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Gesundheit: Unterwegs zum kosmischen Archiv

Kompliziertes Manöver: Die Kometensonde „Rosetta“ holt Schwung am Mars, um ihr Ziel zu erreichen

Ihr Ziel ist fast unaussprechlich und auch die Reise ist ungewöhnlich. Am kommenden Sonntag, 25. Februar, wird die europäische Kometensonde „Rosetta“ in nur 250 Kilometern Entfernung den Mars passieren, um auf dem Weg zum Kometen Churyumov-Gerasimenko die Schwerkraft des Roten Planeten auszunutzen und Schwung zu holen: Ein Manöver von höchster Präzision, kontrolliert vom Raumfahrtkontrollzentrum ESOC in Darmstadt. Immerhin fliegt die Raumsonde 30 000 Kilometer pro Stunde.

Noch sieben Jahre wird Rosetta unterwegs sein, bis sie nach fünf Milliarden Kilometern Reise ihren Zielkometen erreicht und dort eine Art kosmisches Archiv vorfindet. Dessen Materie hat sich seit der Entstehung unseres Sonnensystems vor 4,6 Milliarden Jahren nicht mehr verändert. Als erste Sonde überhaupt soll Rosetta sogar ein Landegerät auf dem Schweifstern aussetzen.

Eigentlich hätte Rosetta einen Kometen namens Wirtanen anfliegen sollen. Wegen ihres verzögerten Starts mit einer Ariane-5-Rakete im März 2004 mussten die Forscher ein neues Ziel suchen: Churyumov-Gerasimenko, einen nur vier Kilometer breiten, dafür aber 135 000 Kilometer pro Stunde schnellen Brocken aus Eis und Materie. Die Neuberechnung der Flugbahn Rosettas war recht kompliziert. Selbst die stärkste existierende Rakete hätte die Sonde nicht auf direktem Weg ans Ziel bringen können. Vielmehr muss sie auf einer ausgeklügelten Bahn dreimal das Schwerefeld der Erde und einmal das des Mars nutzen, um in weiten Schleifen den nötigen Schwung zu holen. „Swing-by“ heißen solche Manöver. Auf ihrer insgesamt zehnjährigen Reise durchquert Rosetta zweimal den Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter.

Das eigentliche Rendezvous zwischen kosmischer Urzeit und Gegenwart findet dann im Jahre 2014 statt. 675 Millionen Kilometer trennen Kometen und Sonde dann vom Zentralgestirn. Da draußen ist es bitter kalt, weit unter minus 100 Grad. Damit bei solch unwirtlichen Bedingungen die Instrumente nicht schlapp machen, beheizt man sie während des gesamten Fluges auf Zimmertemperatur.

20 Grad plus herrschen über die Jahre im Inneren des drei mal drei Meter messenden Drei-Tonnen-Kastens. Rosetta verfügt über insgesamt 30 Meter messende Solarpaneele, die auch jenseits der Marsbahn noch die mindestens benötigten 360 Watt Strom liefern. Ein pfiffiges System von Jalousien sorgt für optimale Nutzung der von der Sonne einfallenden Lichtenergie. Am Mars sollen einige Instrumente und Kameras kurzzeitig eingeschaltet werden und Daten liefern.

Wenn Sonde und Komet sich treffen, werden Rosettas Systeme vollständig aktiviert. Dann wird sich zeigen, dass der rasende Gesteinsbrocken noch nicht über einen kometentypischen Schweif verfügt. Den entwickelt er erst bei zunehmender Annäherung an die Sonne.

Kometenforscher beschreiben ihre Objekte gerne als „schmutzige Schneebälle“, weil sie im Wesentlichen aus Staub und Eis bestehen. Bis auf einen Kilometer Entfernung wird sich Rosetta dem Kometenkern nähern, ein halbes Jahr lang seine Oberfläche kartieren und so den besten Landeplatz für ihr „Beiboot“ suchen. Dann wird das spinnenartige Landegerät abgeworfen, das auf der Erde 100 Kilo wiegt. Wegen der geringen Anziehungskraft des Kometen beträgt das dortige Gewicht jedoch nur wenige Gramm. So muss der Roboter gleich nach der Landung mit Eisbohrern und Harpunen verankert werden.

Dann werden Bodenproben entnommen und analysiert. Zu finden ist Materie im Urzustand. Kometen sind also fliegende Kühltruhen, deren Inhalt vielleicht die Frage nach der Entstehung des Lebens zu beantworten hilft. Die Forscher rechnen nämlich damit, auch Biomoleküle zu entdecken: Starter-Kits des Lebens. Obwohl sie in früheren Zeiten als Unglücksboten gefürchtet waren – könnten Kometen letztlich an der Entstehung des Lebens auf der Erde beteiligt gewesen sein? Manche Forscher nehmen genau das an.

Rosetta wird einen Blick in eine längst vergangene Welt werfen – daher auch der Name der Sonde. Er erinnert an den berühmten Stein von Rosetta, den ein Soldat Napoleons 1799 in Ägypten entdeckte. Auf ihm fand man in drei Sprachen einen Gesetzestext. Er sollte der Schlüssel werden für die Entzifferung der Hieroglyphen. Auch das Landegerät trägt einen historischen Namen: „Philae“, nach der Insel im Nil, auf der sich der Rosetta-Stein befand.

Ob Churyumov-Gerasimenko auch ein Schlüssel wird für unser Verständnis des Sonnensystems, wird sich erst sieben Jahren zeigen. Rosetta soll ihn fast zwei Jahre lang begleiten und sein „Erwachen“ bei Annäherung an die Sonne dokumentieren. Diese Phase ist auch die gefährlichste des 700 Millionen Euro teuren Unternehmens, denn mit der Entstehung des Kometenschweifs steigt auch die Gefahr, mit den ausgestoßenen Staubpartikeln zu kollidieren. Und das wäre das Ende dieser phantastischen Raumreise.

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