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Gesundheit: Was uns härter macht, bringt uns um

Männer leben riskanter und sterben eher als Frauen. Der Bezirk Lichtenberg will Auswege zeigen – auf drei Konferenzen

Männer suchen die Herausforderung – sogar beim Essen. Tiefe Einblicke in die männliche Psyche bietet die Weddinger Currywurstbude „Curry & Chili“. Hier soll es die schärfste Wurst Berlins geben, die Soßen heißen „Blair’s After Death“ oder „Mad-Dog 357“. Zehn Schärfegrade listet die Speisekarte auf. Bei Bluthochdruck, warnt sie, sollte man vorsichtig sein. „Für Männer ist das schon eine Mutprobe“, sagt Chef Frank Spieß. Und wer die Kunden beobachtet, die mit tränenden Augen und hochrotem Kopf mit der Currywurst und der eigenen Schmerzgrenze kämpfen, dem dämmert, was Sandra Born meint, wenn sie sagt, Männer hätten eine riskantere Lebensführung.

Die Sozialwissenschaftlerin vom Bezirksamt Lichtenberg hat den Männergesundheitsbericht 2011 herausgebracht. Er soll klären, warum Männer in Lichtenberg fünf Jahre kürzer leben als Frauen. In Berlin liegt Lichtenberg mit 76,9 männlichen Lebensjahren im Mittelfeld. In Neukölln beträgt der Unterschied fast sechs Jahre. Die Ergebnisse einer Studie in Klöstern haben aber gezeigt, dass das kaum biologische Gründe haben kann. Die Lebenserwartung von Mönchen und Nonnen unterscheidet sich nur um rund zwei Jahre. Das heißt: Der Lebensstil ist entscheidend.

Dass der von Männern oft ungesünder ist, gehört seit Herbert Grönemeyer zum Allgemeinwissen. Daran hat sich auch nichts geändert. Männer rauchen und trinken weiterhin exzessiver, sind häufiger in Unfälle verwickelt und begehen die meisten Suizide. Das zeige, so Born, „dass ein gesamtgesellschaftliches Umdenken nötig ist“. Bisher glauben Männer eher: So lange mein Körper funktioniert, ist alles klar. Die Gesellschaft unterstützt sie. Wer sich systematisch überarbeitet, erntet Anerkennung. Gesundheit rückt erst dann in den Blick, wenn sie fehlt. Dabei ist der, der auf die Signale seines Körpers hört, auch leistungsfähiger. „Gesundheit sollte als Ressource verstanden werden, als Schlüssel zum Erfolg“, sagt Born.

Der Bericht ist nicht nur fürs Fachpublikum gedacht. „Wir wollen Männern bewusst machen, dass es um ihr Leben geht“, sagt Born. Drei Konferenzen sollen Politikern, Lehrern oder Ärzten das Thema näher bringen und diskutieren, was getan werden kann. Im vergangenen Februar ging es um „Sucht und Psyche“. Zu viel Arbeit macht Körper und Geist auf Dauer krank, zu wenig oder keine Arbeit aber auch. Für Männer hat Arbeitslosigkeit oft gravierendere Folgen als für Frauen. Die Sichtweise „Wer auf Kosten anderer lebt, ist kein Mann“ sei weit verbreitet, meint Roland Scheil vom Bezirksamt Lichtenberg. Arbeit und Kontakt zu Kollegen seien für das männliche Selbstwertgefühl unerlässlich. Männer müssten schnellstmöglich wieder in Arbeit gebracht werden. Scheitert das, tun sie sich schwer damit, Hilfe anzunehmen. Was auch daran liegt, dass es zu wenig spezielle Angebote für sie gibt.

Dass die meisten Männer erst dann zur Vorsorgeuntersuchung gehen, wenn ihre Frau sie drängt, sei aber ein Klischee, meint Monika Sieverding, Professorin in Heidelberg. Richtig ist, dass der Arztbesuch für Männer erst spät zum Thema wird. Aber zwei Drittel haben schon an einer Untersuchung zur Krebsfrüherkennung teilgenommen. „Wir sind Herdentiere“, sagt Sieverding, „wir orientieren uns am Handeln anderer.“ Es müsse also gezeigt werden, dass es eher unnormal ist, nicht zur Vorsorge zu gehen.

Bei der zweiten Konferenz am 11. Mai stehen die „kleinen Männer“ im Mittelpunkt. Zu Hause fehlen Jungen oft die Väter und in den Kitas gibt es selten männliche Betreuer. „Männer sind wichtig als Rollenvorbilder und fürs Selbstbewusstsein“, sagt Sandra Born. Vielleicht kann das dreijährige Programm des Familienministeriums helfen. Es soll Männer für den Beruf des Kitaerziehers begeistern. Auf der dritten Konferenz im September wird die Situation älterer Männer diskutiert sowie die Frage: Wie bringt man Gesundheit an den Mann? Etwa durch Gruppenangebote speziell für Männer wie Vater-Kind-Turnen oder Kochkurse für männliche Singles. Die ernähren sich nämlich besonders schlecht. Ein wichtiger Schritt aber ist bereits genommen, meint Sandra Born. „Die Vätermonate haben ein Nachdenken über die Rolle des Alleinversorgers in Gang gesetzt.“ Gute Voraussetzungen für einen Wandel.

Konferenz „Aus Jungen werden Männer!“, 11. Mai, 14–17 Uhr, Kiezspinne FAS, Schulze-Boysen-Straße 38 (Lichtenberg)

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