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Gesundheit: Reden ist Silber, Schweigen manchmal Gold

Ein Wochenendseminar der Freien Universität gegen Referatsalpträume und VortragsfallenVON DEIKE DIENINGGerade in der Rhetorik, der Kunst des Redens, kann Schweigen manchmal Gold bedeuten - dann nämlich, wenn einem im gelangweilten oder überforderten Publikum die Zuhörer einschlafen: wer als Vortragender jetzt unvermittelt den Redefluß abbricht, sieht garantiert einige Köpfe hochschnellen, im Glauben, der Vortrag sei zu Ende.Die Leiterin des Wochenendseminars Lydia Drews zitiert hier die Kaffeemaschine zum Vergleich: solange sie läuft und läuft, nimmt niemand sie bewußt wahr - erst wenn das Wasser durch, der Kaffee fertig ist, fängt die Maschine an zu prötteln - und plötzlich hört jeder hin.

Ein Wochenendseminar der Freien Universität gegen Referatsalpträume und VortragsfallenVON DEIKE DIENINGGerade in der Rhetorik, der Kunst des Redens, kann Schweigen manchmal Gold bedeuten - dann nämlich, wenn einem im gelangweilten oder überforderten Publikum die Zuhörer einschlafen: wer als Vortragender jetzt unvermittelt den Redefluß abbricht, sieht garantiert einige Köpfe hochschnellen, im Glauben, der Vortrag sei zu Ende.Die Leiterin des Wochenendseminars Lydia Drews zitiert hier die Kaffeemaschine zum Vergleich: solange sie läuft und läuft, nimmt niemand sie bewußt wahr - erst wenn das Wasser durch, der Kaffee fertig ist, fängt die Maschine an zu prötteln - und plötzlich hört jeder hin. Auf Tips wie diese warten Studierende schon lange, denn jeder kennt sie, jeder fürchtet sie und erleidet sie trotzdem immer wieder: schlechte Referate und Vorträge, die vor allem in den Geisteswissenschaften oft einen ganz wesentlichen Bestandteil der Lehrveranstaltung ausmachen - und hinterher vom Publikum regelmäßig als Zumutung oder als Horror bezeichnet werden - je nachdem ob sie reden oder zuhören müssen.Immer wieder lesen Vortragende halbstündige Beiträge ohne Satzbetonung von dicht beschriebenen Blättern ab.Allein: nach entsprechenden Lehrangeboten suchte man an den Unis bisher oft vergebens.Anstatt nun neidvollen Auges auf die angelsächsischen Länder zu blicken, in denen Lehrveranstaltungen zu Präsentations- und Vortragstechniken traditionell auf den Lehrplan gehören, bietet das Projekt BeO (BerufsOrientierung) an der FU jetzt Kurse zu diesem Thema an. Kommunikationstrainerin Lydia Drews, die gerade ihre eigene Dissertation zum Thema schreibt, macht an diesem Wochenende unter dem Vorzeichen der Rhetorik eines schon von Anfang an klar: Ihr geht es hier weder um die Auflistung rhetorischer Figuren noch um die Vermittlung von Patentrezepten à la "hiermit gewinnen Sie jedes Publikum für sich".Im Gegenteil ist ihr daran gelegen, ihre Empfehlungen und Verbesserungsvorschläge dem Vortragsstil und der "natürlichen Art" der Vortragenden anzupassen.Rhetorik will sie denn auch nicht nur als Sprachfeuerwerk mit unterschiedlichen Figuren verstanden wissen, sondern als ein "System von Hilfsmitteln für erfolgreiches Kommunizieren". Diese Mittel beinhalten die Gedankenfindung, die Themenrecherche und Gliederung, die Bekämpfung von Lampenfieber, die Beantwortung von Zwischenfragen, den Einsatz von Präsentationsmitteln und schließlich die Moderation einer Diskussion im Anschluß an den Vortrag - was hiervon die Teilnehmer am dringendsten interessiert, wird in diesen drei Tagen zum Thema gemacht. Zehn Geisteswissenschaftlerinnen unterschiedlicher Fachrichtungen und mit verschiedenen Hintergründen haben sich dazu eingefunden: Studentinnen, die sich selbst für langweilende Referenten halten, eine Doktorandin, die demnächst ihre Arbeit vor Publikum wird verteidigen müssen und einige, die sehen wollen, wie man als Kommunikationstrainerin arbeitet.Für jede hat der "Alptraum Vortrag" ein anderes Gesicht: der einen zittern die Hände, die andere bekommt Herzflattern, hier werden Silben verschluckt, dort werfen Zwischenfragen regelmäßig das raffinierte Konzept um - während der einen die Gedanken entgleiten, schläft der anderen das Publikum ein.Das Gegengift von Lydia Drews heißt üben, üben, üben: mit und ohne Videoaufzeichnungen, in Rollenspielen und am besten gleich in jeder Gesprächssituation mit der verbesserten Aussprache anfangen.Damit sich Angst gar nicht erst aufstauen kann, wird sogleich am ersten Tag ein Vortrag von einer Minute vor laufender Kamera gehalten - ad hoc zu einem Thema nach Wahl.Noch zittern die Blätter, rasen die Stimmen, winden sich die Körper unvorteilhaft vor der Kamera. Für die Kommunikationstrainerin ist jede Situation auch immer eine Präsentationssituation, und deshalb weist sie auch bei jeder Wortmeldung auf Dinge hin, die ihr auffallen: der häufige Gebrauch von Füllwörtern etwa, der Inkompetenz und Unsicherheit signalisiert.Gerne wird auch dem Publikum die "Halsschlagader" gezeigt durch Schräghalten des Kopfes.Diagnose: eine typische "Frauenkrankheit" und "Unterwerfungsgeste".Am Ende haben alle Teilnehmerinnen Rollenspiele absolviert, Fragen gestellt, sich der Kritik ausgesetzt und einen fünfzehnminütigen Vortrag gehalten. Geübt werden Situationen, denen man auch mit Verlassen der Universität nicht entkommen kann, denn Präsentationen vor zahlreichem Publikum, Verhandlungssituationen, in denen es in größerer Runde etwas durchzusetzen gilt, und knifflige Gespräche unter vier Augen gehören zu fast jedem Berufsbild.Wenn der Arbeitsmarkt vor allem von Geisteswissenschaftlern eine sogenannte "Patchworkexistenz" verlangt, muß man seine Fähigkeiten und Ideen immer besser und immer öfter verkaufen.Insofern kann dieser Kurs auch als Investition in die berufliche Zukunft angesehen werden - und wer bei Lydia Drews mit dem dicken Reader unter dem Arm aus dem Seminar kommt, der wird so schnell den Kopf nicht wieder schieflegen...

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