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Wenn sich alles im Körper ändert: Warum haben Jugendliche im Stimmbruch zwei Stimmen?
Für Heranwachsende ist es mitunter schwierig, mit den rasant körperlichen Veränderungen mitzuhalten – das gilt auch für die Stimme.
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In der Pubertät hat man es sowieso nicht leicht. Und dann auch das noch: Da will der Teenager einmal etwas klarstellen, doch kaum erhebt er die Stimme, beginnt diese zu kippen und zu kieksen, ohne dass er etwas dagegen tun kann; es klingt, als würde er dauernd zwischen zwei verschiedenen Sprechstimmen hin- und herspringen.
„Diese scheinbare Zweistimmigkeit ist ein ganz normaler Schritt in der Stimmentwicklung“, sagt Michael Fuchs, Leiter der Sektion Phoniatrie und Audiologie an der Universitätsklinik Leipzig.
Der Stimmwechsel, wie der Stimmbruch wissenschaftlich korrekt heißt, entsteht durch ein ziemlich plötzliches Wachstum des Kehlkopfes, gesteuert durch das Hormon Testosteron. Das wird in der Pubertät vermehrt gebildet – bei allen Geschlechtern, besonders intensiv aber bei Jungen.
Die mittlere Sprechstimme verlagert sich im Stimmwechsel bei Jungen um etwa eine Oktave nach unten, bei Mädchen nur um eine Terz
Michael Fuchs, Facharzt für Sprach-, Stimm- und kindliche Hörstörungen
Mit dem Kehlkopf wachsen auch die darin liegenden Stimmlippen, bei Jungen von etwa acht Millimetern Länge am Ende der Grundschulzeit auf etwa 20 Millimeter am Ende der Pubertät. Längere Stimmlippen bilden tiefere Töne – wie die Saiten eines Kontrabasses tiefer klingen als die einer Geige. „Die mittlere Sprechstimme verlagert sich im Stimmwechsel bei Jungen um etwa eine Oktave nach unten, bei Mädchen nur um eine Terz“, sagt Fuchs.
Heranwachsende müssen erst lernen, mit ihr „neuen“ Körper umzugehen.
„Der Kehlkopf bekommt so die Funktion eines sekundären Geschlechtsmerkmals: Die Stimme lässt nach der Pubertät bei den meisten Menschen das biologische Geschlecht erkennen.“
Das rasante Wachstum der Stimmlippen bei Jungen auf mehr als doppelte Länge erfolgt meist innerhalb eines Jahres, gleichzeitig verändert sich der gesamte Vokaltrakt aus Rachen, Mundraum und Nasenhaupthöhle – das bleibt nicht ohne Nebenwirkungen: „Um den Frequenzbereich beim Sprechen konstant zu halten, brauche ich eine ziemlich stabile neuromuskuläre Steuerung“, sagt Fuchs. „Dieses System kommt während des schnellen Wachstums aber durcheinander – die Steuerung wird instabil.“
Die Folge ist vor allem beim lauten Sprechen „ein unwillkürlicher Wechsel zwischen verschiedenen Stimmregistern“. Der Jungmann springt unbeabsichtigt zwischen Kopf- und Bruststimme hin und her, bis sich die Steuerung neu justiert hat. Bei Mädchen mache sich dieses Phänomen übrigens auch gelegentlich bemerkbar, sagt Fuchs – allerdings nur beim steuerungstechnisch besonders anspruchsvollen Singen.
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