungen aus.

Aber die Sinneseindrücke können auch an Land auseinanderfallen: Wenn der Körper nur glaubt, dass er sich bewegt, etwa bei Videospielen: In einer 20-minütigen VR-Simulation hatten von 146 Freiwilligen 89 Beschwerden. Im Sitzen! Videos gaukeln den Augen Bewegungen vor, die die Gleichgewichtsorgane und die Muskelsensoren nicht bestätigen: Übelkeit! In der modernen Welt werden diese Situationen häufiger: vom Drohnenpiloten über den Chirurgen, der mit einem VR-Operationsroboter arbeitet, bis zu Raumfahrttouristen: Vor der Euphorie kommt bei denen meist das Erbrechen.

Die Einen trifft es ständig, die Anderen nie! Kinder zwischen 6 und 12 Jahren und Frauen sind besonders anfällig! Zwillinge reagieren oft ähnlich. Woher die Unterschiede kommen, ist unklar. Aber die Vorbeugung ist klar: Histamin – ein Botenstoff – scheint die Übelkeit zu triggern: Histaminreiche Lebensmittel, von Thunfisch über Emmentaler, von Salami bis zu Rotwein, sollte der See- oder Raumfahrer meiden. Es gibt Medikamente. Und Gewöhnungstraining. Und oft hilft ein ganz einfacher Tipp: Augen zu! Dann stimmen die Informationen für das Gehirn wieder.

Alle bisher erschienenen Folgen der Kolumne „Im weißen Kittel“ finden Sie online auf der Kolumnenseite des Tagesspiegels.

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